WIEN. (hpd) Die Tschechinnen und Tschechen wählen am Wochenende erstmals ihren Staatspräsidenten. Es wird entweder der ehemalige Premierminister Milos Zeman oder der Außenminister Karl Schwarzenberg. Von letzterem sind Österreichs Medien angetan. Die Motive erscheinen fragwürdig.
Wenn das renommierte Nachrichtenmagazin „profil" und die ebenso renommierte Tageszeitung „Der Standard“ den tschechischen Präsidenten wählen könnten, es wäre zweifelsohne Karl Schwarzenberg. Die beiden haben einen Narren an ihm gefressen.
Eine Woche vor der ersten Runde der Wahlen brachte das profil ein mehrseitiges Interview mit Schwarzenberg – als einzigem Kandidaten für die ersten Volkswahlen für das Amt. Bisher hatte das tschechische Parlament den Präsidenten gewählt. Damals galt Schwarzenberg eher als Außenseiter. Ex-Premier Milos Zeman, Schwarzenbergs Mitbewerber bei der Stichwahl am Wochenende, und Ex-Premier Jan Fischer hatten als die Favoriten für die Stichwahl gegolten. Als Interviewpartner wären sie journalistisch gesehen irgendwie logischer gewesen.
In seiner Kolumne im Standard gibt Paul Lendvai, Doyen des außenpolitischen Journalismus in Österreich, de facto eine Wahlempfehlung für Schwarzenberg ab. „Glänzendes Abschneiden“ attestiert er ihm, und, dass er die „Herzen der jungen, intellektuellen, urbanen Wähler“ erobert hat. Über Zeman erfahren wir, dass er gerne trinkt. Becherovka angeblich. Schreibt zumindest das profil in der Vorwoche. Objektivität sieht anders aus.
Entbehrliche Einmischung
Vermutlich wäre Schwarzenberg ein guter Präsident. Genauso wie Zeman. Beide Kandidaten für die Stichwahl erscheinen qualifiziert – jeder auf seine Weise. Wer besser ist, das müssen die Tschechinnen und Tschechen entscheiden. Dass sich just österreichische Medien einseitig in die inneren Belange des nordwestlichen Nachbarstaats einmischen, erscheint da entbehrlich. Historisch fragwürdig ist es allemal. Die Zeiten, wo von Wien aus in die Belange der Tschechinnen und Tschechen eingegriffen wurde, sind vorbei. Lange vorbei. Und das ist gut so.
Ein Teil der Aufmerksamkeit für Schwarzenberg wird sicher daher rühren, dass er teilweise in Österreich aufgewachsen ist. Er spricht perfekt Deutsch, wenn auch mit leichtem Akzent (und einem kaum überhörbarem Lispeln). Das macht ihn sicher zum begehrteren Gesprächspartner als seinen Herausforderer. Man braucht keinen Dolmetscher. Aber das allein wäre doch eine etwas matte Erklärung für die Schwarzenberg-Hysterie, die hierzulande auszubrechen scheint.
Die Hofburg soll weiter über den Hradschin herrschen
Einige Formulierungen legen den Schluss nahe, dass Schwarzenberg für viele Österreicher (und Journalisten) den unbewussten Wunsch ausdrückt, in Tschechien mitreden zu dürfen. Sitzt ein Quasi-Österreicher im Hradschin ist das, so der unartikulierte Gedankengang, beinahe wie zu Zeiten als Prag von der Wiener Hofburg aus regiert wurde. Die Melodie von „Wie Böhmen noch bei Österreich war“ geht einem einfach nicht aus dem Kopf, wenn man etwa Ledvais Kommentar liest.
Dass Schwarzenberg einem alten Adelsgeschlecht entstammt, dürfte die Euphorie keineswegs dämpfen. Seine Vorfahren stellten immer wieder Heerführer in den Habsburger-Kriegen, auch der eine oder andere Kardinal war dabei. Dass so jemand ernsthaft als Präsident Tschechiens in Betracht kommt – das dürfte die unbewussten Fantasien von der endlich wieder hergestellten Herrschaft über das Land, ja über die Wiederherstellung gottgewollter Verhältnisse, beträchtlich stärken. Zumal der Gegner nicht aus derart erlauchten Kreisen kommt.
Das Land heißt nicht mehr „Böhmen und Mähren“
Das mag weit hergeholt erscheinen. Schwarzenbergs Verdienste um die Menschenrechte (Helsinki-Komitee) und seine Bilanz als Außenminister seines Landes dürfen fairerweise nicht unter den Tisch fallen. Allein, warum bezeichnet dann Lendvai Tschechien als „Böhmen und Mähren“? So hieß das Land zuletzt, als es 1918 die k.u.k-Monarchie verließ. Da hat sich jemand im Ton vergriffen und das ist bei Lendvai selten.
Was sicher auch mitschwingt, ist eine gewisse österreichische Arroganz gegenüber der Politikergeneration der ehemals stalinistischen Länder, die aus der KP-Nomenklatura hervorgegangen ist. Die werden als fade Bürokraten beschrieben (der tschechische Ex-Premier Fischer) oder als versoffene Populisten (Zeman). Klischees über Klischees. In den Augen vieler muss jeder, der nicht so sozialisiert wurde, automatisch ein Lichtblick sein.
Der Ruf nach dem „weisen Mann“
Nur, liebe Freunde, der Eiserne Vorhang ist auch schon vor mehr als 20 Jahren gefallen. In Tschechien gründlicher als anderswo. Nebenbei sind Cliquenbildung, fader Bürokratismus und teils eigenwillige Klientelpolitik der österreichischen Politik nicht fremd. Vielleicht erzeugt das auch ein unbewusstes Bedürfnis, überall Lichtgestalten zu sehen, die man hochschreiben kann. Nicht der starke Mann, vielleicht. Derlei Regungen sind Lendvai oder Othmar Lahodinsky vom „profil" fremd. Aber der weise Mann, der über allem schwebende Staatenlenker. Schwarzenberg erfüllt dieses Bedürfnis sicher mehr als der Vollblutpolitiker Zeman.
Das macht aus ihm nicht nur den (unbewussten) Garanten für eine zumindest indirekte österreichische Herrschaft über Tschechien. Es macht aus ihm auch die Hoffnung auf Tschechien als ein besseres Österreich. Beides schließt einander nicht aus. Aber Kriterien für außenpolitische Berichterstattung über demokratische Wahlen in anderen Ländern sollten beide Haltungen nicht sein. Das haben weder die Tschechinnen und Tschechen, noch Zeman verdient – noch Schwarzenberg.
Christoph Baumgarten