BERLIN. (hpd) Heute erscheint unter dem Titel "Celebrating Brit Shalom" (auf Deutsch "Brit Shalom feiern") das laut Verlagsinfo erste Buch überhaupt für jüdisch-gläubige Eltern, die sich für einen Ausstieg aus dem Ritual der Beschneidung ihrer Söhne entschieden haben und stattdessen eine alternative Feier abhalten wollen. Das Buch dient gleichzeitig als liturgische Anleitung, Gebetsbuch und als Andenken für alle, die an der alternativen Feier teilgenommen haben.
"Celebrating Brit Shalom" ist ein Buch über ein Alternativritual zur Beschneidung für jüdische Familien, die die Beschneidung ihres Sohnes ablehnen, sowie für Rabbiner, die das Alternativritual durchführen wollen. Das Buch stellt drei vollständige Zeremonien zur Wahl, die allesamt das Schneiden eines Granatapfels als neue rituelle Handlung anstelle der Beschneidung vorsehen. Das Buch enthält zudem die Noten für vier Original-Lieder, die thematisch an die Zeremonien geknüpft sind (eine CD mit Aufnahmen ist separat erhältlich).
Die Roman-Autorin Lisa Braver Moss aus Kalifornien und die Gründerin der amerikanischen Bewegung "Beyond the Bris" (Jenseits der Beschneidung), Rebecca Wald aus New York, haben dieses Buch entwickelt und geschrieben, nachdem sie erkannt hatten, dass eine wachsende Anzahl junger Familien auf der Suche nach alternativen Zeremonien und konkret nach fertig vorbereiteten Zeremonien ist, die entweder in der Familie oder durch einen Geistlichen durchgeführt werden. Immer mehr Menschen jüdischen Glaubens stellen infrage, dass die irreversible Vorhautamputation religionsstiftend sei.
Normalerweise ist automatisch jüdisch, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde. Die Beschneidung wird traditionell am achten Tag nach der Geburt des Kindes vorgenommen, wobei eine wirksame Anästhesie zu diesem Zeitpunkt nicht möglich ist. Weltweit wenden sich zunehmend jüdisch-gläubige Eltern von diesem Brauch ab, da sie die körperliche Unversehrtheit und genitale Selbstbestimmung ihrer Söhne respektieren.
Das Buch ist eine Brücke weg von der Beschneidung (Brit Mila) hin zu einem unblutigen Ritual (Brit Shalom). Durch Anteile an der Zeremonie für einen Leiter, für die Eltern und für traditionell zu ehrende Personen wie den "Sandek" (der bei der herkömmlichen Brit Mila den Jungen hält, während der Mohel die Beschneidung durchführt) ist "Celebrating Brit Shalom" geeignet, als Gebetsbuch und Leitfaden während des Gottesdiensts genutzt zu werden. Gäste können mit einem eigenen Exemplar der Zeremonie folgen und an den Lesungen teilnehmen. Vorn im Buch ist Platz, damit Eltern Gästeexemplare mit einem Foto des Babies und weiteren Details versehen können, so dass die Gäste der Zeremonie das Buch als Andenken mit nach Hause nehmen können.
"Celebrating Brit Shalom" wird bei Notim Press unter der ISBN 978–0692353332 in Englisch verlegt, ist aber auch bei den Autorinnen auf der gleichnamigen Website erhältlich. Das Buch hat 98 Seiten. Eine hebräische Version ist ebenfalls verfügbar. Eine deutsche Übersetzung ist in Planung.
3 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Danke Ulf Dunkel für diesen Beitrag!
Aber auch mit der englischen Fassung kann man in jeder Diskussion beweisen, dass die Brit Shalom Realität ist und allen theologischen Notwendigkeiten genügt. Mit anderen Worten: Es ist nicht mehr erforderlich, dass Knaben an ihrem Genital beschädigt werden. Wenn die Presse spätestens das Erscheinen der deutschen Fassung zur Kenntnis nimmt und verbreitet, könnte sich hoffentlich auch die Politik nicht mehr auf ihre falschen Prämissen zum § 1631d berufen. Und vor allem: Jüdisches Leben ist auch mit Brit Schalom in Deutschland vollumfänglich möglich - dies speziell Frau Knobloch und Dieter Graumann ins Gebetbuch geschrieben. Den künftigen Mitgliedern der jüdischen Communities wird ein Leben als Jude nicht beschnitten - im Gegenteil...
Muslime - um das Thema abzurunden - brauchen übrigens keinen Alternativritus. Ein Blick in den Koran reicht, um zu erkennen, dass es für die Beschneidung dort keinen "göttlichen" Auftrag gibt.
Mark Fraser am Permanenter Link
Die "Jüdische Allgemeine" hat darüber bereits im August 2012 berichtet - wenn auch kritisch.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Trotzdem scheint sich die rabbinisch "koschere" Version des Namenfestes in deutsch-jüdischen Gemeinden noch nicht wirklich herumgesprochen zu haben - oder sie wird schlicht abgelehnt, verdrängt oder bewusst
Das heißt nicht unbedingt, das niemand davon weiß und auch nicht, dass nicht intern darüber diskutiert würde. Aber nach außen habe ich noch keine Diskussion mitbekommen, deren Ergebnis nach menschlichem Ermessen nur ein einziges sein kann: Wenn Brit Shalom allen theologischen Erfordernissen zur Einführung in das Judentum genügt, dann MUSS die körperliche Beschneidung am lebenden Kind ausgesetzt werden!
Diesen evolutionären Schritt zu einer moderneren Religion NICHT zu gehen, heißt für mich, dass Kleriker aller Monotheismen an Reformen völlig desinteressiert sind. Ich gehe sogar noch ein Stück weiter und behaupte, dass gerade die negativen Implikationen der Beschneidung (Schmerz und körperliche Markierung zur Kontrolle sowie Einschränkung der Sexualfunktion im Bereich "Lustempfinden") essentielles Ziel dieses Ritus sind. Brit Shalom bietet diese "Vorteile" nicht, sondern erhält den kleinen Erdenbürger in seiner ursprünglichen körperlichen Form, die alle Optionen für ein erfülltes Sexualleben in sich birgt. Genau durch ihr Behindern dieses Wegs in die (grundgesetzlich garantierte) körperliche Unversehrtheit manövrieren sich Religionen selbst in eine Diskussion über ihr zeitgemäßes Wirken, letztlich über ihre Existenzberechtigung.
Wer klar zum Ausdruck bringt, dass er auf schwarze Pädagogik nicht verzichten will - obwohl es vollwertigen Ersatz dafür gibt - geht wissentlich auf Konfrontationskurs mit modernem Verständnis der Menschenrechte. Ist dies vielleicht sogar erwünscht? Um sich selbst als "Opfer" der modernen Gesellschaft zu präsentieren? Oder ist es einfach nur Fahrlässigkeit, die Kleriker aller Religionen dazu veranlasst, das genitale Verstümmeln unmündiger Kinder ohne deren erklärten Willen gutzuheißen?
Wie man es auch dreht und wendet, die Öffentlichkeit muss hier Antworten von Religionsgemeinschaften fordern - bis auch Politiker aufwachen und eine Diskussion anstoßen, die zum jüdischen Leben mit Brit Shalom und damit mit intakten Bürgern führt. Zur Not sollte dies gesetzlich geregelt werden - was jedoch ein Armutszeugnis für Kleriker wäre, die sich danach alle Lippenbekenntnisse über "religiöse Reformen" sparen könnten. Noch gebe ich der Vernunft eine kleine Hoffnung, doch diese schwindet zusehends...