BERLIN. (hpd) Die politische Diskussion um die strafrechtliche Verschärfung des ärztlich assistierten Suizids geht in eine neue Runde. Die Bundestagsabgeordneten bereiten sich auf die Verabschiedung eines Gesetzes vor, das nach Meinung der Mehrheit der Bevölkerung überflüssig ist.
Vorgestern erst stellte eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten einen ersten Entwurf eines Gesetzes vor, nach dem die "geschäftsmäßige Förderung" der Sterbehilfe mit Haftstrafen bis zu drei Jahren bestraft werden könnte. In den Begründungen für diese Verschärfung des Strafrechts kommt wieder das Argument, man wolle Alte, Kranke und sonstige Schutzbedürftige davor schützen, in den Suizid getrieben zu werden, wenn sie "ihren Angehörigen zur Last fallen." Dabei zeigen Untersuchungen aus Ländern, in denen die ärztlich assistierten Sterbehilfe zugelassen ist, das genaue Gegenteil.
Doch mit wissenschaftlich fundierten, von Untersuchungen gestützten Argumentationen haben es (leider) die Politiker nicht so. Es ist nicht nur bedauernswert oder traurig; nein, es ist peinlich dass es deutschen Politiker bislang nicht einmal in den Sinn gekommen zu sein scheint, sich mit Fachleuten zu unterhalten. Oder bei Sterbehilfeorganisationen - z.B. in der Schweiz oder den Niederlanden - zu informieren. Es wird zur Moralkeule gegriffen und die eigenen - häufig genug religiös geprägten - Vorstellungen zum Maß aller Dinge gemacht.
Der Entwurf sieht vor, nicht nur die "gewerbsmäßige", sondern bereits eine "geschäftsmäßig" Sterbehilfe zu bestrafen. "Geschäftsmäßig" meint in diesem Entwurf, "dass man die Suizidhilfe 'zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Tätigkeit macht', wie es in der Begründung des Entwurfs heißt. Ob man damit Geld verdient oder nicht, soll keine Rolle spielen. "Daraus folgt, dass Vereine – ganz egal ob kommerziell oder nicht – und genauso regelmäßig handelnde Ärzte wie etwa Arnold bestraft würden." Dabei wäre gerade eine fachgerechte und ärztliche Beratung der Patienten vonnöten, um Suiziden vorzubeugen.
Deutlich zeigt die WELT von gestern auf, welch ein großer Graben besteht zwischen dem, was eine Dreiviertel-Mehrheit der Bevölkerung wünscht und den Forderungen, die die Bundestagsabgeordneten vorgestern als Gesetzesentwurf präsentierten. Nach einer EMNID-Umfrage befürworten 74 Prozent der Deutschen, dass Sterbehilfe erleichtert werden soll. Davon sprechen sich 9 Prozent sogar für eine aktive Sterbehilfe aus; 36 Prozent befürworten ärztliche Hilfe, wenn der Patient sich selbst das Mittel verabreicht; eine fast gleich große Anzahl (37 Prozent) wünscht sich die Hinzuziehung eines zweiten Arztes.
Hingegen sieht ein weiterer Gesetzentwurf einer Gruppe um die MdB’s um Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger (beide CDU) vor, dass "sowohl die Anstiftung zur Selbsttötung als auch die Hilfe dabei mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden." Dabei sind keinerlei Ausnahmen ist für Ärzte oder nahe Angehörige vorgesehen. “Mithin müsste Suizidhilfe in Deutschland vollständig unterbleiben.”
Der Entwurf der Gruppe um den Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) sowie die beiden SPD-Fraktionsvizes Carola Reimann und Karl Lauterbach ist noch nicht in Gänze bekannt. Bisher heißt es, dass "diese Gruppe … Ärzten explizit die Assistenz bei der Selbsttötung erlauben [will], sofern der Patient eine aussichtslose, tödliche Krankheit mit schwerem Leiden hat und umfassend beraten wurde." Nach Angaben des Cicero soll die Gruppe um Hintze und Lauterbach eine absolute Straffreiheit für Ärzte fordern.
Einzig die Gruppe der Bundestagabgeordneten um Petra Sitte (Linke) sowie Kai Gehring und Renate Künast (beide Grüne) sieht in ihrem heute vorgestellten Entwurf vor, dass Suizidhilfe grundsätzlich straflos bleibt, "sofern sie einer erwachsenen, freiverantwortlich handelnden Person nach eingehender Beratung geleistet wird." Hoffen wir - auch wenn die Erfahrung dem widerspricht - dass sich die Vernunft aus dem Sitte/Gehring/Künast-Entwurf durchsetzt.
3 Kommentare
Kommentare
Horst Burghause am Permanenter Link
Es muß selbstverstänndlich sein,daß jeder erwachsende Mensch
das Recht über sein Leben oder seinen Tod zu entscheiden hat,
wenn er entsprechende.unheilbare Leiden hat.
Almuth Tauche am Permanenter Link
Wo bleibt eigentlich in der Gesamtdiskussion die Stellungnahme der 141(?) Strafrechtsprofessoren der Deutschen Universitäten?
Die Achtung vor der Gewissensfreiheit und Kompetenz der Ärzte, selbst zu entscheiden was am humansten ist, - angesichts der Verbindung und des freien Willens ihren Patienten,- wird durch die Regelungswut der Parlamentarier mit Füßen getreten.
Noncredist am Permanenter Link
>> Daraus folgt, dass Vereine – ganz egal ob kommerziell oder nicht – und genauso regelmäßig handelnde Ärzte wie etwa Arnold bestraft würden. <<
Ärzte mit einer Erfahrung in ihrer Praxis sind also komplett unerwünscht. Unabhängig davon, ob sie für ihre Arbeit einen Lohn erhalten oder nicht.
Ich pers. finde eine solche Haltung vollkommen unvernünftig und sogar unmenschlich. Ich verlange einen "Kenner der Materie", wenn ich einen Arzt aufsuche. Eine Regelung die eine regelmäßige Praxis verbietet, da sie eine "Bereicherung" (in monetärer oder wissender Form) nach sich zieht, ist doch an den Haaren herbeigezogen und offensichtlich unvernünftig!
>> Nach einer EMNID-Umfrage befürworten 74 Prozent der Deutschen [die Sterbehilfe] <<
Doch leider wähl(t)en diese 74 Prozent entweder die falsche Partei, oder gar nicht. Unsere Demokratie funktioniert leider offen und klar ersichtlich. Wenn nur 20 Prozent der Deutschen wählen geht, und von den 20% nur die Hälfte CDU und CSU wählen, dann ist der Drops gelutscht. Diese "Minderheit" repräsentiert dann den Willen des Volkes. Das ist die Retourkutsche, die die Nichtwähler nun bekommen.
Man kann nur hoffen, dass bei der nächsten Wahl die Karten neu gemischt werden UND ausreichend Bürger zur Wahl gehen. Die Erfahrung zeigt leider, dass wir hier in Deutschland nunmal gerne der "Mutti" am Rockzipfel hängen, ganz egal welche schwachsinnige Entscheidung oder gar Lüge die Regierung an den Tag legt ;)
>> Mithin müsste Suizidhilfe in Deutschland vollständig unterbleiben. <<
"Fortschritt" heisst, dass man sich weiterbildet, alte Weltbilder notfalls neu überdenkt und alte, verkrustete und unangepasste ggf. aufbricht oder gar ersetzt. Das die Bleilettern nicht mehr von Hand gelegt werden, oder dass die Hufe unserer Pferde nicht mehr beschlagen werden verdanken wir weniger dem gewissenhaftem tradizionell-konservativen Beschützen der Berufe, sondern der Anpassung an die Bedürfnisse der Gesellschaft.
Ich kann nur hoffen, dass diese "gewählte Minderheit", so laut sie auch z.Zt. trompetet, in absehbarer Zukunft von der Mehrheit der Wähler einfach "weggewählt" werden. Wäre Politik Musik, dann würde die FDP laut ein Lied davon singen :)
Die Bürger sollten Mut haben, sich ihres Verstandes zu bedienen, die Programme der Parteien ruhig zu lesen und dann - ggf. mit vorheriger Diskussion mit den Repräsentaten vor Ort - ihre Partei zu wählen, die sie und ihre Bedürfnisse am ehesten vertritt. Wenn über 70% FÜR die Sterbehilfe sind, dann ist es doch irrsinn, wenn diese Masse dumb NICHT wählen geht und denen den Vortritt lassen, die ihre Bedürfnisse überhaupt nicht ernst nehmen! Sich DANN über "die Politiker" ärgern, obwohl man sie *nicht* gewählt hat, grenzt doch schon an Irrsinn an sich :)
Kurz: Wer mit der Meinung der CDU/CSU *nicht* einverstanden ist, der sollte bitte bei der nächsten Wahl *nicht* das Kreuz bei diesen Parteien machen. Dies setzt vorraus, dass man auch *zur Wahl geht*. BITTE! Unsere Demokratie benötigt (möglichst viele) Wähler! :)
Ich pers. bin für die Lösung, die einen Suizid für straffrei ansieht, sofern der Wille klar und unmissverständlich bekundet wurde. Ich bezweifle, dass ein ärztlich assistierter Suizid eindeutig daran festzumachen ist, ob man unheilbar krank ist oder nicht. Aber für einen "ersten Schritt", zum "Kennenlernen" dieser Erfahrung und ggf. um zu widerlegen, dass die (zumeist religiös-angehauchten) Dammbrecher-Thesen der Suizidverweigerer unhaltbar sind, halte ich es auf jedem Fall für unterstützenswert. Ein Schritt nach dem anderen :)