Interview

Selbstbestimmung wird Wahlkampfthema

BERLIN. (hpd) Am 2. April gründete sich mit dem Berliner der erste Landesverband der Partei der Humanisten (PdH). Die Partei will zu den Wahlen im September antreten. Der hpd wollte von der frisch gewählten Landeschefin, Sandra Pacholke, wissen, welche Ziele sie sich für die Wahl im Besonderen und die Partei insgesamt gesetzt hat.

hpd: Sie waren ja nun am vergangenen Mittwoch bei der Landeswahlleiterin. Erzählen Sie: Was ist dort passiert?

Sandra Pacholke: Ich habe dort die Unterlagen, vor allem die sog. "Beteiligungsanzeige" zur Abgeordnetenhauswahl im September 2016 in Berlin eingereicht. Dazu gehören verschiedene Unterlagen, wie das Gründungsprotokoll, die Satzung, das Programm der Partei usw. Daraufhin habe ich die Unterschriftenlisten für die PdH erhalten.

Wie viele Unterstützer-Unterschriften braucht die Partei?

Insgesamt 2.200. Das ist schon ein ordentlicher Karton. (lacht)

Wovon ist das abhängig, wie viele Stimmen man braucht?

Das hängt von der Zahl der Wahlberechtigten in Berlin ab. Das sind rund zweieinhalb Millionen hier in Berlin...

Das sind dann 0,1 Prozent, also ein Promille... Was schätzt Ihr: Bekommt die Partei die notwendigen Unterschriften zusammen?

Ich denke schon.

Wir müssen uns jetzt natürlich auf die Straße stellen und Wahlkampf machen. Wir wollen auch in die „humanistischen Kreise“ gehen und dort um Unterstützung bitten. Dafür haben wir ein Vierteljahr Zeit – bis zum 12. Juli.

Auf dem Bundesparteitag im Mai in Berlin werden wir natürlich auch Unterschriften sammeln.

…aber es dürfen doch nur Berliner Wahlberechtigte unterschreiben...

Ja, aber der Bundesvorstand kommt dann nach Berlin und stellt sich mit auf die Straße, so dass wir dann auch ein wenig mehr manpower haben.

Dann stellen wir auch das Formular mit den Unterstützerunterschriften online. Das kann heruntergeladen und unterschrieben und natürlich auch gern weiter verteilt werden.

Was malt sich die Partei aus für die Wahl?

Also auf alle Fälle erst einmal die Teilnahme an der Wahl. Wir müssen ja noch anerkannt werden. Das wird am 06. Juni in einer Ausschusssitzung entschieden...

…es kann also auch noch passieren, dass der Ausschuss die Partei der Humanisten nicht zur Wahl zulässt? Selbst wenn die Unterschriften gesammelt und die Unterlagen abgegeben sind?

Das kann nur passieren, wenn die Partei die Unterlagen nicht vollständig eingereicht hat. Doch selbst dazu haben wir noch Zeit bis zum 18. Mai. Ich bin deshalb ja auch im Kontakt mit der Landeswahlleitung.

Ansonsten ist das eine reine Formsache.

Doch zurück zu meiner Frage: Wenn im September der Senat gewählt wird: was malt sich die PdH aus?

Vor allem erst einmal: Auf dem Wahlzettel zu stehen. Schon das wäre ein Erfolg

Es geht uns vor allem darum, das Prozedere kennenzulernen. Da steckt ja schon einiges dahinter: Man muss den Organisationsaufbau und die Mitgliederzahlen nachweisen, muss Menschen mobilisieren, Wahlkampf machen. Das ist für unsere junge Partei alles Neuland.

Will die Partei die Erfahrungen aus den Berliner Wahlen nicht auch nutzen, wenn sie in anderen Bundesländern antreten wird?

Ja, selbstverständlich!

Wie viele Mitglieder hat die Partei der Humanisten inzwischen?

Insgesamt hat die Partei etwa 140 Mitglieder; die Tendenz ist momentan stark steigend.

Immerhin ist die Partei seit dem letzten Jahr um fast 100 Mitglieder gewachsen...

Zum Bundesparteitag im März des letzten Jahres, da waren wir ca. 40 bis 50 Mitglieder. Nach dem Parteitag und den Berichten darüber in verschiedenen Medien und den sozialen Netzwerken kamen etliche Mitglieder zu uns.

Viele – selbst aus der humanistischen, säkularen Szene – kennen die Partei ja noch nicht. Haben Sie vor, mehr Werbung zu machen? Auch im Zusammenhang mit den Berliner Wahlen?

Selbstverständlich. Der Wahlkampf ist ja auch dafür gedacht. Wenn wir auf der Straße die Unterstützungsunterschriften sammeln, hoffen wir auch auf neue Mitglieder.

Wissen Sie denn schon, wo Sie Unterschriften sammeln werden? Der Hintergrund der Frage ist, dass es in Berlin-Marzahn sicherlich ein anderes Wählerpotential geben dürfte als in Zehlendorf.

Also ganz sicher werden wir im Friedrichshain auf dem Boxhagener Platz – während des Marktes – Unterschriften sammeln. Ich denke, das Publikum dort könnte uns sehr zugetan sein. Dann natürlich auch auf der Schloßstraße in Steglitz. Also da, wo vor allem viele Berliner unterwegs sind. Denn es bringt uns ja nichts, Touristen um Unterschriften zu bitten.

Meine Frage ging in eine etwas andere Richtung. Bleiben wir mal beim Beispiel Marzahn. Dort leben wohl fast ausschließlich Atheisten. Bei denen scheint es mir oft viel schwerer zu sein, mit „unseren Themen“ zu punkten. Für die Menschen ist selbstverständlich, dass Religion keine große Rolle mehr spielt...

...und gerade dort muss man dann aufklären darüber, dass es auch in Berlin noch immer die Diskriminierung im Arbeitsrecht durch den „Dritten Weg“ gibt, dass viel Geld vom Staat an die Kirchen fließt – auch Geld aus den Portemonnaies der Atheisten aus Marzahn.

Wir haben uns deshalb am vergangenen Mittwoch auch im Landesverband getroffen und diese Dinge diskutiert. Und uns ist klar, dass wir in Berlin mit harter Kirchenkritik nicht punkten können.

Bildung wird eines unserer Themen werden – da kommt dann auch der Religions- bzw. der Ethikunterricht zur Sprache. Dazu wird noch die „Evolution an die Grundschulen“ kommen. Da gibt es sehr unterstützenswerte Projekte wie das Evokids-Projekt.

Und wir wollen schauen, wie viele Krankenhäuser Berlins noch in kirchlicher Hand sind und welchen Einfluss das auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten hat. Die Menschen denken, dass Berliner tolerant sind und es niemanden stört, ob er homo- oder heterosexuell ist. Das stimmt allerdings nicht bei den kirchlichen Arbeitgebern. Darüber aufzuklären im Wahlkampf... das könnte interessant werden.

Interessant wird das vor allem bei den evangelischen Krankenhäusern. In den katholischen gelten deutschlandweit etwa die gleichen Regeln. Bei den evangelischen ist das nicht unbedingt so. Ich habe letztens für Brandenburg recherchiert: da gibt es tatsächlich die Regelung, dass jemand, der aus der Kirche ausgetreten ist und nicht wieder Mitglied einer anderen (christlichen Kirche) geworden ist, nicht in einer evangelischen Einrichtung arbeiten kann.

Insgesamt aber ist für Berlin klar: wir sollten nicht frontal „die Kirche“ angreifen. Sondern Themen wie Sterbehilfe, Selbstbestimmung und Bildung in den Wahlkampf tragen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Frank Nicolai für den hpd.