Eklatante Verletzung der Genfer Konventionen

Krankenhaus in Kundus bombardiert

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Der Friedenspalast in Den Haag, Dienstgebäude des Internationalen Gerichtshofs
Der Friedenspalast in Den Haag, Dienstgebäude des Internationalen Gerichtshofs

BERLIN. (hpd) Am vergangenen Wochenende wurde ein Krankenhaus der Ärzte ohne Grenzen in Kundus gezielt angegriffen. Der Angriff wurde vermutlich durch Truppen der Internationalen Koalition durchgeführt.

Es gibt nicht viele NGO’s (Nichtregierungsorganisationen), die uneingeschränktes Vertrauen genießen. Die Ärzte ohne Grenzen (Medecins sans frontieres) gehören dazu. Deshalb ist es im Namen der Menschlichkeit notwendig, dass aufgeklärt wird, wer den Tod von zwölf Mitarbeitern der NGO und zehn Patienten im Krankenhaus von Kundus (Afghanistan) zu verantworten hat.

Die Ärzte ohne Grenzen vermuten, "dass der Luftangriff von den Truppen der Internationalen Koalition durchgeführt wurde.” Die Organisation geht davon aus, dass es sich bei der gezielten Bombardierung des Krankenhauses in Kundus um ein Kriegsverbrechen handelt. Sie fordert daher “eine umfassende und transparente Untersuchung des Vorfalls durch eine unabhängige internationale Instanz."

Tatsächlich wäre es völlig unzureichend, sich bei der Aufklärung ausschließlich auf eine interne Untersuchung durch einen in den Konflikt involvierten Akteur zu verlassen. Hier sollte der Internationale Gerichtshof in Den Haag als Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen tätig werden. Dort können allerdings nur Staaten klagen, die Mitglieder der UN sind; Organisationen sind hier ausgeschlossen.

Deutschland, dessen Soldaten die Stadt Kundus verlassen haben, ist hier in der Verantwortung und sollte den Gerichtshof anrufen. Denn die Verletzung des humanitären Menschenrechts ist klar und deutlich ersichtlich. Die Ärzte ohne Grenzen betonen, "dass das Hauptgebäude, in dem das medizinische Personal die Patienten versorgte, bei jedem Bombardement wiederholt und sehr präzise getroffen wurde."

Dabei wurde die exakte Lage von Einrichtungen an alle Konfliktparteien kommuniziert. "Entsprechend hatte die Organisation die Geo-Koordinaten des Trauma-Krankenhauses am 29. September sowohl an die Internationale Koalition als auch an das afghanische Militär und zivile Behörden weitergegeben, um zu vermeiden, dass die Klinik getroffen wird." Trotzdem - oder deshalb? - wurde das zentrale Krankenhausgebäude, in dem sich die Intensivstation, Notfallräume und die Physiotherapiestation befanden, wurde bei jedem Luftangriff wiederholt sehr präzise getroffen. Gleichzeitig blieben umliegende Gebäude fast unberührt.

Die Ärzte ohne Grenzen fordern Aufklärung
Die Ärzte ohne Grenzen fordern Aufklärung

Erst am vergangenen Montag beschrieb der Leiter des medizinischen Teams des Krankenhauses, Dr. Masood Nasim, die Situation in der Klinik in den ersten 72 Stunden, nachdem die Stadt Kundus am Montag, den 28. September 2015, von Gefechten eingenommen wurde. "Mittags befand sich die Frontlinie dann bereits an unserem Krankenhaus, direkt vor unserem Tor wurde gekämpft. Man konnte den Lärm der Granaten, Raketen und Flugzeuge hören. Einige der Geschosse landeten im Krankenhaus, ein paar davon kamen sogar durch das Dach der Notaufnahme. Wir befinden uns inmitten der Kampfhandlungen. Dennoch respektiert man unser Krankenhaus und die Mitarbeiter. Bisher können wir ungehindert unsere Arbeit machen." Das änderte sich in der Nacht auf Samstag (3.Oktober 2015).

Einer der Krankenpfleger schildert den Angriff auf das Krankenhaus: "Auf der Intensivstation brannten sechs Patienten in ihren Betten. Wir suchten unsere Kollegen, von denen einige im Operationsraum sein sollten. Es war schrecklich. Ein Patient lag auf dem OP-Tisch, tot, inmitten der totalen Zerstörung. Wir konnten unsere Kollegen nicht finden…."

Das Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen war die einzige Einrichtung dieser Art im Nordosten von Afghanistan. Es bot während vier Jahren kostenlose lebensrettende chirurgische Hilfe an, durch die auch bei vielen Patienten Amputationen verhindert werden konnten. Allein im Jahr 2014 erhielten dort mehr als 22.000 Patienten und Patientinnen Hilfe – mehr als 5.900 Operationen wurden durchgeführt.

Das Krankenhaus behandelte dort jeden Patienten, ungeachtet seiner ethnischen Herkunft und religiösen oder politischen Überzeugung. Diese Hilfe ist nun so gut wie unmöglich geworden. Die dafür Verantwortlichen gehören vor einen internationalen Gerichtshof.