Kommentar zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Kirchliches Arbeitsrecht

Schäumen hilft nicht

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Das Sitzungssaalgebäude des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe
Das Sitzungssaalgebäude des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe

STEISSLINGEN. (hpd) Nun regen sich ein paar Parteipolitikerinnen und Parteipolitiker. Das Urteil des BVG zu einer sehr wichtigen Frage des kirchlichen Arbeitsrechts wirkt in der Tat skandalös. Aber es stützt sich, das müssen wir Karlsruhe lassen, auf das Grundgesetz. Und Aufregung bringt nichts. Die Italiener sagen piangere non vale, weinen ist nichts wert.

Ich selbst habe allen Grund zum Zorn. Ohne mir auf die Schulter klopfen zu wollen, nenne ich ein paar Gründe: 1974 habe ich, allein auf weiter Flur, ein Buch zum Thema geschrieben. Es hieß “Ein unmoralisches Verhältnis. Bemerkungen eines Betroffenen zur Lage von Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland”. Die Reaktion von politischer Seite: Null. Reagiert hat nur die Kirche: Entzug der Lehrbefähigung in der Katholisch-theologischen Fakultät. Und dann habe ich Jahr für Jahr, immer noch ganz allein, weiter kritisiert und aufgeklärt. Dutzendfach - ohne jede parteipolitische Reaktion. 1990 schrieb ich zum Thema wieder ein Buch, “Die Kirche und unser Geld”. Es entfaltete eine sehr große Medienwirkung, doch die Parteipolitik schwieg. 1993 folgte mein Buch “Die Caritas-Legende. Wie die Kirchen die Nächstenliebe vermarkten” - keinerlei politische Resonanz. Übrigens: die neuen Bundesländer wurden in solchen Fragen einfach über den Tisch gezogen. Sie erbten das System der Wessis, ohne sich wehren zu können. Und die Parteien schwiegen.

Inzwischen schäumen vereinzelte Politikerinnen und Politiker. Das lässt sich hervorragend zitieren. Nur nützt es nichts. Das kann ich aus vierzigjähriger Erfahrung sagen. In der Sache selbst hat sich seit meinem ersten Buch, das alle Themen besprach, überhaupt nichts bewegt. Nicht zu glauben, doch die Kirchen sitzen nach wie vor auf ihren Privilegien - und auf den einschlägigen Artikeln des Grundgesetzes, nach denen das BVG zu urteilen hat.

Oder kennen Sie eine Partei, die sich effizient daran gemacht hätte, den Skandal aufzuarbeiten? Haben Sie je in einem Landtags- oder Bundestagswahlkampf etwas Sachdienliches gehört? Hat die Pastorentochter etwas bewegt? Bewegen wollen?

Dabei ist die Sache an sich simpel: Das Grundgesetzt muss geändert werden, um die unsägliche Privilegierung der Kirchen (so genanntes Selbstbestimmungsrecht) ein für alle Mal aufzuheben. Eine verfassungsändernde Mehrheit ist jedoch nicht ohne CDU/CSU und SPD zu erreichen. Und gerade in diesen Parteien sieht es, was das unmoralische Verhältnis von Staat und Kirche betrifft, so düster wie eh und je aus. So dunkel ist das Vaterland, und der Großteil Europas schüttelt über die einmaligen deutschen Verhältnisse den Kopf.