Gegen den religiösen Fanatismus

(hpd) Die zunehmende Ausbreitung des islamischen Fundamentalismus bedroht die Werte der demokratischen und rechtsstaatlichen Systeme.

Die damit verbundene Gefahr ist aber nicht nur einer bestimmten Variante des Glaubens der Muslime, sondern mehr oder minder allen Offenbarungsreligionen eigen. Von dieser Annahme geht Elie Barnavi in seiner Streitschrift „Mörderische Religion" aus. Der Historiker und Politologe lehrte als Professor an der Universität Tel Aviv und an der École des Hautes Études in Paris, war Botschafter Israels in Frankreich und gab die voluminöse „Universalgeschichte des Judentums" heraus. Barnavi versteht sich selbst als gläubiger Jude und plädiert bei aller Vehemenz seiner Kritik am Glauben lediglich für eine strikte Trennung von Religion und Staat. Seine Schrift „Mörderische Religion" versteht sich als politische Streitschrift, die intellektuelles Rüstzeug für den Kampf gegen die Anmaßungen des religiösen Fanatismus liefern will. Sie verzichtet denn auch auf genaue Belege und Nachweise im Sinne einer wissenschaftlichen Arbeit.

 

Barnavis Text gliedert sich in zehn Kapitel unterschiedlicher Länge: Darin geht er auf den grundlegend politischen Charakter jeder Religion ein, deutet den Fundamentalismus als eine besondere Lesart der Religion und den revolutionären Fundamentalismus als eine totalitäre Lesart der Religion. Die Offenbarungsreligionen sind nach der Auffassung des Autors ganz besonders vom revolutionären Fundamentalismus bedroht: „Jede Offenbarungsreligion ist eine kämpferische Religion; nur die Waffen ändern sich - und die Intensität des Kampfgeistes. Schließlich legitimiert die Religion, und zwar jede, Hierarchien" (S. 29). Und weiter: „Alle Religionen, auch die friedfertigsten, tragen den Keim der Gewalt in sich. Und unter entsprechenden sozialen Begleitumständen beginnt die tödliche Saat zu keimen" (S. 56). Die Ausdrucksformen des revolutionären Fundamentalismus im Christentum und Judentum sowie besonders im Islam werden anschließend dargestellt und kommentiert. Im Kampf gegen den Islamismus sieht Barnavi die große Aufgabe des 21. Jahrhunderts.

 

Sein Buch „Mörderische Religion" kann als eine Art „Langessay" gelten. Ihm sind die Vor- und Nachteile dieses Genres eigen: Der guten Lesbarkeit und lockeren Schreibe steht die argumentative Oberflächlichkeit und inhaltliche Zuspitzung gegenüber. So zutreffend die These von der prinzipiellen Gewalt- und Konfliktgeneigtheit der Offenbarungsreligionen ist, so hätte man sich dafür aber doch eine ausführlichere Begründung gewünscht. Der kurze Hinweis auf den Anspruch auf die „absolute Wahrheit" (S. 56) reicht hier nicht. Überzeugend verdeutlichen kann Barnavi aber anhand einiger Beispiele aus dem Koran die Ambivalenz der „Heiligen Schriften": Sie „sind Gemischtwarenläden, in denen jeder findet, wonach er sucht, sprich: das was jeder mitbringt" (S. 97). Deshalb gibt es auch nicht den Islam, sondern nur seine unterschiedlichen Ausdrucksformen. Barnavi plädiert für einen konsequenten Laizismus, „ohne den Demokratie nicht möglich wäre". Man müsse ihn „mit Zähnen und Klauen verteidigen, ohne Unterschiede, ohne Schwäche zu zeigen" (S. 170f.).

Armin Pfahl-Traughber

 

Elie Barnavi, Mörderische Religion. Eine Streitschrift. Aus dem Französischen von Olaf Matthias Roth, Berlin 2008 (Ullstein-Verlag), 174 S., 18 €