Türkischer Islamismus – Made in Germany

Die Entsendung von Imamen aus der Türkei an deutsche Moscheen wird bereits seit längerer Zeit kritisch betrachtet. Künftig soll diese Praxis eingestellt werden und es sollen nur Imame eingesetzt werden, die in Deutschland ausgebildet wurden. Diese jüngst zwischen Bundesinnenministerium und Türkei getroffene Vereinbarung ist allerdings deutlich weniger fortschrittlich als sie auf den ersten Blick wirkt. 

Stolz verkündete das Bundesinnenministerium am 14. Dezember, mit der Türkei, konkret der staatlichen Religionsbehörde Diyanet und DITIB, eine Vereinbarung getroffen zu haben, die die Entsendung von Imamen aus der Türkei an deutsche Moscheen in circa zehn Jahren beendet. Am selben Tag verkündete die DITIB einen islamischen Wohlfahrtsverband namens Ihsan zu gründen. Und am folgenden Tag ließ DITIB verlauten, die von ihnen vorgeschlagene Veränderung der Imamausbildung in Deutschland sei vom Bundesministerium unterstützt worden. Damit hoffen beide, das Bundesministerium und DITIB, mittels gemeinsamer Zündung von Nebelkerzen Probleme aus der Welt geschaffen zu haben.

"In diesem Kontext hat die DITIB-Religionsgemeinschaft im Rahmen der bereits laufenden Gespräche zwischen der DITIB, dem Bundesministerium des Innern und der Diyanet ein neues Konzept zur Ausweitung der Imam-Ausbildung erarbeitet und vorgestellt. Dieser Konzeptvorschlag wurde von allen Gesprächspartnern positiv gewürdigt. Diese sicherten zudem ihre Unterstützung gegenüber der DITIB zu, damit zeitnah Ressourcen aufgebaut werden können, um in den kommenden Jahren die Ausbildung von 100 männlichen Religionsbeauftragten jährlich sicherzustellen." Zitat aus der Presseerklärung der DITIB vom 15. Dezember 2023.

Die Hintergründe liegen auf der Hand: In den Jahren 2016 und 2017 standen etliche der 1000 Imame, die von der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet in deutsche DITIB-, ATIB- und Millî Görüş -Moscheen entsandt wurden, im Verdacht, für den türkischen Geheimdienst MIT Moscheebesucher:innen ausspioniert zu haben. Für die betroffenen Ausspionierten kann das bei einem Türkei-Urlaub zur Inhaftierung führen. Etliche verdächtigte Imame verließen daraufhin bei Nacht und Nebel das Land. Darüber hinaus ließ sich leicht erkennen, dass diese Imame, die auf der Gehaltsliste des türkischen Staates stehen, auf Weisungen aus Ankara hören müssen und so in vielen DITIB- und ATIB- Moscheen für den Sieg der türkischen Armee bei ihrem völkerrechtswidrigen (so die Rechtsstelle des Bundestages) Einmarsch in die syrische Region Afrin, Gebete verlesen hatten. Daher wurde DITIB in einigen Bundesländern wieder aus der Gestaltung des muslimischen Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen ausgeschlossen.

Aber auch DITIB hatte mit diesen entsandten Imamen etliche Schwierigkeiten. Sie sprechen kein oder nur schlecht deutsch und andererseits sind viele Kinder und Jugendliche aus Haushalten mit muslimisch-türkischem Migrationshintergrund oder anderssprachiger Herkunft der türkischen Sprache nur eingeschränkt oder nicht mehr mächtig. Die entsandten Imame sind daher für die Jugendarbeit nur begrenzt tauglich. Zudem wird bei einer Entsendungsdauer von vier Jahren in den meisten Fällen eine dauerhafte Binnenbindung innerhalb der Moscheegemeinden als auch eine Kontaktaufnahme in das regionale Umfeld erschwert bis unmöglich gemacht. Auch die Öffnung der DITIB-Moscheen für Muslime aus anderen Sprachgruppen beziehungsweise deutschsprachige Konvertiten funktioniert mit türkischsprachigem Personal nicht. Mögen sie noch so sehr für Erdogan und dessen islamistische Agenda predigen, sie werden schlicht nicht verstanden. Deutsch wird als Predigtsprache in vielen Moscheen von den meisten Betenden besser verstanden.

Dieses Problem hat DITIB längst erkannt. Bereits im Jahre 2019 eröffnete DITIB daher in Dahlem, NRW, eine eigene Ausbildungsstätte, in der Imame und anderes Personal für die eigenen Moscheen ausgebildet werden. Der jetzt von DITIB angepeilte Ersatz von jährlich 100 der aus der Türkei entsandten Imame durch eigenständig von DITIB ausgebildete Imame ist vornehmlich im eigenen Interesse. Der öffentliche Druck wegen des nicht deutschen Personals wird genommen und die optimalere Einsetzbarkeit der predigenden Imame sind im Interesse von DITIB. Damit will DITIB auch seine gegenwärtige schlechte Position bei der Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts oder beim Religionsunterricht beenden.

Allerdings sind erhebliche Zweifel angebracht, ob mit der Ausbildung von Imamen in Dahlem die Erwartungen in Erfüllung gehen, die das Bundesministerium in seiner Presserklärung formuliert hat. Innenministerin Nancy Faeser erklärte: "So verringern wir den Einfluss der Türkei auf deutsche Moscheegemeinden" und äußerte den Wunsch: "Wir brauchen Prediger, die unsere Sprache sprechen, unser Land kennen und für unsere Werte eintreten."

Wie groß ist der Einfluss der islamistischen türkischen Führung auf DITIB?

Der Moscheeverband DITIB ist als eingetragener Verein organisiert. Es gibt neben der Mitgliederversammlung zwei Organe, den Beirat und den Vorstand. Die Hierarchie ist ebenfalls in der Satzung geregelt. Für den Vorstand können auf der Mitgliederversammlung nur Personen kandidieren, die vom Beirat vorgeschlagen werden. Damit entscheidet der Beirat über die Zusammensetzung des Vorstandes. Der Beirat ist somit das alles entscheidende Gremium, vergleichbar dem Aufsichtsrat eines Unternehmens, das den Vorstand benennt und im Zweifel auch wieder abberuft. Die Zusammensetzung des fünfköpfigen Beirates ist ebenfalls in der Satzung festgelegt. Es sind fünf Personen, Attachés der türkischen staatlichen Religionsbehörde Diyanet, wobei der Vorsitzende der Diyanet auch der Vorsitzende des DITIB-Beirates ist. Das ist aktuell Ali Erbas mit Sitz in Ankara. Er entstammt wie sein Chef Erdogan der muslimbruder-nahen Millî Görüş Bewegung, bezeichnet Israel als rostigen Dolch, die Hamas als eine Befreiungsorganisation und spricht sich für die Zerschlagung Israels aus.

Bei dem mit dem Bundesinnenministerium vereinbarten Übergang der Fachaufsicht über die Imame von den regionalen türkischen Konsulaten und deren Religionsattachés auf die DITIB wird allenfalls eine Veränderung der zuständigen Kontrollinstanzen innerhalb der türkischen Anleitungsstrukturen herbeigeführt, aber keine Verringerung des Einflusses der Türkei auf die DITIB-Moscheen in Deutschland.

Die Personalie des jetzigen DITIB-Vorsitzenden Muharrem Kazey bestätigt diese Hierarchien. Kazey, geboren 1980 in der Türkei, studierte dort von 1997 bis 2007 islamische Theologie und arbeitete vor seiner Wahl zum Vorsitzenden von DITIB im Februar 2023 von 2018 bis 2022 als Religionsattaché beim türkischen Generalkonsulat in Köln und gehörte dem Beirat an. Ein klassisches Eigengewächs – von der Entsendung durch die Diyanet bis zum Vorsitzenden. Darüber hinaus wird die Abhängigkeit der einzelnen der cirka 900 DITIB-Gemeinden dadurch gesichert, dass die Diyanet-Stiftung in der Türkei beziehungsweise die DITIB-Zentrale in Köln Eigentümerin der meisten Gebäude ist. Insbesondere die neuen großen Moscheebauten werden von den örtlichen DITIB-Gemeinden nur als "Mieter" ohne "Kündigungsschutz" genutzt.

Da die jetzigen Imame auch vom türkischen Staat bezahlt werden, ergibt sich für die neu in Deutschland ausgebildeten Imame ein Finanzierungsproblem, denn dies können die einzelnen, oftmals sehr kleinen Moscheevereine nicht leisten. Da wird also weiterhin die Türkei mit ihrer Religionsbehörde einspringen und finanziell begründeten Einfluss ausüben oder der deutsche Staat schießt Gelder dazu. Bereits für den Ausbau der DITIB-Ausbildungsstätte in Dahlem hat das Bundesinnenministerium finanzielle Hilfe in Höhe von 500.000 Euro jährlich zugesagt.

Nancy Faeser glaubt, dass diese in Deutschland ausgebildeten Imame dann auch für "unsere Werte eintreten" werden. Ganz abgesehen von der ungeklärten Frage, was "unsere Werte" genau sind, strotzt diese Annahme vor Naivität. Allein mit dem geplanten Zuschuss von 500.000 Euro jährlich für die DITIB-Ausbildungsstätte in Dahlem wird sich die Zustimmung zu "unseren Werten" nicht erkaufen lassen. Die DITIB-Ankündigung, dass 100 männliche Imame ausgebildet werden, dürfte schon zu erheblichen Differenzen bezüglich "unserer Werte" führen. Es predigen nur Männer (das ist bei der katholischen Kirche auch so) und in den Moscheen gilt die Geschlechtertrennung. "Unsere Werte"? Aber unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Religionen hätte DITIB natürlich auch einen Anspruch auf staatliche Zuwendungen, da ja auch das predigende Personal der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland aus allgemeinen Steuergeldern des Staates an deutschen Universitäten finanziert wird. Abzüglich der von der katholischen Kirche importierten Pfarrer aus Ländern mit einem hohen Anteil Strenggläubiger.

Die Ausbildenden und Lehrkräfte in Dahlem werden von DITIB und der Türkischen Diyanet gestellt. Ihre Werte werden daher aus Ankara bestimmt und dürften sich an einer strengen Koranauslegung und den Intentionen der Scharia orientieren. Ferner wurde vereinbart, dass die DITIB mit dem Islamkolleg in Osnabrück kooperieren soll. Als 2020/21 das Islamkolleg in Osnabrück begründet wurde, haben sich Millî Görüş und DITIB noch über die staatliche Einmischung beklagt und darauf verwiesen, dass sie und die Gemeinden allein entscheiden würden, welche Inhalte die Predigten haben und welche Imame sie einstellen würden. Bei dieser Ansicht dürfte DITIB bleiben und sich nicht in die Lehrbücher schauen lassen.

Das Islamkolleg in Osnabrück bildet ebenfalls Imame und theologisches Personal aus. Aber auch das Islamkolleg steht wegen seiner Verbindung zum Zentralrat der Muslime, ZMD, der sich im Wesentlichen aus muslimbrudernahen Moscheen und dem türkischen Moscheeverband der Grauen Wölfe, ATIB, zusammensetzt, in der Kritik. 

Die Verlagerung der Imamausbildung von türkischen Universitäten an eine in Deutschland angesiedelte DITIB-Schule verändert weder den Einfluss des islamistisch autoritär eingestellten türkischen Staates auf in Deutschland für DITIB tätige Imame noch verändert es die jetzt praktizierte islamistische Koranauslegung.

Die zeitgleiche Bekanntgabe der Gründung des islamischen Wohlfahrtsverbandes Ihsan durch DITIB lässt den Schluss zu, dass auch an dieser Stelle Absprachen mit dem Bundesinnenministerium getroffen wurden. Ein Wohlfahrtsverband ist zur Finanzierung seiner Arbeit auf massive Zuwendung des Staates und der Sozialkassen angewiesen. Auch die evangelische Diakonie und die katholische Caritas finanzieren sich fast ausschließlich über öffentliche Mittel. 

Zusammengefasst lässt sich Folgendes feststellen: Erstens, der deutsche Staat hat sein Gesicht gewahrt und die "ausländischen Imame" aus dem Lande vertrieben. Zweitens erhält die DITIB erhebliche Finanzzusagen für die Imamausbildung und vermutlich auch für den in Gründung befindlichen Wohlfahrtsverband sowie die spätere Finanzierung der Tätigkeit der Imame. Eine Moscheesteuer – vom Staat eingetrieben – ist angedacht. An den Inhalten, die in den Moscheen gepredigt werden, wird sich wenig ändern, denn die Imame werden weiterhin von der islamistischen DITIB und deren Personal ausgebildet und kontrolliert werden. Allerdings können sie mit fundierten Deutschkenntnissen viel wirkungsvoller missionieren.

DITIB geht eindeutig als Gewinner vom Platz. Ein Imageproblem beseitigt, Geld für die Islamausbildung eingeworben und alles bei der Beibehaltung rückständiger Inhalte. DITIB geht mit 3 zu 0 gegen die säkulare Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland vom Platz.

Es gibt jetzt ein neues Label: Islamismus – Made in Germany

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