REGENSBURG. (hpd) Mit seinem Buch "Braune Flecken auf dem Priesterrock" hat sich Robert Werner an drei Regensburger Persönlichkeiten gewagt, über deren braune Vergangenheit man in Regensburg nur ungern spricht: Josef Engert, Bischof Rudolf Graber und Domkapellmeister Theobald Schrems. Schon im Vorfeld des Erscheinens haben Werners Recherchen Reaktionen ausgelöst.
Eine ehrliche Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte? Das ist in Regensburg auch fast 70 Jahre nach Kriegsende nicht en vogue.
An ein Außenlager des KZ Flossenbürg mitten in der Stadt – das Colosseum in Stadtamhof – wird bis heute nicht angemessen erinnert. Der Rüstungsindustrielle Willy Messerschmitt, dem Regensburg seinen wirtschaftlichen Aufstieg, das NS-Regime die Verlängerung seines Vernichtungskriegs und tausende Zwangsarbeiter Gefangenschaft und Tod verdanken, gilt laut einer städtischen Bewerbungsschrift für das Museum der bayerischen Geschichte als beispielhaft für wirtschaftlichen "Fortschritt, politisch demokratische Stabilität und kulturelle Identität".
Ein Nazi-Bürgermeister, Hans Herrmann, der maßgeblich für die "Arisierung" jüdischen Eigentums verantwortlich und wichtigste Stütze des Nazi-Oberbürgermeisters Otto Schottenheim war, galt bis vor kurzem als hervorragend geeigneter Namenspatron einer Grund- und Mittelschule. Erst vor kurzem wurde die Schule umbenannt. Zwei Historiker, Stadtheimatpfleger Werner Chrobak und Professor Bernhard Löffler, waren sich im Zuge der Diskussion um die Umbenennung nicht zu schade, eine manipulative Stellungnahme zu veröffentlichen, die einem "Persilschein" für Herrmann gleichkam.
Ein Hang zum Verschweigen, Schönreden und Verfälschen
Zusammengefasst: In der geschichtsträchtigen Welterbestadt Regensburg würde man ebendiese Geschichte gern mit dem immerwährenden Reichstag enden lassen. Notwendige Debatten zur NS-Vergangenheit werden allzu häufig vermieden oder ausgesessen. Offenkundige Tatsachen werden totgeschwiegen, schöngeredet und im Zweifel auch verfälscht.
Mit seinem Buch "Braune Flecken auf dem Priesterrock" hat sich Robert Werner an drei Regensburger Persönlichkeiten gewagt, bei denen dieses Verschweigen, Schönreden und Verfälschen besonders augenfällig ist: Bischof Rudolf Graber, Domkapellmeister Theobald Schrems und "Universitätsvater" Josef Engert. Dass der Hang, deren unrühmliche Vergangenheit unter den Teppich zu kehren, besonders ausgeprägt ist, mag auch daran liegen, dass es sich um Würdenträger der katholischen Kirche handelt. Die Verfehlungen der hohen Geistlichkeit sind nämlich ein weiteres Thema, mit dem man sich in dieser Stadt ungern beschäftigt.
Drei Männer voller Gemeinsamkeiten
Beispielhaft für diese Haltung steht der frühere Regensburger Bischof und jetzige Chef der Glaubenskongregation im Vatikan, Gerhard Ludwig Müller. Er bemühte mehrfach Nazi-Vergleiche, um die Berichterstattung über sexuellen Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche anzugreifen. Medienberichte verglich Müller mit der Propaganda eines Joseph Goebbels. Die Situation der katholischen Kirche sei angesichts solcher "Kampagnen" ähnlich "wie 1941", so Müller im Jahr 2010.
Damit schlug der Bischof gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits verharmloste er den sexuellen Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche und lenkte davon ab, dass insbesondere in Regensburg keinerlei Aufklärung stattgefunden hat – übrigens bis heute. Andererseits redete er eine Verfolgungssituation der katholischen Kirche während der NS-Zeit herbei, die so nicht den Tatsachen entspricht.
Die drei Analysen, die Werners Buch enthält, sind dafür schlagende Beispiele. Allen drei Männern ist gemeinsam, dass sie dem NS-Regime nicht kritisch, sondern im Gegenteil weitgehend befürwortend gegenüberstanden. Bischof Rudolf Graber in seiner antisemitischen Reichstheologie, Domkapellmeister Theobald Schrems, der in seinem Karrierestreben den Domchor zu einem Propagandainstrument Hitlers machte und Engert in seiner antidemokratischen Haltung und Judenfeindlichkeit.
Der Reichstheologe und der NS-Karrierist: bis heute wohl beleumundet
Ebenso gemein haben alle drei, dass sie ihre Karriere nach dem Ende des II. Weltkriegs ungebrochen fortsetzen konnten und in der Regensburger Stadtgesellschaft – mit Ausnahme von Engert – bis heute wohl beleumundet sind. Ihre braune Vergangenheit ist kein Thema.
So hat sich der aktuellen Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer bei seiner Amtseinführung 2013 ausdrücklich Rudolf Graber als Vorbild erkoren. Die "Freunde des Regensburger Domchores" haben Theobald Schrems anlässlich seines 50. Todestages erst im vergangenen Jahr groß gefeiert. Eine Südamerikareise der Domspatzen 1937 unter Schrems Ägide im Propaganda-Dienst des NS-Regimes wurde gar als der Höhepunkt seiner Verdienste gewürdigt. Nach Josef Engert schließlich war bis 2013 ein Preis benannt, den die Stadt Regensburg alle zwei Jahre an Absolventen der Universität verliehen hat.
Werners Recherchen lösten Reaktionen aus
Erst nachdem Robert Werner seine Recherchen zu Engert erstmals 2014 bei Regensburg Digital veröffentlichte, gingen Stadt und Universität auf Distanz zum "Universitätsvater". Bezeichnend ist indes die Reaktion der Universität, die verlauten ließ, dass die Ergebnisse von Werners Recherchen "seit langem bekannt" seien. Gleichzeitig sprach die Universität von einer "notwendigen Diskussion zu einer problematischen historischen Persönlichkeit der Stadtgeschichte". Dazu, diese "notwendige Diskussion" selbst anzustoßen, sah sich die Universität selbst nicht genötigt – trotz der angeblich "seit langem bekannten" Vorwürfe.
Schönfärberische Festschriften und verfälschende Abhandlungen
Ähnlich sieht es mit Schrems und Graber aus. Was Robert Werner über sie zusammengetragen hat, ist nicht alles völlig neu. Ab und an findet sich die eine oder andere kritische Anmerkung, vielleicht auch mal ein Aufsätzchen. In den lokalhistorischen, -politischen oder gesellschaftlichen Regensburger Diskurs hat all dies aber nie Eingang gefunden. Schönfärberische Festschriften, die Tatsachen verfälschende Artikel in der Lokalzeitung und historische Abhandlungen, die diese Bezeichnung nicht verdienen, wie etwa im bereits erwähnten Fall Hans Herrmann, prägen das Bild.
Es wäre "eine Überraschung, wenn das Ergebnis dieser Recherche (…) einen Kurswechsel in der unredlichen Gedenk- und Vergangenheitspolitik (…) einläuten würde", schreibt Robert Werner am Ende seiner Abhandlung zu Josef Engert. Im diesem Fall allerdings hat er sich geirrt: Der Preis wird demnächst wohl umbenannt werden.
Es ist zu wünschen, dass Werners Irrtum anhält und sich dieser Kurswechsel weiter fortsetzt. Sein Buch ist dazu ein mutiger und wichtiger Beitrag.
Robert Werner: Braune Flecken auf dem Priesterrock. Studien zur Verleugnung und Vedrängung der NS-Vergangenheit der Regensburger Theologen Josef Engert, Rudolf Graber und Theobald Schrems. Regensburg 2015. ISBN 978–3–9814689–6–0
Erstveröffentlichung: Regensburg digital - mit freundlicher Genehmigung des Autoren
3 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich kenne das Buch nicht, aber es dürfte klar sein, dass diverse braune Flecken auf noch diverseren Priesterröcken kleben. Was u.U. schwer aufzudecken ist. Möge das Buch ein Beispiel sein.
peter sturm am Permanenter Link
wenige stunden nach dem erscheinungstermin, hat sich das bischöfliche ordinariat bei den urhebern gemedet.
peter sturm am Permanenter Link
24 stunden nach dem erscheinungstermin hat das ordinariat schon versucht urheber von "braune flecken" einzuschüchtern. dazu gibt es einen weiteren artikel auf regensburg-digital.