Um die Rache an den verdammten Götzendienern komplett zu machen, stahlen sie auch noch deren Mythen mit all den verachteten Idolen. Egal, ob babylonische Götter die Welt schufen – ab jetzt hat Jahu absolut alles erschaffen; alle Welten, Funzeln, Tiere und Menschen. Darum war er Eigentümer von allem und konnte ihnen das Land Kanaan schenken – gegen ein bisschen Lobpreisung. Da hatten die Babylonier nix zu melden! Die Priester lachten und freuten sich bis in die frühen Morgenstunden. Bisher stellten sich ihre polytheistischen Kollegen schon geschickt an, doch das hier war die Krone der Schöpfung religiöser Mythen!
Um nur noch ihren Jahu gelten zu lassen, wurden die geklauten Legenden zusammengeschustert - handwerklich äußerst schlampig. Dies mochte schlichten Gemütern genügen, literarisch war es eine Bankrotterklärung. Schwamm drüber – der Monotheismus war geboren!
Seit 2.600 Jahren entwickeln sich aus diesem größenwahnsinnigen Konstrukt viele Häresien. Judentum, Christentum und Islam bekämpfen einander bis heute mit diversen Mitteln. Warum fragt niemand selbst nach oberflächlichster Betrachtung, warum sie sich unterscheiden, wenn nur ein Gott existiert? Und warum offenbarte dieser seinen jeweiligen Anhängern völlig andere Wahrheiten? Ich fürchte, entweder war dieser Gott schizophren oder seine Anhänger leichtgläubig.
Das Zeitalter des Nontheismus
Bisher klingt das alles vertraut. Doch jetzt fand ich Beweise für einen grundlegenden Wandel der Gesellschaft: Seit die Aufklärung blutig gegen religiöse Unvernunft erkämpft und behauptet wurde, sprudeln wissenschaftliche Erkenntnisse über die wahre Welt in der wir leben. Darauf gestützt hat die Menschheit einen ungeheuren Aufschwung genommen, der heute sogar gebremst werden muss. Nicht alles Machbare ist auch sinnvoll oder ungefährlich. Hier produziert moderne Ethik sinnvollere Antworten, als Theologen in Atommüll-Kommissionen. Trotz wachsendem Wohlstand der säkularisierten Welt versuchen Monotheisten die Zeit anzuhalten, teilweise das Rad der Geschichte rückwärts zu drehen. Dies gelang ihnen bis Mitte des 20. Jahrhunderts recht gut.
Doch mit Ende des Zweiten Weltkriegs setzte gerade in Deutschland eine Theodizee-Debatte ein. Könnte Gott das ungeheure Leid der Juden, Zigeuner, Behinderten und Homosexuellen im Dritten Reich wirklich gewollt haben? Oder hat er es "nur" erduldet, gar "mitgelitten"? Hat er bei Luther nachgelesen, der in seinen Schriften den widerwärtigen Umgang mit Andersdenkenden und Andersaussehenden begründete? Oder hat sich das Nazi-Regime in diesem Punkt nur zufällig so verhalten, wie es das antisemitische Christentum seit 1.600 Jahren tradiert?
Viele verzweifelten an ihrem Gott, andere versuchten abenteuerliche Rettungsversuche durch philosophisch erscheinende Konstruktionen (Holocaust-Theologie). Aber jener Gott, dessen Vorfahren dem Menschen die patriarchalische Ordnung mit Beginn des Holozäns schenkten, schien verstummt oder sogar tot (siehe Wolfdietrich Schnurre: Das Begräbnis, 1948).
Noch schlummerte Deutschland in himmlischer Hand, wähnte sich im christlichen – nie jüdischen - Abendland. Doch eine Frau blieb standhaft gegen Katholiken, FDP und CDU: Elisabeth Selbert! Dank ihr, einer der vier "Mütter des Grundgesetzes", wurden Frauen 1949 Männern gleichgestellt - zum ersten Mal seit 11.500 Jahren! Ab 1950 – wir erinnern uns: das Ende des Holozäns – begann die Emanzipation der Frau. Zeitgleich verloren Kirchen an Macht, Taufraten nahmen ab, jene der Kirchenaustritte hingegen zu.
Die Gesellschaft schritt voran. Nach und nach durften Frauen wählen, einen Beruf ergreifen und Konten eröffnen ohne ihren Mann zu fragen, niemand wurde wegen seiner Homosexualität angeklagt, Kinder vor Schlägen und Frauen vor Gewalt in der Ehe geschützt. Religiöse Moralisten der klerikalen Oberschicht wollten dies regelmäßig verhindern, bis sie einen Fortschritt jeweils als eigene Erfindung ausgaben.
So haben sie heute nur noch bei Medienkontrolle, Arbeitsrecht, Alimentierung durch Steuerzahler seit Napoleon, Diskreditierung Homosexueller, Ablehnung der Sterbehilfe und Genitalverstümmelung die Nase vorn.
Meine schonungslose Recherche offenbarte den Grund dieses Wandels: 1950 begann allen Dementis klerikaler und politischer Kreise zum Trotz zaghaft und leise nach Schamanismus (= Millionen Geister und Dämonen), Polytheismus (= hunderttausende Götter und Göttinnen) und Monotheismus (= nur ein Gott) das Zeitalter des Nontheismus (= kein Gott).
War der Übergang vom Poly- zum Monotheismus noch geprägt durch blutige Kriege – durch nachfolgende Häresien stets aufs Neue befeuert – wird der Wechsel vom Mono- zum Nontheismus hoffentlich friedlicher vonstattengehen. Natürlich gibt es brutalen Widerstand jener mittelalterlichen Häresie, die allen Menschen Frieden bringen wollte. Wie lange noch?
Deutlich leiser stirbt das Christentum. Immer weniger werden getauft, so dass es zunehmend an Nachwuchs mangelt. Standhafte sterben, weil sie alt werden. Im Mittelfeld tummeln sich viele, die einfach die Nase voll haben von Missbrauchs- und Finanzskandalen, die ihr Steuergeld sparen oder einfach den monotheistischen Käse nicht mehr glauben wollen.
Allen rührigen Versuchen zum Trotz, die monotheistische Epoche zu reanimieren, wollen sich abgesprungene Schäfchen nicht auf die grüne Au des guten Hirten zurückleiten lassen. Letztlich – so meine Analyse - wird sich das Zeitalter des Nontheismus nicht mehr aufhalten lassen.
Meine Quellen gaben leider nicht her, ob es Zufall war, dass das Holozän genau den Zeitrahmen definiert, innerhalb dessen der patriarchalische Glaube sich entwickeln und sterben würde. Daher rege ich an, die neue Lage in einer bundesweiten NGK (Nicht-Gott-Konferenz) mit Experten aus allen gesellschaftlichen Schichten zu diskutieren.
Stichpunkte der Agenda:
- Gründung nontheologischer Fakultäten, die aus den gleichen Etats finanziert werden, wie bisher die nun überflüssigen theologischen Fakultäten.
- Nontheologen müssen dort ausgebildet werden, um zu erforschen, warum es keinen Gott gibt, ob es ihn eventuell nie gab und ob Gefahr besteht, dass er in Zukunft existiert.
- Eine tiefgreifende Nontheodizee-Debatte muss angestoßen werden. Oder darf es uns gleichgültig lassen, ob kein Gott Leid verhindern müsste?
- Als mehrjähriges Projekt sollte eine nontheistische Bibel geschrieben werden. Arbeitstitel: "Meganeues Testi". Oder reicht die Bearbeitung bisher in Predigten verwendeter Faltblätter?
- Weitere essentielle Punkte: Reicht es Gottessohn-Figuren von Kreuzen zu entfernen? Oder soll man diese eventuell durch günstigere Hinrichtungspraktiken, wie Giftspritzen, ersetzen? Wäre hier sogar eine Version wünschenswert, die gemäß moderner Ethik auf jegliche Tötungsmaschine verzichtet? Eventuell mit dem Symbol einer Resozialisierungseinrichtung?
- Ebenfalls wichtig: Kann das Abendmahl beibehalten werden, wenn statt Menschenfleisch und –blut streng vegane Speisen und antialkoholische Getränke gereicht werden? Wäre in betroffenen Ländern für die Übergangszeit Steinigung mit Wattebäuschen möglich? Könnten gute Mohammed-Karikaturen künftig mit angedeutetem Lächeln honoriert werden?
- Außerdem: Ist ein expliziter Nicht-Gottesbezug in allen Länderverfassungen politisch durchsetzbar? Und sollte sich die Union in NDU/NSU umbenennen?
Dies sind so komplizierte Fragen, dass zu deren Beantwortung und Umsetzung sämtliche Dotationen aus dem Reichdeputationshauptschluss von 1803, alle Zuschüsse für Kirchentage, alle sonstigen versteckten oder offenen Subventionen, sowie das Recht auf Einzug einer Nichtkirchensteuer durch deutsche Finanzämter allen nontheistischen Interessenvertretern zugeschanzt werden müssen.
Auch die Ausbildung von Nontheologielehrern muss vorangetrieben werden. Schüler sollten in mindestens drei Wochenstunden lernen, dass es keinen Gott gibt. Nach Fertigstellung der neuen Bibel sollte es subventionierte Umtausch-Aktionen geben. Motto: "Aus alt und neu: meganeu!"
Es wartet also eine Menge Arbeit auf die Menschheit, seit das Kartell des Schweigens aufgebrochen wurde. Seit ich weiß, dass wir uns seit 65 Jahren im nontheistischen Abendland befinden – packen wir’s an…
15 Kommentare
Kommentare
Horst Herrmann am Permanenter Link
Lieber Bernd Kammermeier, so weit so gut. Nur ein winziger Einwand gegen Ihre Wortschöpfung "Nontheismus". Sprachwissenschaftler werden diesen Mix aus Latein und Griechisch beanstanden.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Diese Frage, lieber Horst Herrmann, hat mich auch nächtelang gequält, bis ich mich trotz aller linguistischen Bauchschmerzen durchringen konnte, das Zeitalter "nontheistisch" zu nennen.
Schließlich - so das Argument, dass mich letztlich zu überzeugen vermochte - funktioniert das Automobil auch, trotz (oder wegen?) philologischen Schwächelns. Warum nicht auch das Zeitalter des Nontheismus? Ist allemal besser, als das Monotheistische...
Matthias Deja am Permanenter Link
Lieber Herr Hermann, zum Begriff der Korrektheit will ich anmerken, dass in der Sprachwissenschaft als "korrekt" gilt, was allgemein gesprochen wird. Die Sprachwissenschaft versucht mit Regelmodellen (z.B.
Was die Vermischung von griechischen und lateinischen Wortbestandteilen angeht: Nach meiner persönlichen Auffassung sollte dem nichts im Wege stehen. Weder das alte Griechisch noch das alte Latein werden noch gesprochen; die Wortbestandteile wie "non-", "anti-" oder "a-" sind in meinen Augen nicht mehr wirklich griechisch oder lateinisch, sondern schon lange vollwertiger Bestandteil der deutschen Sprache. Die Regel, man solle lateinische und griechische Wortbestandteile nicht vermischen, hat für mich keinen offensichtlichen Vorteil; sie erscheint mir nutzlos und gekünstelt.
Aber das ist nur meine subjektive Ansicht; man kann ganz genau so gut die Position vertreten, dass sprachliche Regeln per se keinen Nutzen haben müssen, und dass man den Regeln um ihrer selbst willen folgen sollte. Aus Prinzip sozusagen. Das ist zwar nicht meine Ansicht, aber ich würde nicht behaupten, dass diese Ansicht falsch wäre.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Satire darf (fast?) alles. Gut so. Aber Spaß beiseite.
1. offizielles Ergebnis der NGK: Das Holozän endete nicht 1950, es dauert noch an. Vermutlich bis zum Beginn des nächsten Glazials (Kaltzeit).
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Tut mir leid, dir widersprechen zu müssen, Hans (oder meine Quellen sind falsch).
Laut anderer Quellen (z.B. Wikipedia) befinden wir uns seitdem im Anthropozän.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Bernd, vermutlich sind die Quellen falsch (s. Email).
1950 ist das Bezugsjahr bei der Angabe BP (Before Present); meines Geo-Wissens nach NIE das Ende des Holozäns.
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
Interessant ist auch, dass das Christentum aus astrologischer Sicht zu Beginn der Zeitalters der Fische aufkam, zuvor das Zeitalter das Widders und zuvor das Zeitalter des Stieres war.
So liest man etwa die "Zeitenwende (...)hat 1985 begonnen und endet zur Wintersonnwende am 21.12.2012". Oder "“Wir erreichen das Wassermannzeitalter am 12. November 2012." Auch bereits im Musical Hair sang man von bevorstehenden "Age of Aquarius". Letztlich ist das Zeitalter und die Zeitenwende ein Motiv das immer wieder auftaucht.
Selbst wenn man nicht an Astrologie glaubt könnte in dieser Idee des Zeitalters und der Zeitenwende geronnenes Erfahrungswissen stecken, als dass möglicherweise eine soziologische Regelmässigkeit ist, dass nach einer Phase von 2000-2150 Jahren vorherrschende weltanschauliche Ideologien abgewirtschaftet haben und durch einen neuen Zeitgeist abgelöst werden.
Zumindest im Bezug auf Europa sind die Rückzusgegefechte der Religionen klar erkennbar. Ein letztes Aufbäumen bevor... ja bevor der Zeitgeist in das Gegenteil dessen umschlägt was uns der Dogmatismus der Religion brachte... so liest man als Charakteristika des neuen Zeitalters:
"* Wissenschaftlicher Fortschritt
* Offenheit für neue Ideen
* Utopische Gesellschaftsmodelle
* Humanistische Werte, Idealismus, Altruismus (Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit, durch Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handlungsweise)
* Nonkonformismus (Nichtübereinstimmung der individuellen Haltung mit den allgemein anerkannten Ansichten, der gültigen Etikette, dem vorherrschenden Lebensstil oder dem kulturellen Mainstream, unangepasst, frei), Individualismus
* Toleranz, Offenheit und Weltbürgertum
* Weltweite Vernetzung"
Jedenfalls würde es mich freuen, wenn an an diesem Konzept von Zeitalter und Zeitgeist etwas dran wäre, und die Zeit reif ist dafür, dass humanistischen Organisationen in Ihrer Arbeit erfolgreich sein können den neuen Zeitgeist, der das religiöse ersetzt, zu verbreiten.
Olaf Sander am Permanenter Link
Lieber Herr Kammermeier,
ich lese ja schon immer Ihre Kommentare mit großen Vergnügen, aber dieser Artikel hier ... You made my weekend!
Das ist einer der wenigen Momente in denen ich ein bisschen bedaure nicht bei Facebook zu sein, um den Artikel teilen zu können. Aber ich habe ihn schon, ganz altmodisch, an alle möglichen mir bekannten Interessenten geschickt. Per E-Mail und im Volltext.
Sorgen mache ich mir nur, ob mir mein Bier heute Abend noch genauso gut schmeckt wie gewöhnlich. ;o)
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Und? Hat das Bier geschmeckt? Oder sind Geister aufgetaucht?
Danke für den netten Kommentar. Das ist Balsam für die Seele des Autors.
Volker Huss am Permanenter Link
Offensichtlich weiß der Verfasser nicht, was man unter Nontheismus versteht.Ich rege an, sich mal in einem Lexikon zu vergegenwärtigen, wie sich Theismus, Non- Theismus, Deismus und Atheismus gegenseitig abgrenzen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich könnte es mir einfach machen und - was der Wahrheit entspricht - anführen, dass ich mir "Nontheismus" vor vielen Jahren ohne Kenntnis des existierenden Wortes ausdachte - als Gegenposition zum "Mono
Aber ich mache es mir gerne kompliziert: Nontheismus - sofern dieses Wort überhaupt in Gebrauch ist - bezeichnet die Skepsis bezüglich der Existenz Gottes (Claus Dierksmeier: Das Noumenon Religion, 1998). Der Atheismus definiert sich im Verhältnis zu Gott, in dem er - im Gegensatz zum Theisten - dessen Existenz ablehnt und somit eine antitheologische Position einnimmt. Noch schärfere Geschütze fährt der Antitheist auf, der sogar gegen das Gottesbild kämpft.
Ich denke, das haben die meisten Leser hier durchaus richtig verstanden. Aber welcher Sache schadet es, wenn in einer Satire (das sind lustige Texte, die sich auf einen realen Sachverhalt beziehen) ein Nontheismus als Nachfolger des Monotheismus angekündigt wird?
Oder habe ich die gut versteckte Satire in Ihrem Kommentar nicht erkannt?
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Kleiner Nachtrag:
Volker huss am Permanenter Link
In der Tat habe ich da schon mit diskutiert. Mir gefällt das Niveau! Muß aber schon lange her sein.
gruß
Volker huss
V.Huss
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Nun, in dem Artikel geht es um eine Reformation des Gottesbildes.
Was aber hat der aufgeklärte Atheismus mit einer Satire über ein "nontheistisches Zeitalter" zu tun? Ich will mich ja nicht über den Atheismus lustig machen, sondern über die möglichen Weiterungen einer neuen Theologie, die halt ohne Gott auskommt.
Falls das nicht rüberkam: Ich will natürlich NICHT, dass der ganze staatalimentierte Affenzirkus weitergeht - nur unter anderen Vorzeichen. Ein aufgeklärter Atheismus ist etwas, was sich selbst auflöst, denn wenn eines Tages niemand mehr an Geister im Weltraum glaubt, dann hat die Aufklärung gewonnen und es gibt auch keinen Atheismus mehr, weil dieser sich als Gegenposition zum Theismus definiert.
Noch was: Beim Lesen einiger Ihrer Kommentare hatte ich durchaus den Eindruck gewonnen, dass Ihnen der Glaube an Übernatürliches nicht gänzlich fremd ist. Oder habe ich mich da getäuscht?
Volker Huss am Permanenter Link
Um die Sache zum Abschluß zu bringen: Non Theismus ist ein sehr umstrittenes Konzept der modernen Theologie.
Ich habe übrigens großen Respekt vor gläubigen Menschen, unabhängig davon, auf welchem Abstraktionsniveau sich deren Glaube in der Lebenspraxis manifestiert.
Danke für den Gedankenaustausch!