Nachdem am 11. März freudig verkündet werden konnte, dass der saudische Blogger Raif Badawi nach zehn Jahren aus der Haft entlassen wurde, ließ Saudi-Arabien am 12. März 81 Menschen wegen unterschiedlicher Verbrechen hinrichten – an einem einzigen Tag. Es war die größte Massenhinrichtung seit Langem. Damit sind in diesem Jahr schon jetzt mehr Menschen hingerichtet worden als in den beiden Vorjahren.
Seit Jahren beklagen Menschenrechtler immer wieder die hohe Zahl an Exekutionen in Saudi-Arabien. Das Land gehört zu den Ländern mit den meisten Hinrichtungen weltweit. 2019 waren nach Recherchen von Amnesty International 184 Menschen – teils auch öffentlich – exekutiert worden, was international große Empörung ausgelöst hatte. Dem Königreich wurde damals vorgeworfen, dass die meisten der Männer keine fairen Prozesse bekommen hätten und Geständnisse auch durch Folter erzwungen worden seien. Der Großteil der Hingerichteten gehörte der schiitischen Minderheit an. Im folgenden Jahr 2020, als die Saudis den G20-Vorsitz übernommen hatten, sei – so Amnesty – lediglich eine "kurze Atempause der Repression" im Golfstaat gewesen. Danach waren wieder mehr Menschen hingerichtet worden, allein zwischen Januar und Juli 2021 gab es 40 Exekutionen.
Nun hat Saudi-Arabien nach eigenen Angaben an einem einzigen Tag 81 Menschen exekutiert. Ein barbarischer Rekord: Beobachter sprechen von der größten Massenhinrichtung in der jüngeren Geschichte des Königreichs. Die Hinrichtungen wurden am 12. März vollstreckt, nachdem die Todesurteile durch Dekrete des Königshauses bestätigt worden waren. Die Zahl der Exekutierten lag höher als bei einer Massenhinrichtung Anfang 1980 von mutmaßlichen Teilnehmern des Sturms auf die Große Moschee in Mekka. Damals waren 63 Personen geköpft worden. Die jetzt Hingerichteten seien wegen unterschiedlicher Verbrechen verurteilt worden, ließ das saudische Innenministerium über die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA verlautbaren. Wie die Männer diesmal getötet wurden, wurde nicht mitgeteilt.
Menschenrechtsgruppen werfen Saudi-Arabien, wo Kronprinz Mohammed bin Salman mit aller Härte gegen politische und religiöse Meinungsäußerungen vorgeht, eklatante und permanente Menschenrechtsverletzungen vor. Mindestens 3.000 politisch Inhaftierte sitzen in Saudi-Arabien nach Schätzungen von Amnesty International in Gefängnissen des Landes.
Erst von wenigen Tagen war der Blogger Raif Badawi nach Jahren aus einem Gefängnis freigekommen. Der Gründer eines Online-Forums war 2012 wegen "Beleidigung des Islam" angeklagt und später zu 10 Jahren Haft und 1.000 Peitschenhieben verurteilt worden. 50 der Peitschenhiebe hatte er 2015 erhalten. Trotz seiner Freilassung darf er die nächsten zehn Jahre das Land nicht verlassen (um endlich seine Frau und seine Kinder wiederzusehen, die mittlerweile in Kanada im Exil leben). Auch ist es ihm verboten, in der Zeit Online-Medien zu nutzen. Das totalitäre Königreich erklärt, es schütze mit Strafen und Repressionen wie im Fall Badawi seine nationale Sicherheit gemäß seinen Gesetzen.
Salman ibn Abd al-Aziz’ Plan heißt "Vision 2030". Alle Wirtschaftsbereiche außerhalb des Energiesektors will er in den kommenden Jahren massiv ausbauen und zahlreiche deutsche und europäische Unternehmen unterstützten ihn gerne dabei. Seit Jahren schätzen sie das Land als verlässlichen und solventen Kunden. Business first! Menschenrechtsverletzungen, Repression und Hinrichtungen? Darüber wird schamvoll aber konsequent geschwiegen. Auch jetzt. Aus der Wirtschaft ist bislang kein Wort zu den Massen-Exekutionen im Land ihrer Geschäftspartner zu vernehmen. Und auch die Politik schweigt. Wieder einmal.