Necla Kelek veröffentlichte in den Hauptstadtbriefen eine Parabel über das Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts.
"Im 13. oder 14. Jahrhundert lebte in Anatolien Nasreddin Hodscha, ein weiser Mann, der für seine paradoxen Geschichten berühmt war. Eine geht so: Ein Mann, des Lesens unkundig, bekommt einen Brief und bittet den Hodscha, ihn vorzulesen. Der Hodscha tut sein Bestes, kann das Geschriebene aber nicht entziffern. Es ist wohl Arabisch oder Persisch. 'Ich kann es nicht lesen', erklärt er schließlich, 'frag lieber einen anderen.' 'Und du willst ein Gelehrter sein', sagt der Mann ärgerlich, 'du solltest dich deines Turbans schämen, den du trägst!' Daraufhin nimmt der Hodscha seinen Turban ab, setzt ihn dem Mann auf und sagt: 'Wenn du meinst, der Turban sei allwissend, dann lies du doch den Brief!'
Das Verfassungsgericht versucht mit seinem Urteil, das pauschale Verbot des Kopftuches an Schulen zu verbieten, sich in ähnlich weiser Weise aus der Affäre zu ziehen. Das Gericht urteilt, das Kopftuch würde als religiöses Bekenntnis nicht an sich den Schulfrieden stören, sondern nur dann, wenn die Trägerin sich entsprechend ihrer Religion verhalten würde. 2003 hat sich dasselbe Gericht noch einer Entscheidung verweigert, und zuvor hatte es sich für religiöse Neutralität an Schulen entschieden.
Das Verfassungsgericht formuliert mit der aktuellen Entscheidung ein Nasreddin Hodscha würdiges Kopftuch-Paradoxon, auf Deutsch eine Eulenspiegelei. ..."
2 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Im Originalartikel folgt kurz darauf: "In Deutschland tragen drei von vier muslimischen Frauen kein Kopftuch und es ist auch innerhalb des Islam nicht ausgemacht, ob es eine religiös begründete Prophetentradition
Ein gutes Argument. Was sagt Lale Akgün dazu?
Werner Koch am Permanenter Link
In dem Buch von Lale Akgün "Aufstand der Kopftuchmädchen" findet man dazu sehr deutliche Stellungnahmen. Z. B.
Ingrid Thurner in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung, sehen im Kopftuch gar ein Symbol fürs neue Selbstbewusstsein der Frauen: »Als die muslimische Frau in der Öffentlichkeit sichtbar wurde, verwandelte sie sich in ein Problem.
Sichtbar ist sie erst, seit sie begonnen hat, ihren Körper zu verstecken und damit selbstbewusst aufzutreten.«
224 Die Welt der Geschlechter
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Wenn Frau Thurner doch nur wüsste, wie viel »Überzeugungsarbeit« in den Moscheen geleistet wird, damit die Mädchen und Frauen ihre Kopftücher weiterhin tragen. Sie müsste sich nur einmal unter den Mädchen umhören, die in Korankurse gehen. Diese würden ihr berichten, wie die Imame auf
sie einwirken und erzählen, dass sich jedes einzelne Haar, das
sichtbar wird, nach dem Tod in der Hölle in eine Schlange verwandelt; eine Schlange, die im Folgenden bis in alle Ewigkeit
auf dem Kopf des Mädchens wohnen würde. Diejenigen, so
gegen die Schauermärchen weiter, die ohne Kopftuch in der
Öffentlichkeit unterwegs seien, hätten dann Hunderttausende
Schlangen auf dem Kopf - und das für immer!
Wer will das schon?
Das weiß Frau Thurner natürlich nicht, weshalb sie sich irrt:
Das Kopftuch ist weder ein Zeichen von Selbstbewusstsein
noch von Minderwertigkeitskomplexen. Sich frei zeigen zu
können, ist ein Menschenrecht ....
Das Kopftuch ist nicht durch den Koran zu begründen - aber die türkische Religionsbehörde Diyanet bsw, stellt das Kopftuch als religiöse Pflicht dar