„Das Gebet als Waffe“

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ISAF-Soldaten bei Trauerfeier / Foto: Jacqueline Faller (ISAF)

MÜNSTER. (hpd/exc) Gottesdienste und Gebete haben in Kriegen vom Mittelalter bis in die Moderne laut Experten eine wesentliche Rolle gespielt. „Eine Allianz zwischen Krieg und christlicher Liturgie ist kaum zu übersehen“, sagte der katholische Theologe und Historiker Dr. Thomas Lentes vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster am Dienstagabend.

„Dennoch kann man das Christentum nicht einfach als gewalttätige Religion bezeichnen“, sagte Lentes in der Ringvorlesung „Religion und Gewalt“. Eine Lösung von Krieg und Liturgie sei aber erst seit 1945 denkbar gewesen.

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Sacre Coeur / Foto: Bertold Werner

„Auch im 19. und 20. Jahrhundert war Liturgie noch Staatsakt“, sagte der Forscher. Er nannte zwei Beispiele: Der Bau der Kirche Sacre Coeur de Montmartre in Paris sei ausdrücklich als Sühneopfer und Buße der französischen Nation angesichts des verlorenen französisch-preußischen Krieges von 1870 bis 1871 verstanden worden. Der französische General de Gaulle (1890-1970) habe gleich zweimal – 1944 aus Anlass der Befreiung Paris und 1945 anlässlich der deutschen Kapitulation – ein öffentliches Te Deum anstimmen lassen. Erst nach 1945 habe sich das Bewusstsein in Europa geändert, so Lentes.

„Das Gebet als Waffe gegen militärische Feinde und die Messe als Krieg – diese Ideen entwickelten sich im Laufe des Mittelalters“, erläuterte Lentes. Dies ging nach seinen Worten so weit, dass die Menschen das Gebet als Krieg und den Krieg auf dem Schlachtfeld als Gebet wahrnahmen. „Gotteszorn sollte durch Gebete und Liturgien besänftigt werden“, sagte der Wissenschaftler.

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Dr. Thomas Lentes / Foto. exc
Als Siegeshilfe für die Kreuzzüge hätten die Päpste ganze liturgische Feiern neu angeordnet. „Im zwölften Jahrhundert kam es zu einem ersten päpstlichen Versuch einer Uniformierung der Liturgie, um sie als Siegeshelfer schlechthin zu verwenden. Bis in die täglichen Messen sollte der Krieg präsent sein“, sagte der Theologe und Historiker. In den Ablauf der Gottesdienste wurden thematisch passende Psalme eingefügt, wie Lentes erläuterte. Diese seien aus anderen, als ehrwürdig und heilig geltenden Messen für die neue Liturgie genutzt worden.

Die Messen waren im Mittelalter laut dem Forscher zunehmend vom Gedanken der Buße und Sühne geprägt, die Eucharistie wurde von der Danksagung zur Opfergabe gemacht. „Dadurch konnte die Messe auch als Opfer und Buße für die Befreiung Jerusalems dargebracht werden, das die Christen aus eigenem Verschulden verloren hätten und nun dafür büßen müssten.“

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Feldgottesdienst 1941 / Foto: Bundesarchiv

Mit Fasten, Almosen und Gebeten seien die „heiligen Kriege“ vorbereitet worden, aber auch im Kampf selbst habe die Religion eine große Rolle gespielt, so der Wissenschaftler. „Vor Schlachten wurde gebetet, Heere und Waffen gesegnet, christliche Priester begleiteten die Kämpfenden in die Schlacht. Heiligenbilder, Reliquien und selbst die Eucharistie führten sie als Kampfes- und Siegeshelfer mit auf das Feld.“

han/vvm/Exzellencluster

 

In der nächsten Woche (am 17. Mai) spricht der evangelische Theologe Prof. Dr. Rüdiger Schmitt vom Exzellenzcluster zum Thema „‚Yr sollet euch nit erbarmen…‘ Biblische Legitimation religiöser Gewalt bei Thomas Müntzer“. Er forscht im Cluster-Projekt „Sakralisierung des Krieges im Alten Testament“.

Die öffentlichen Vorträge in Münster mit anschließender Diskussion finden dienstags ab 18.15 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 statt.