Nimms-Leicht-Stuhl statt Beichtstuhl

Gruppe-FSM.jpg

Teilnehmer / Foto: Rüdiger Weida

BERLIN. (hpd) Der Super-Bischof Mixa schickte seinen rollenden Beichtstuhl, das Beichtmobil der "Kirche in Not", nach Berlin. Das fanden wir eine prima Aktion. Es scheint ja wirklich so, als ob es in katholischen Kreisen gegenwärtig mächtig viel Beichtbedarf geben würde.

Anlass war der Weltjugendtag der Berliner Diözese. Wir hatten uns im Web informiert. 400 Teilnehmer soll es da im letzten Jahr gegeben haben. Also würde wohl tüchtig was los sein am Ludwigkirchplatz in Berlin Wilmersdorf. Das wollten wir nutzen und starteten als Gemeinschaftsprojekt der Berlin – Brandenburger Vereine Evolutionären Humanisten und Kirche des Fliegenden Spaghetti Monsters eine alternative Aktion. Wir entwickelten den „Nimms – Leicht -.Stuhl“.

Nicht im Dunklen, Verborgenen sollten „Sünden“ gebeichtet, sondern offen und im vollen Licht kleine Schwächen weg gelacht werden. Für die größeren war sogar ein Lebensberater des Humanistischen Verbandes dabei. Das alles sollte im festlichen Rahmen einer Heiligen Nudelmesse stattfinden.

Damit diese gehalten und der „Nimms-Leicht-Stuhl“ auch aufgestellt werden konnte, wurde alles ordentlich als Demo angemeldet. In der Veranstaltungsbehörde war der KdFSM BB e.V. schon bekannt. Nach kleinen Absprachen kam das O.K. Bei der zuständigen Polizeiwache gab es noch ein paar zusätzliche Nachfragen, dann war klar, wir durften uns im gesamten öffentlichen Raum um die Ludwigskirche platzieren.

Dem ganzen öffentlichen Raum? Das dann doch nicht, denn die Kirche hatte für ihre Aktivitäten eine Straße sperren lassen. Also musste dort wohl toll was steigen und wir waren auf Massen von Katholiken eingestellt. Flyer wurden gedruckt, die alle zur Heiligen Nudelmesse einluden, ein Schild für den „Nimms-Leicht-Stuhl“ gemalt und Gläser mit frischer Berliner Luft zur Vergebung kleiner und großer „Sünden“ gefüllt und gestaltet.

Dann kam der Moment der Wahrheit und mit ihm gleich die erste Erkenntnis: Die Katholiken sind alle ganz brave Menschen. Oder woran sollte es sonst gelegen haben, dass das Beichtmobil während unserer Anwesenheit nicht ein einziges Mal aufgesucht wurde?

Könnte es auch daran gelegen haben, dass weit und breit keine 400 Leute zu sehen waren? Die gesperrte Straße war leer. Keine Freiluftveranstaltung, alles unterm Dach. Dort saß im Hinterhof dann aber doch eine größere Gruppe Jugendlicher fröhlich beisammen.

Wir bauten uns in Front der Kirche auf, verteilten unsere Flyer und auch welche für die anstehende Demo der Heimkinder. Es ergaben sich interessante Gespräche. Meist mit großer Zustimmung zu unserer Aktion. Der erste Kontakt endete allerdings mit strikter Ablehnung. Als ich direkt vor der Kirche einem Herrn in brauner Kutte eine Einladung zur Nudelmesse überreichen wollte, klärte er mich auf, er sei katholischer Priester und wisse, wo er zu beichten habe. Anschließend forderte er mich auf, das Gelände zu verlassen, soweit es der Kirche gehöre. Wer könnte einem katholischen Priester einen Wunsch abschlagen? Ich stellte mich eine Treppenstufe tiefer und grübelte dort, woher der Herr in der Kutte von unserem „Nimms-Leicht-Stuhl“ wusste, denn von dem stand nichts auf unseren Flyern.

Als dann die Nudelmesse begann, hatten wir eine kleine Gruppe katholischer Jugendlicher als Zuschauer. Die fotografierten uns, wussten sonst aber wohl nicht, ob sie uns lustig oder böse finden sollten. Auch als nach der Messe kleine Fleischbällchen mit Zahnstocherfähnchen vom Spaghettimonster und der Aufschrift „In Pasta we trust“ verteilt wurden, waren sie recht zurückhaltend. Jedenfalls bis der erste gekostet hatte. Als der zufrieden war, griffen auch die anderen zu. Wir kamen kurz ins Gespräch und recht freundlich verabschiedeten sie sich und verschwanden in den Kirchenräumen. Aber nur, um bald danach wieder aufzutauchen. Mit ein paar von unseren Flyern und Fähnchen in der Hand. Die wurden dann vor unseren Augen, aber in sicherem Abstand, denn schließlich waren wir alle mit Säbeln bewaffnet, zerrissen. Nun aber nicht etwa auf uns geworfen, auch nicht in die umstehenden Papierkörbe, sondern auf den Weg.

Während die Einen von uns unsere Aktionsgegenstände wieder abbauten und im Auto verstauten, sammelten die Anderen die Schnipsel ein und übergaben sie einem Papierkorb.

Wir empfanden echte Dankbarkeit gegenüber den jugendlichen katholischen Umweltsündern. Hatten sie uns doch so die Gelegenheit gegeben, wieder einmal den Müll, der in Kirchenkreisen so oft verzapft wird, zu beseitigen und uns so das Gefühl der eigenen ethischen Stärke vermittelt.

Eine gelungene Aktion hatte ihr würdiges Ende gefunden.

Rüdiger Weida