Filmkritik

Fritz Bauer – Der Humanismus ist ein Antifaschismus

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Filmfoto: Burkhard Klaussner als Fritz Bauer
Filmfoto: Burkhard Klaussner als Fritz Bauer

BERLIN. (hpd) Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer setzte sich für eine Strafverfolgung der Unrechte der NS-Zeit und eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust ein. Der neue Film "Der Staat gegen Fritz Bauer" würdigt das mutige Wirken eines lange verkannten Humanisten. 

Fritz Bauer war als jüngster Amtsrichter Deutschlands in Stuttgart tätig, musste jedoch als Sohn jüdischer Eltern vor den Schrecken des Faschismus aus Deutschland fliehen. Zunächst nach Dänemark, dann nach Schweden. Nach dem Krieg kehrte er in das Land seiner Peiniger zurück und half bei der Errichtung eines neuen, besseren und gerechteren Deutschlands. Denn Bauer war maßgeblich am Zustandekommen der Frankfurter Auschwitzprozesse, der Ergreifung des SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann und der Rehabilitierung der Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 beteiligt.

Fritz Bauers Leben und Wirken zeigt eindrucksvoll, dass die Aufklärung und strafrechtliche Verfolgung der nationalsozialistischen Verbrechen keineswegs ein Selbstläufer war. Es bedurfte im Gegenteil mutige und engagierte Aufklärer wie Bauer, die sich – trotz Kritik und Unmut der Öffentlichkeit – für Freiheit und Gerechtigkeit einsetzten. Durch seine konsequente Verfolgung von NS-Verbrechern wurde Bauer im restaurativen Klima der Adenauer-Ära zur “Provokation für den Zeitgeist”. Aufsätze und Reden mit Titeln wie “Mörder unter uns” und “Am Ende waren die Gaskammern” stießen nicht nur bei Alt-Nazis und Repräsentanten der Politik und Justiz auf erheblichen Widerstand, sondern erregten auch beim bürgerlichen Publikum der 50er und 60er Jahre Anstoß. Denn Bauer hielt der deutschen Nachkriegs-Gesellschaft den Spiegel vor und zeigte ihr das hässliche Gesicht der kollektiven Verdrängung. 

In dem neuen Film "Der Staat gegen Fritz Bauer" wird dieser Gerechtigkeitskampf gewürdigt. Dabei spielen die mit Hürden verbundenen Bemühungen, Adolf Eichmann ausfindig zu machen und vor Gericht zu stellen, eine zentrale Rolle. Die beklemmende Situation, in der sich Bauer dabei befand, wird in dem Film spannungsvoll nachgezeichnet. Es ist eine Konfrontation mit Intrigen, Sabotage und politisch motiviertem Rufmord. Bauers Ausspruch "Wenn ich mein Dienstzimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland" wird auf der Kinoleinwand zur Realität. Denn die eigene Behörde ist von Personen unterwandert, denen er nicht vertrauen kann. Zu groß ist die Gefahr, dass Adolf Eichmann von Bauers Plänen erfährt und fliehen kann. Der Film von Lars Kraume lässt einen über diese historische Ungeheuerlichkeit empören, zumal Bauers Verdienst zu dessen Lebzeiten unbekannt war.

Erstaunlich authentisch wird Fritz Bauer von Burghart Klaußner gespielt. Gestik, Mimik und Sprechweise wurden von ihm detailgetreu imitiert. Leider weist die Darstellung jedoch Schwächen bezüglich Bauers Biographie auf. Die Zuschauer erfahren wenig über seine theoretischen und rechtsphilosophischen Ansichten, ebenso wenig von seinem großen Vertrauen in die Jugend. Anders als es der Film vermittelt, war Bauer zudem kein gläubiger Jude, sondern bekennender Atheist. Ein weiterer Streitpunkt dürfte Bauers angebliche Homosexualität sein, die in dem Film großen Raum einnimmt, unter Biographen aber weiterhin kontrovers diskutiert wird. 

Trotz dieser Schwächen ist "Der Staat gegen Fritz Bauer" eines der wichtigsten Filmereignisse diesen Jahres. Bauer gehört zu den eindrucksvollsten Persönlichkeiten der deutschen – ja sogar internationalen – Nachkriegsgeschichte. So kann man Lars Kraume nur danken. Denn endlich erhält der mutige Aufklärer die Aufmerksamkeit, die ihm gebührt. Wie kein anderer hat er gezeigt, dass der Humanismus ein Antifaschismus sein muss. 


Der Staat gegen Fritz Bauer

Regie: Lars Kraume

Drehbuch: Lars Kraume, Olivier Guez

Darsteller: Burghart Klaußner, Ronald Zehrfeld, Sebastian Blomberg, Laura Tonke, Michael Schenk, Dani Levy

Länge: 105 Minuten

FSK: ab 12 Jahren

Start: 1. Oktober 2015