Freiheit, die ich meine

DÜSSELDORF. (hpd) Ein Bürger Nordrhein-Westfalens hat im Vorfeld der Landtagswahl den Integrationsminister von NRW um Stellungnahme im Kruzifix-Streit gebeten. Der Minister antwortete umgehend.

 

Der Brief der fragenden Bürgers:

Sehr geehrter Herr Laschet.

Bis vor kurzem habe ich noch damit geliebäugelt, in der nächsten Wahl meine Stimme der NRW-CDU zu geben. Jedoch nach den jüngsten Äußerungen zum Kruzifix-Streit werde ich das wohl nicht tun.

Mit welchem Recht sollen in den Schulen Kruzifixe hängen bleiben? Ich denke, unsere Gesellschaft sollte aufgeklärt genug sein, Kinder und junge Menschen frei und neutral von Religion heranwachsen zu lassen, damit sie später einmal selbst entscheiden können, ob und was sie wollen. Denn: die Religion hat in ihrer Geschichte bislang doch immer nur Barrieren geschaffen und Intoleranz gefördert. Dabei sollten wir Menschen uns doch darauf besinnen, dass wir zusammenleben müssen, ohne uns durch irgendein skurriles Geistwesen Vorschriften machen zu lassen. Wie viele Menschen sind schon im Namen der Religion gestorben und/oder wurden und werden diskriminiert. Doch wagt es einmal eine Politikerin, wie Frau Özkan, diesen Missstand anzusprechen, gibt es gleich Sturmläufe gegen sie.

Meinungsfreiheit hört also bei Kirche und Religion auf!? Das schmerzt mich als überzeugten Demokraten doch sehr. Sobald Missstände in Verbindung mit Glauben und Kirche angesprochen werden, wird sofort die freie Meinung verboten! Dasselbe sieht man ja nun aktuell in der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Kirche. Derzeit ist man bemüht, dieses Thema doch wieder herunter zu spielen und nicht in der Öffentlichkeit zu diskutieren, aus Angst vor noch mehr Kirchenaustritten. Immerhin ist zurzeit ein gutes Drittel der Menschen in Deutschland bereits konfessionslos. Wer vertritt diese Menschen? Vielleicht denken Sie ja einmal darüber nach. Nur, weil Ihre Partei ein "C" im Namen trägt, legitimiert das in meinen Augen noch nicht, öffentliche Diskussionen zum Thema Religion und Glauben abzuschmettern.

Es ist gut, dass es außerparlamentarische Strömungen gibt, die sich zunehmend an dieses Thema herantrauen. Immerhin gehören viele berühmte und durchaus kluge Köpfe zu den Religionskritikern unserer Zeit. Es ist dringend notwendig, eine neue Aufklärungswelle voranzutreiben und hierfür werde ich mich tatkräftig engagieren. Ich hoffe, Sie verzeihen meine hiermit verkündete freie Meinung zu dem Thema, aber das Schweigen muss mal ein Ende haben.

Nichts für ungut. Viel Erfolg für den Wahlkampf in NRW.

Mit freundlichen Grüßen
Torsten Zurheide

 

Der Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen antwortete am 3. Mai 2010.

Sehr geehrter Herr Zurheide,

haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben vom 27. April 2010, zu dem ich gern Stellung nehmen möchte.

Mit guten Gründen sind bei uns in Deutschland Staat und Kirche nicht rigoros voneinander getrennt wie in laizistischen Ländern, sondern partnerschaftlich miteinander verbunden. Das Gebot der weltanschaulich-religiösen Neutralität verpflichtet den Staat nicht zum Laizismus. Das ist eine Lehre aus zwei kirchenfeindlichen und atheistischen Ideologien, die unsere deutsche Geschichte auf unheilvolle Weise geprägt haben. Die verfassungsrechtliche Grundlage für das partnerschaftliche Verhältnis von Staat und Kirche bilden der sogenannte „Kirchenartikel" 140 des Grundgesetzes sowie der Grundrechtsartikel 4 GG.

Auch aus der 1995 getroffenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Kreuz in den Schulen, das in diesen Tagen häufig angeführt wird, lässt sich kein Verbot christlicher Symbole im öffentlichen Raum ableiten. Das Kreuz in der Schule ist erlaubt und muss nur im Einzelfall und auf Verlangen entfernt werden. Das höchste deutsche Gericht erkennt damit an, dass die christliche Religion Teil unserer Identität und Kultur ist.

Christliche Symbole gehören auch deshalb in die Schulen, weil - wie es in unserer Landesverfassung heißt - „Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, (...) vornehmstes Ziel der Erziehung" ist. Dafür steht der auch gekreuzigte und auferstandene Christus.

Die CDU vertritt die Auffassung, dass Religion öffentlich sichtbar sein soll. Dass diese Haltung auch von Nichtchristen geteilt wird, zeigt z. B. die Erklärung des Zentralrats der Muslime in Deutschland, der sich für Kreuze in Schulen ausgesprochen hat.

Auch kann keine Rede davon sein, dass es in Deutschland verboten sei, kirchenkritische oder laizistische Positionen zu vertreten. Die Buchhandlungen und Feuilletons sind doch voll davon! Jeder kann ungestraft solche Meinungen äußern. Auch die von Ihnen angesprochenen Missbrauchsfälle werden ganz offensichtlich nicht aus der Öffentlichkeit herausgehalten, sondern von den Medien - und nicht nur von ihnen - umfassend dargestellt und breit diskutiert. Ich kann keine Anzeichen dafür erkennen, dass die freie Meinungsäußerung in den von Ihnen angesprochenen Fragen von wem auch immer beschnitten wird.

Mit freundlichen Grüßen
Armin Laschet