BERLIN. (hpd) Jan Lauwereyns gehört einer neuen globalen Cross-over-Schriftstellergeneration an. Der junge Flame ist Neurophysiologe an einem Forschungsinstitut in Tokio und schreibt auf Niederländisch und Englisch: bislang Gedichte. Nun hat er einen Roman, einen Wissenschaftsroman, vorgelegt: "Monkey Business", was auf Englisch soviel wie Unfug bedeutet. Darin erzählt ein Versuchsaffe.
Sein Schädel wird aufgebohrt. Elektroden sollen die Neuronenaktivität analog der Augenbewegungen messen, fixiert durch einen grässlichen Aufbau aus Zahnzement, einen makabren Hutaufsatz, der den Affen des letzten Restes seiner Bewegungsfreiheit beraubt. Die Nadeln im Gehirn spießen ihn regelrecht auf. Dass dieses Narrativ auf Fakten beruht, beweist ein Foto am Ende des Buches.
Der japanische Makake Haruki, der Ich-Erzähler, entpuppt sich aber auch als literarischer Verwandte von Kafkas Affen in dessen "Bericht für eine Akademie", vielleicht auch der Leidenden in Solschenizyns Gulag-Berichten oder Herta Müllers Romanen. Aller Gefangenen mit sadistischen Gefängniswärtern in gnadenlosen Systemen schlechthin. Vielleicht auch der Patienten im Griff von High Tec .
Haruki, fast die ganze Zeit seines siebenjährigen Lebens eingesperrt in einem Käfig, ist ein Held, der zu handeln keine Möglichkeit hat. Der sich kaum rühren kann und dem alles nur passiert. Sein Leben ist vor allem eines: Erinnern. An die Versuche, die Rorensu, als rothaariger Blonder unschwer als Alter Ego des Autors zu erkennen, an ihm macht. Komprimiert in den letzten sieben Stunden, in denen dem gemarterten Primaten die vergangenen Jahre noch einmal vorüberziehen: seine nur sechs Monate währende glückliche Kindheit im Wald, die Jahre des Trainings, die auf ein Minimum beschränkten Gefühle und Begegnungen mit seinesgleichen, das Ende.
Der Rest ist Fiktion: Auch Rorensu stirbt, sogar zuerst, infiziert durch einen Virus im Blut von Haruki. Im Fieberwahn sieht Haruki die Rollen vertauscht. Affen erforschen mit Folterinstrumenten wie Skalpellen und Elektroden kleine Menschen. Herrschaft und Knechtschaft kehren sich um. Ja, im Delirium erlebt Haruki sich in der Rolle der großen Leidenden der Geschichte: Jesus und van Gogh. Ewiger Durst hielt den Affen jahrelang gefügig. Dürstete nicht auch Jesus in seiner letzten Stunde? Van Gogh opferte sein Ohr. War es wirklich Selbstverstümmelung?
Harukis Gehirn wird in Scheiben zerlegt. Davor aber hört er über die Apparate die Aktivität seiner eigenen Nervenzellen. "Ich höre mich denken, also bin ich". Überhaupt kennt Haruki sich recht gut in Philosophie aus, sinniert in einer seltsamen Bewusstseinsverschmelzung zwischen Rorensu und Haruki über Ethik. Der Affe hat die Ziele eines Affen – meist Apfelstückchen, auch Kakerlakenbeine zum Dessert - und menschlichen Verstand. Mit ihm lotet der Autor nicht nur das Schicksal eines Versuchsaffen aus, sondern eines bis zum Äußersten fremdbeherrschten Lebens schlechthin, das aus wenig mehr als Aushalten und Überdauern besteht. Das Fehlen an Ereignissen macht ihn sogar zum Metaphysiker.
Wird, der dies lebt, auch das noch lebenswert finden, so die Frage hinter dem Narrativ. Ja, er wird. Er wird auch darin noch einen Sinn konstruieren. Denn Leben kann sich kaum selbst negieren, vielleicht umso weniger, als es nur noch aus Leben an sich besteht. Dies literarisch durchzuspielen bedurfte es dieses Affenromans, der in mehr als einer Hinsicht erschütternd ist und mitreißt in einen Prozess der Katharsis ohne Erlösung.
Jan Lauwereyns, "Monkey Business. Roman aus der Hirnforschung von einem Laboraffen erzählt", Übersetzung aus dem Niederländischen von Helga von Breuningen. Axel Dielmann Verlag, Frankfurt 2015, 173 S., 20 Euro
1 Kommentar
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Hört sich gut an, Simone Guski; schöne Rezension! Und "Unfug" bedeutet auf Deutsch soviel wie Monkey Business? ;-)