Düsseldorfer Justiz kriecht zu Kreuze

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Grafik: Rolf Heinrich, 1997

DÜSSELDORF. (hpd) Wenigstens einen punktuellen Teilsieg konnte das Verfassungsgebot der religiös-weltanschaulichen Neutralität in Düsseldorf erringen – so konnte man nach dem Beschluss der örtlichen Gerichtspräsidenten vom Februar 2010 meinen, wonach im neuen Düsseldorfer Justizzentrum in den Gerichtssälen keine Kreuze mehr angebracht werden sollten, weil das der staatlichen Neutralität widerspreche.

Ein Kommentar von Gerhard Czermak

Trotz heftiger Kritik wies die Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Hinweis auf das Neutralitätsgebot verwundert darauf hin, dass neben den Bundesgerichten auch der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof sowie die Verwaltungsgerichte und das Oberverwaltungsgericht NRW keine Kreuzsymbole kennen. Der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland hielt es für eine Banalisierung des Kreuzes, es auf ein Symbol für Humanität und allgemein akzeptierte Werte zu reduzieren, um seine Fortexistenz in Gerichtssälen zu erhalten (s. zum Ganzen ausführlich.). Aber die Angelegenheit ist damit leider nicht zu Ende.

Düsseldorfer Justiz rudert in kirchlichen Hafen

Die breite Kritik aus kirchlichen und politischen Kreisen war ja nicht selten gehässig gewesen. Mancher hatte vielleicht noch die Erklärung des Krakauer Erzbischofs gegen das Urteil des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofs vom November 2009 gegen Schulkreuze in Italien in Erinnerung: Es sei ein gefährlicher Schlag gegen die Würde des Menschen und trete die Religionsfreiheit mit Füßen (nebenbei: die Religionsfreiheit war gerade von der römischen Kirche bis 1965 erbittert bekämpft worden). Unter dem Eindruck der massiven öffentlichen Kritik lud die Präsidentin des Düsseldorfer Oberlandesgerichts ihre Kollegen von Amts- und Landgericht sowie Repräsentanten der evangelischen und katholischen Kirche zum Gespräch. Erfreut kam man zu einer „guten“ Lösung: Zwar werden in den Sitzungssälen keine Kreuze angebracht, dafür werde das große Kreuz aus dem Schwurgerichtssaal des alten Landgerichts an angemessener Stelle im Neubau einen Platz finden. Man kann sich denken, dass das im Foyer oder vergleichbar repräsentativer Stelle erfolgen wird. Superintendent Ulrich Lilje erklärte dazu laut idea.de (15.3.2010), dem evangelikalen Nachrichtendienst (aus seiner Sicht zutreffend), dass die Lösung „nicht hätte besser ausfallen können“. Laut der gemeinsamen Erklärung der Gesprächsteilnehmer waren sich alle Beteiligten einig, dass das Christentum von zentraler Bedeutung für die Gesellschaft sei. Alle akzeptierten auch grundsätzlich die Neutralitätspflicht des Staates, zögen daraus aber verschiedene Schlüsse. Das neue Justizzentrum wird mit einem von den drei Gerichtspräsidenten angeregten ökumenischen Gottesdienst eingeweiht werden.

Wie unabhängig ist die Justiz?

Man muss zwangsläufig den Eindruck gewinnen, dass sich zumindest Teile der Justiz durch den Druck der Kirchen, der Politik und der Straße manipulieren lassen. Denn wenn die Entscheidung, die Sitzungssäle nicht mit dem Kreuzsymbol auszustatten, wegen der gebotenen staatlichen Neutralität nach wie vor richtig ist, wieso soll dann ausgerechnet ein großes Kreuz etwa im Eingangsbereich des Gebäudes mit der Neutralität vereinbar sein? Ist es so unparteilich und hat es plötzlich keine religiöse Bedeutung mehr? Und wieso meinen die Vertreter der staatlichen Justiz, sich bezüglich ihres Gebäudes von religiösen Interessenvertretern einen – verfassungswidrigen – Kompromiss abhandeln lassen zu dürfen? Denn die symbolische Aussage eines Kreuzes und keines anderen Symbols in einem Gerichtsgebäude (oder Rathaus) legt den Gedanken nahe: Das Christentum hat auch für die dienstlichen Aufgaben eine herausgehobene Bedeutung, wer Christ ist, trifft auf besonderes amtliches Wohlwollen und jedem, der das Gebäude betritt, wird optisch demonstriert, welche Richtung hier das Sagen hat – bei, nach Auffassung der Gerichtspräsidenten, aller gleichwohl natürlich unbestrittenen religiös-weltanschaulichen Neutralität.

Die Justiz tritt sich mit ihrem Einknicken selbst auf die Füsse. Merkt sie das nicht? Sie diskreditiert, richtig betrachtet, ihr Ansehen. Die unversetzbaren Richter haben ja deswegen eine so besonders gesicherte Rechtsstellung, damit sie ihr Amt unparteiisch und sachlich ohne interessengeleiteten äußeren Einfluss ausüben können. Aber wie viel innere Unabhängigkeit und Respekt vor dem Grundgesetz, auf das sie einen Eid geleistet haben, werden halbwegs Informierte ihnen zutrauen? Solche Bedenken haben Bürger freilich dann nicht, wenn sie mit dem seinerzeitigen Generalsekretär der NRW-CDU, Hendrik Wüst, meinen: „Wenn wir ein Staat mit christlichem Fundament sind, dann gehören Kreuze in die Gerichte". Das aber ist Realsatire. Denn das GG ist zwar aufgeschlossen gegenüber religiös-weltanschaulichen Überzeugungen, aber dabei neutral. Es ist – aus triftigen historischen Gründen – nachweislich weder in irgendeiner Weise christlich, noch hat es überhaupt eine Religion oder sonstige Weltanschauung. Aber so viel Staatsbürgerkunde sieht man ungern.

Zur Ehrenrettung der Richterschaft kann man darauf hinweisen, dass der Deutsche Richterbund auf die Forderung, die Kreuze wieder in die Sitzungssäle zu bringen, mit „Befremden“ reagiert hat. Von den Zivil- und Strafrichtern (nicht denjenigen in anderen Gerichtsbarkeiten) insbesondere in Bayern, wo die Kreuze und Kruzifixe flächendeckend in den Sitzungssälen hängen, kann man das leider nicht sagen. Wenn sie Angst haben, von ihrem sitzungspolizeilichen Anspruch auf verfassungsgemäße Raumausstattung Gebrauch zu machen, wie unabhängig sind sie dann?

Die Düsseldorfer Kreuz-Debatte und ihr Ergebnis sind kein rühmliches Zeichen von Rechtskultur.
 

 

Gerhard Czermak: Kreuzsymbole in staatlich-öffentlichen Räumen? (8.3.2010)