Ganztagesangebote der Kirchen an baden-württembergischen Schulen

Kultusministerium zwischen "Ehrfurcht vor Gott" und "negativer Religionsfreiheit"

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Konstanz, Rheintorturm
Konstanz, Rheintorturm

KONSTANZ. (hpd) Das Kultusministerium Baden-Württemberg verteidigt die mit den Kirchen des Landes getroffene Vereinbarung über die Mitwirkung der Religionsgemeinschaften an der Ganztagesbetreuung an Schulen.

In einem Antwortschreiben der zuständigen Ministerialdirigentin an die "Humanistische Alternative Bodensee" (HABO) formulierte das Ministerium, dass es die "verfassungsrechtlichen Bedenken" in dieser Hinsicht nicht teile.

Der Sprecher der HABO, Dennis Riehle, hatte der Landesregierung vorgeworfen, dass durch kirchliche Angebote an den Schulen das Trennungsgebot zwischen Religion und Staat tangiert werde. Außerdem verwies er auf das Mitspracherecht der Eltern bei der Erziehung, die ein Anspruch darauf hätten, ihre Kinder an einer staatlichen Schule in religiöser Neutralität zu wissen. Art. 140 GG in Verbindung mit der Weimarer Reichsverfassung lege zudem fest, dass ein Zwang zur Teilnahme an religiösen Handlungen verboten sei. Auch wenn die Kinder die Wahl hätten, welches Ganztagesangebot sie wahrnehmen wollten, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Kirchen ihren Einfluss in den Schulen zu missionarischen Zwecken nutzten.

Dem gegenüber steht die Aussage des Kultusministeriums, das die "Freiwilligkeit" der Angebote betonte. Die Vereinbarung mit den Kirchen habe ausdrücklich festgestellt, dass niemand zu diesen "weltanschaulich-religiös" geprägten Veranstaltungen in der Ganztagesschule verpflichtet sei. Auffällig sei in der Antwort, so meint Riehle, dass das Kultusministerium das baden-württembergische Schulgesetz besonders hervorhebe: "Es mutet fast an, als ob man in Stuttgart die eigenen Gesetze über die gesamtdeutsche Verfassung stellen möchte." Im Ministerium verweist man auf den staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag, der sich nicht zuletzt aus der Landesverfassung ergebe. In ihrem Sinne wahre man die "negative Religionsfreiheit" und berücksichtige die "Rechte aller Beteiligten". In wie weit das auch für Zugehörige anderer Religionen als dem Christentum und Menschen ohne religiöses Bekenntnis gelte, stellt Riehle in Zweifel: "Wir hätten uns bei der Verabschiedung der Vereinbarung eine breitere Beteiligung verschiedenster Interessenvertreter von vor Ort gewünscht."

In seiner Antwort geht das Ministerium auch auf die Kritik an der "Gemeinsamen Erklärung" ein, die die Landesregierung mit Religionsgemeinschaften unter dem Titel "Verschieden glauben – zusammengehören: Weltanschauliche Toleranz an Schulen" zusammen mit den Kirchen unterzeichnete. Auch hier wird die bereits oftmals von der HABO und anderen Weltanschauungsinitiativen in diesem Punkt kritisierte baden-württembergische Landesverfassung herangezogen. Im Antwortbrief heißt es, dass man die Erklärung im Sinne der Erziehung der Jugend "in Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe […]" (Art. 12 Abs. 1 Landesverfassung Baden-Württemberg) abgeschlossen habe. Nach Absatz 2 dieses Artikels wurden zur Unterzeichnung all diejenigen eingeladen, die Religionsunterricht in den Schulen des Landes anböten.

Mit dieser Auffassung sieht sich die HABO in ihrer Kritik bestätigt: "Die Diskriminierung bestimmter Weltanschauungen beginnt bereits damit, dass nur ausgewählte Religionsgemeinschaften ihre Lehren in den baden-württembergischen Schulen verbreiten dürfen. Mit Toleranz anderen Glaubens hat das wenig zu tun. Wir bemängeln deshalb auch den begrenzten Dialog zwischen Staat und Religionsgemeinschaften abseits des Christentums auf Ebene des Landes und der Kommunen. Solange jedoch die Landesverfassung in ihrer jetzigen Formulierung Kirchen und bestimmte Weltanschauungsverbände bevorzugt, sind wir zur Bittstellung verurteilt. Das ist keine Grundlage für ein faires Miteinander. Die einfachste Form der Gleichberechtigung wäre, Religion aus den Schulen fernzuhalten."

Die HABO wird in ihrer Reaktion an die Landesregierung darauf drängen, zumindest subsidiär die Mitbestimmung konfessionsloser, atheistischer, freidenkerischer und humanistischer Bürger zu stärken.