(hpd) Wer heutzutage und hierzulande mit dem Namen Casanova (1725 – 1798) konfrontiert wird, assoziiert damit unwillkürlich den "galanten Verführer und Liebhaber" einer Unzahl von Frauen. Oder im heutigem Sprachgebrauch würde man vielleicht so sagen: der Mann mit den One-Night-Stands am laufenden Band...
Casanova nur als Synonym gesehen, nicht mehr als realer Mensch... Doch wer nur diese eine – vor allem literarisch überlieferte – Seite des Venezianers Casanova sieht, der wird dem historischen Casanova absolut nicht gerecht.
Klaus Seehafer nähert sich mit seinem Roman dem Menschen Casanova: Man schreibt den 2. April 1775. Erst im Laufe des Tages wird ihm zufällig bewußt, daß dies sein 50. Geburtstag ist... Erst wenige Monate zuvor ist Casanova nach langen Jahren der Flucht durch viele europäischen Staaten in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Besser gesagt, es wurde ihm gestattet.
Scheinbar setzt sich hier das galante Leben eines Abenteurers fort: Nachts liebt er die noch sehr junge Theaterschneiderin Elvira, nachmittags ihre verheiratete Schwester, die Bäckerin Mona. Und die Reichen und Mächtigen laden ihn ein, um von seinen amourösen Abenteuern zu hören. Doch Casanova will nun endlich reinen Tisch machen. Er will als das gelten, was er wirklich ist: Einer der bereits mit 17 Jahren zum Doktor der Jurisprudenz promoviert worden ist, der als Erfinder Mathematiker, Unternehmer, Übersetzer, Dramatiker, Romanautor, Historiker und Philosoph brillierte...
Jetzt wieder in Venedig, arbeitet er an einer Übersetzung von Homers "Ilias". Doch niemand will die drei Bände kaufen, niemand interessiert sich für seine Ideen. Daher sinniert Casanova neben dem Schreiben und Lieben auch darüber nach, wer ihn seinerzeit an die Inquisition verraten haben mag, ihn damit in die berüchtigten Bleikammern brachte. Und vor allem warum? Casanova begibt sich auch auf Spurensuche und wird fündig...
.... kratzte an der Macht von Kapital und Altar
Es waren nicht seine Verführungen verheirateter Frauen, es war nicht sein Hang zum (verbotenen) Glücksspiel. Nein, da hielt er es nicht anders als die Oberschicht des Stadtstaates. Es waren vielmehr seine freigeistigen Ideen, die an der Macht des Klerus und an der angeblich gottgewollten Macht der noblen Patrizier kratzten. Es war seine eigentlich ungewollte Offenlegung einer durch und durch verderbten Gesellschaft...
Lassen wir, was die amourösen Abenteuer betrifft, den Romanautor zu Wort kommen: ..."Cesare war entsetzt. Er hatte von solchen Kirchenmännern gehört. Sie waren ein stehender Witz in Venedig. Er hatte manche gesehen, denen er zugetraut hätte so auf Schlüpfrigkeiten versessen zu sein wie Abate Morselli. Aber vor einem solchen Mann zu sitzen, das Funkeln in seinen Augen zu sehen und diesen Mund, der vor Geilheit halb offen stand, das ertrug er kaum. Die Geschichten Casanovas mochten frivol sein, aber erst die Art, wie der Abate zuhört, machte aus ihnen Schmutz."...
Ein Gewinn für den Leser dürfte auch der Anhang sein. In einer Zeittafel hat Seehafer akribisch Cananovas Leben und Wirken erfaßt und dieses in wichtige Daten der europäischen Geschichte eingebunden.
Siegfried R. Krebs
Klaus Seehafer: Casanovas späte Liebe. Roman. 208 S. Geb. mit Schutzumschl. Bookspot Verlag München 2009. 14,80 €. ISBN 978-3-937357-36-2