Saudi-Arabien

Zehn ehemalige Richter des Hochverrats angeklagt – wegen zu milder Urteile

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Protest nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi vor dem saudischen Generalkonsulat in Istanbul

Der Specialized Criminal Court (SCC) in Riad, der über Terrorismusanklagen urteilt, hat zehn ehemalige Richter des Hochverrats bezichtigt. Den Angeklagten, die im April vergangenen Jahres verhaftet worden und seitdem in Isolationshaft waren, wird vorgeworfen, zu milde Urteile gegen vermeintliche Staatsfeinde gefällt zu haben, berichtet die NGO Democracy for the Arab World Now (DAWN).

81 Menschen richtete Saudi-Arabien an einem einzigen Samstag im März 2022 hin. Viele von ihnen waren von Medawi al-Jaber, ehemaliger Richter am SCC, zum Tode verurteilt worden. Nun droht al-Jaber selbst die Todesstrafe. Wie fünf andere ehemalige Richter des SCC und vier ehemalige Richter des High Court, des höchsten Gerichts des Landes, unterzeichnete al-Jaber ein Geständnis, demzufolge er "Milde" mit Angeklagten habe walten lassen.

Neun der zehn Angeklagten waren bereits im April vergangenen Jahres verhaftet worden, DAWN zufolge soll ihnen seitdem rechtlicher Beistand sowie jeglicher Kontakt zur Außenwelt verweigert worden sein. Die in Isolationshaft gehaltenen Richter wurden binnen eines Monats durch Vertraute des Kronprinzen Mohammed bin Salman ersetzt. Der neue Vorsitzende des SCC, berufen durch königliches Dekret, soll an der Vertuschung des Mords an Journalist Jamal Khashoggi beteiligt gewesen sein.

Diese neuen, dem Regime gegenüber höchst loyalen Richter machten sich sogleich daran, die angeblich zu "milden" Urteile ihrer Vorgänger zu verschärfen. So zum Beispiel das von Salma al-Shehab. Die Studentin an der Leeds University in Großbritannien und Mutter zweier Kinder wurde im Januar 2021 bei einem Heimaturlaub kurz vor ihrer Rückreise verhaftet, weil sie zuvor regimekritische Tweets geteilt hatte. Nach 285 Tagen in Einzelhaft wurde sie schließlich zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Nur ein Jahr später, unter neuer Führung des SCC, wurde al-Shehabs Haftstrafe von sechs auf 34 Jahre erhöht.

Ähnlich erging es Nourah al-Qahtani, die ebenfalls aufgrund ihrer Twitternutzung verhaftet worden war. Weil sie "das Internet nutze, um das soziale Gefüge zu zerreißen", wurde al-Qahtani zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Am selben Tag, an dem al-Shehabs Haftstrafe auf 34 Jahre erhöht wurde, erhöhte der SCC die al-Qahtanis von 13 auf 45 Jahre.

Begründet werden solcherlei Urteile, wenn überhaupt, damit, dass die ursprünglichen Strafen ihre abschreckende Wirkung verfehlten. Das Regime um Mohammed bin Salman fühlt sich nach der internationalen Affäre um den Mord an Jamal Khashoggi anscheinend wieder sicher genug, um mit gesteigerter Härte gegen jede Form von Kritik im eigenen Land vorzugehen. Oft trifft dieser Furor geschlechtlich und sexuell diverse Menschen, die in Saudi-Arabien bereits qua ihrer Existenz mit der Todesstrafe bedroht sind, oder Frauen, die gegen institutionalisierte Diskriminierung kämpfen. Denn entgegen aller Versprechen, die bin Salman auf internationaler Bühne abgibt, tendiert das Land eindeutig in Richtung gesellschaftliche Regression. So wurde im Jahr 2022, zynischerweise genau am Weltfrauentag, ein Personenstandsgesetz verabschiedet, das die männliche Vormundschaft über Frauen rechtlich zementiert.

"Saudi-Arabien muss sein unerbittliches Vorgehen gegen Frauenrechtsaktivist*innen und alle anderen, die es wagen, ihre Meinung frei zu äußern, beenden", fordert die Vizedirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika von Amnesty International, Diana Semaan. "Frauen wie Salma (al-Shehab, Anm. d. A.) müssen anerkannt und geschützt werden und dürfen nicht aufgrund ihrer Überzeugungen verfolgt werden. Die Behörden müssen auch aufhören, freie Meinungsäußerung mit 'Terrorismus' gleichzusetzen. Sie sollten die saudischen Gesetze zur Terrorismusbekämpfung und zur Bekämpfung der Cyberverbrechen, die abweichende Meinungen kriminalisieren, aufheben oder grundlegend ändern und neue Gesetze erlassen, die in vollem Umfang mit den internationalen Menschenrechtsstandards vereinbar sind", so Semaan weiter.

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