Interview mit dem Datenschützer Peter Schaar

Verlieren wir die Herrschaft über uns selbst?

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Peter Schaar beim 30. Chaos Communication Congress in Hamburg, 2013
Peter Schaar beim 30. Chaos Communication Congress in Hamburg, 2013

BERLIN. (hpd) Google, Facebook und vergleichbare Internet-Dienst haben sich zu ständigen, neugierigen Begleitern von vielen Millionen Menschen weltweit entwickelt. Die Überwachung von Mitarbeitern in Großkonzernen scheint zur Normalität zu werden und eine Angst vor Terrorismus führt ständig zu neueren Sicherheits- und Überwachungsgesetzen. Viele werden leichte Beute von Datensammlern, weil sie sich zu schnell verführen lassen, Informationen preiszugeben.

Aus großen Datenmengen auf einzelne Individuen zu schließen ist heute möglich. Man kann aber nicht zum Digitalaussteiger werden und sich gegen die Überwachung zur Wehr setzen, wenn man nicht bereit ist, gleichzeitig vom sozialen Leben weitgehend ausgeschlossen zu sein. Totalverweigerer verlassen ein Stück weit die Lebensbühne, denn es führt zur virtuellen Abkapselung und trifft heutzutage gerade unter den "Digital Natives" nicht unbedingt auf viel Verständnis.

Dies erklärt, weshalb der Anteil der sogenannten "Offliner" unter den 14 bis 24 Jährigen verschwindend gering ist, wie aus einer Studie des "Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet" (divsi) hervorgeht. Dennoch lohnt sich ein kurzer Blick auf diese dem Mainstream widerstehende Personengruppe, da sie über eine interessante Persönlichkeitsstruktur verfügen und sich ihre kritische Haltung gegenüber der digitalen Welt bewahrt hat.

In der o.g. Studie wird das Milieu der digitalen Aussteiger als das der "Verantwortungsbedachten" bezeichnet, das wie folgt beschrieben wird:

  • Geringe Orientierung an neuen digitalen Lifestyle und selektives Surfverhalten,
  • auch wenn der digitale Verzicht in erster Linie auf Datenschutzbedenken oder Skepsis gegenüber Neuem zurückzuführen ist, suchen die Verantwortlichkeitsbedachten zugleich auch nach authentischen und unmittelbaren Erfahrungen und Räume der Selbstverwirklichung, und
  • in sozialen Netzwerken sind sie weniger auf das Sammeln von Online-Freundschaften bedacht, sondern auf die Abbildung ihres realen Freundeskreises.

Peter Schaar war von 2003 bis 2013 Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit; davor lange Zeit stellvertretender Datenschutzbeauftragter der Hansestadt Hamburg. Er veröffentlichte mehrere Bücher über Datensicherheit und erhielt zahlreiche Preise, zuletzt den renommierten amerikanischen Louis D. Privacy Award. Seit September 2013 ist Peter Schaar Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID) in Berlin. Zuletzt veröffentlichte Peter Schaar in der © edition Körber-Stiftung, Hamburg 2015, das Buch "Das Digitale Wir – Unser Weg in die Transparente Gesellschaft", ISBN 978–3–89684–168–1, 220 Seiten, 17,00 Euro (Deutschland)

Einer der Hauptgründe für den "digitalen Selbstmord" scheint das berechtigte Gefühl zu sein, dass die Daten bei Facebook nicht sicher sind, was für das kritische Bewusstsein dieser NutzerInnen spricht. Andere Gründe lassen darauf schließen, dass für einige Aussteiger das Facebook-Erleben selbst gar nicht mehr so positiv war. Die Tendenz zu pathalogischem, Sucht-ähnlichem Verhalten und negative Gefühle in Bezug auf die Interaktion auf der Plattform bieten eine Erklärung dafür, warum jemand sich diesem entziehen möchte.

Wenn man sich dem Netzwerk-Kult entzieht und "digitalen Selbstmord" begeht, sollte man den Ausstieg aber so planen, dass er nicht die soziale Isolation im "realen" Leben nach sich zieht. Facebook oder andere vergleichbare soziale Netze sollten nie als exklusiver Kanal für Freundschafts- und Bekanntschaftspflege genutzt werden, sondern immer nur als Add-on zur face-to-face Interaktion mit Menschen im realen Leben.

Doch wenden wir uns wieder von den Medienethikern ab und kommen wir zurück auf die Lebenswirklichkeit der überwältigenden Bevölkerungsmehrheit.

Das Internet ließ die Welt zu einem Dorf schrumpfen. Ein Mobilfunkanbieter hat es in einem Werbeslogan auf den Punkt gebracht: "Wir beeilen uns nicht – wir simsen, dass es später wird. Wir denken nicht – wir googeln. Wir sagen nicht unsere Meinung – wir posten sie." Die Cybergesellschaft hat unsere gesellschaftliche Entwicklung im Griff. Das Internet hat mit seinen vielen Angeboten unser Leben verändert. Und seit dem iPhone von Apple passt unser Leben auch in ein Smartphone.

Persönlichkeitsrechte, Datenschutz und Privatsphäre sind im Internet zu Fremdwörtern geworden und dies ist den NutzerInnen häufig nicht bewusst. Was immer im Internet an Informationen kursiert kann uns morgen in der "realen Welt" auf die Füße fallen. Doch mittlerweile ist ein Leben ohne Internet nicht nur für die "Digital Natives" unvorstellbar, sondern für einen Großteil der Bevölkerung.

Entkommen können wir dem Internet nicht mehr, also müssen wir eine Ethik des Umgangs mit dem Internet entwickeln. Nur wenn uns die Gefahren bewusst sind, können wir auch dessen Möglichkeiten erkennen und verantwortungsvoll nutzen.

Kann das Internet zu mehr Partizipation und zu mehr Demokratie führen? Welche Folgen haben Digitalaussteiger zu tragen? Sind Technologien verfügbar als realistische Möglichkeit der Datenverweigerung? Oder kann die Privatsphäre nur durch Gesetze abgesichert werden?

Diesen und weiteren Fragen soll in einem exklusiven Interview mit Peter Schaar auf den Grund gegangen werden.
 

hpd: In Ihrer zehnjährigen Amtszeit als Bundesdatenschutzbeauftragter haben Sie immer wieder Bilanz gezogen - etwa zur Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes. Was ist Ihr Befund heute, ein Jahr nach Ihrem Ausscheiden als oberster Deutscher Datenschützer?

Schaar: Das waren natürlich stets Zwischenstände und auch heute ist es nicht sinnvoll, eine Art Schlussbilanz in Sachen Datenschutz und Informationsfreiheit aufzustellen. Als Amtsträger auf Zeit sollte man nicht dem Irrglauben erliegen, dass mit dem eigenen Ausscheiden die Aufgaben erledigt sind. Der Weg in die Informationsgesellschaft geht weiter, und zwar mit zunehmendem Tempo und es ist alles andere als sicher, wohin die Reise geht: In einen virtuellen Vergnügungspark, eine digitale Diktatur oder in eine Gesellschaft mit mehr Chancengleichheit, Meinungsvielfalt und Toleranz. Deshalb ist es mir wichtig, dass sich möglichst viele Menschen für eine humane und demokratische Informationsgesellschaft einsetzen.
 

Was kann ein Bundesdatenschutzbeauftragter mehr machen als nur mahnen?

Derzeit ist die schärfste "Waffe" der oder des Bundesbeauftragten eine Beanstandung, also eine Art formalisierte Rüge. Das reicht natürlich nicht aus. Leider sind meine Forderungen nach effektiven Sanktionsmöglichkeiten von den verschiedenen Bundesregierungen nicht erfüllt worden. Mit der anstehenden EU-Datenschutzreform bestehen aber gute Chancen, diesen Missstand zu beseitigen. Die Entwürfe sehen nämlich vor, dass alle Datenschutzbehörden die Befugnis erhalten, unzulässige Datenverarbeitung zu untersagen und hohe Bußgelder zu verhängen.
 

Welchen Stellenwert nimmt Ihrer Ansicht nach die kritische Berichterstattung in den Medien ein?

Wir leben seit Jahrzehnten zunehmend in einer durch Medien geprägten Gesellschaft, aber die Mediennutzung ändert sich gerade dramatisch. Als ich kürzlich die Studierenden meiner Datenschutzvorlesung fragte, wie viele denn regelmäßig eine Tageszeitung lesen, meldete sich eine einzige von 50 Teilnehmenden. Hier besteht auch für Datenschützer sicherlich Nachholbedarf, denn viele Datenschutzthemen sind medial kaum präsent.
 

2008 haben Sie ein Buch mit dem Titel "Das Ende der Privatsphäre" veröffentlicht. Sind wir immer noch am Ende oder schon einen Schritt weiter?

Na ja, der Buchtitel sollte zunächst als Frage formuliert werden. Der Verlag war aber der Meinung, das Buch würde sich ohne Fragezeichen besser verkaufen. Für mich ist der Ausgang nach wie vor offen, trotz der zunehmenden Überwachungsmöglichkeiten. Genau das versuche ich, in meinem neuen Buch "Das digitale Wir" deutlich zu machen: Ohne gesellschaftliches Engagement und ohne politischen Gestaltungsanspruch rutschen wir immer tiefer in die Abhängigkeit der Technik und derjenigen, die sie steuern.
 

Noch als Bundesdatenschutzbeauftragter warnten Sie eindringlich nach den Ermittlungspannen in der Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) dem Verfassungsschutz mehr Macht einzuräumen. Sie forderten eine Reform des Verfassungsschutzes. Reicht dies aus, oder müssen wir nicht vielmehr alle Geheimdienste auf den Prüfstand und auch in Frage stellen?

Vor Jahren, nach der Beendigung der Blockkonfrontation von Ost und West, war ich auch der Meinung, Geheimdienste müssten generell aufgelöst werden. Heute meine ich immer noch, dass umfassende nachrichtendienstliche Überwachungsaktivitäten ein Fremdkörper in einem demokratischen Rechtsstaat sind. Das Versagen von Verfassungsschutz und anderen Diensten ist ja unübersehbar. Allerdings blendet die Forderung nach genereller Abschaffung aus, dass damit bestimmte Gefahren, denen man nur durch verdeckte Ermittlungen begegnen kann - siehe NSU und islamistischen Terror - mit der Auflösung der Geheimdienste ja nicht verschwinden. Andererseits sehe ich die Vergeheimdienstlichung der Polizei, also deren Ausstattung mit immer neuen verdeckten Ermittlungsbefugnissen mit Sorge. Die auch verfassungsrechtlich sauberere Lösung bestünde darin, das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizeibehörden zu stärken und die Geheimdienste effektiveren demokratischen Kontrollen zu unterwerfen.
 

Sie haben schon vor längerer Zeit auf die Problematik der Handy-Ortung hingewiesen, bei der ohne Wissen des Nutzers ein lückenloses Bewegungsprofil aufgrund einer Lücke im Gesetzt erstellt werden kann. Wurde das Telekommunikationsgesetzt nun geändert, um dies zu verbieten?

Leider nicht. Das jetzt von der Großen Koalition kürzlich durch den Bundestag gebrachte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vergrößert ja erstmal die Datenmenge, die von den Telekommunikationsunternehmen gespeichert werden müssen. Die zugleich beschlossenen Begrenzungen für die Verwendung von Standortdaten betreffen nur diese zusätzlich zu speichernden Daten. Diejenigen Standortdaten, welche die Unternehmen für eigene geschäftliche Zwecke speichern, sind nicht betroffen. Deshalb wird sich praktisch hier nichts zum Guten verändern.
 

In der Süddeutschen Zeitung vom 13. Oktober 2015 wurde in einem Interview Peter Sunde [1] die Frage gestellt, wie das Internet so zentralisiert werden konnte, und sich die Hoffnung vieler Menschen auf mehr Demokratie durch das Internet nicht erfüllt hat. Er antwortete "Die Technik selbst ist dezentral, aber die Nutzung – also das, was wir unter Internet verstehen – ist zentralisiert. Das liegt an der Bequemlichkeit – und dem Vertrauen. Die Menschen vertrauen diesen Unternehmen ja!"
Haben wir es beim Internet auch mit einem Problem der Gutgläubigkeit der NutzerInnen in einer Welt zunehmender Komplexität zu tun?

Der Begriff Gutgläubigkeit passt hier eher nicht. Kaum jemand in Deutschland gibt Google oder Facebook einen Vertrauensvorschuss. Das eigentliche Problem sind die Bequemlichkeit und die Kostenlos-Mentalität, die im Internet vorherrschen. Zum anderen können sich viele Nutzer nicht vorstellen, dass die Daten gegen sie verwendet werden. Aber genau das ist zu erwarten: Bei der Entscheidung über die Besetzung eines Arbeitsplatzes, beim Abschluss einer Versicherung oder - das geschieht bei Scoring bereits heute - bei der Beantragung eines Kredits.

Das digitale Wir

Kommen wir nun auf Ihr neustes Buch "Das digitale Wir" zu sprechen. Auch Sie sind der Überzeugung, dass der Weg in die Informations- und Transparenzgesellschaft unumkehrbar ist. Doch Sie fordern eine gesellschaftliche Kontrolle, damit unsere grundlegenden Werte ihre Gültigkeit behalten.
Wie stellen Sie sich eine solche "gesellschaftliche Kontrolle" vor?

Gesellschaftliche Kontrolle heißt zunächst, dass eine öffentliche Diskussion über die Prinzipien stattfindet, die im Internet gelten. Grundlegende Werte werden ja nicht allein deshalb obsolet, weil sich das technische Umfeld ändert. Die Frage ist auch, wie wir bestimmten negativen Entwicklungen Einhalt gebieten können. Da spielen Gesetze eine Rolle, aber auch bürgerschaftliches Engagement. Schließlich ist viel Überzeugungsarbeit bei den Nutzerinnen und Nutzern wichtig. Diese Ansprüche umzusetzen, ist auch deshalb schwierig, weil das Internet als globales Medium nur begrenzt durch nationale oder regionale Öffentlichkeiten und Regulierungsansätze beeinflusst werden kann. Wir machen ja gerade in Deutschland die Erfahrung, dass US-basierte Unternehmen wie Facebook oder Google vorwiegend den durch sie selbst gesetzten Regeln folgen - etwa beim Umgang mit Hasskommentaren. Während Bilder, auf denen eine nackte weibliche Brust zu sehen ist, sofort gelöscht werden, bleiben Statements stehen, die in Deutschland als Volksverhetzung strafbar sind. Beim Datenschutz gibt es zunehmend Diskussionen und Aktivitäten, die über den nationalen Rahmen hinausgehen. Beim Thema Transparenz sehe ich das noch nicht.
 

In der Augsburger Allgemeine vom 19. Juni 2012 berichtete Verena Berger, dass sie eine "On-and-Off"-Nutzerin ist. "Wenn mir alles zu viel wird – zu viel Stress, zu viel Leben, zu viel Ich – nehme ich mir eine dreiwöchige Auszeit" (ebd.).
Warum nicht ganz ohne? Wäre das nicht eine Alternative?

Einzelne mögen den Weg der Online-Abstinenz gehen und ich trete dafür ein, dass niemand zurückgelassen wird, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht online ist. Umfragen ergeben immer wieder, dass bei uns viele Menschen das Internet nicht nutzen, vor allem unter den Älteren. Deshalb wäre es falsch, die Stadtbibliotheken und Bürgerämter zu schließen, nur weil es entsprechende Online-Angebote gibt. Andererseits gehören Internet und Smartphone für viele Menschen heute so selbstverständlich zu ihrem Leben wie die Elektrizität oder fließendes Wasser. Sie sind darauf bei der Arbeit angewiesen und sie organisieren ihren Alltag mit technischen Hilfsmitteln. Für diesen Personenkreis könnten temporäre Auszeiten durchaus sinnvoll sein - es muss sich ja nicht gleich um drei Wochen handeln. Außerdem muss nicht jede E-Mail innerhalb weniger Minuten beantwortet werden und manche elektronische Mitteilung kann man getrost ignorieren.
 

Der Jugendforscher Phillip Ikrath [2] will eine Gegenbewegung zum Internet ausgemacht haben. "Digitale Aussteiger erkennt man vor allem daran, dass sie eine sehr reflektierte und bewusste Nutzung mit den neuen Medien haben. Die erkennen wir daran, dass sie regelmäßig digitale Diäten machen. Es gibt eine ganz kleine Avantgarde die sogar digitalen Selbstmord betreibt, d.h. sich aus den Netzen vollständig verabschiedet", so Philip Ikrath in der Radiosendung SWR3 am 11.09.2014. Diese Gegenbewegung feiere geradezu alles Analoge wie persönliche Freundschaften, Naturerlebnisse, Handwerkerarbeiten und selber Kochen, sagte der Jugendkulturforscher Philipp Ikrath.
Ist Ihnen dieser Trend auch schon aufgefallen und wie stehen Sie dazu?

 

"Digitaler Selbstmord" hört sich ja nicht sehr attraktiv an. Mit "analog ist das neue Bio" könnte ich da schon mehr anfangen.

Richtig ist: Wir dürfen uns nicht im virtuellen Raum verlieren, sondern wir brauchen realen Kontakt zu wirklichen Menschen und echte Naturerlebnisse. Aber am Ende geht es um eine sinnvolle Kombination. Es hat gute Gründe, warum sich in Unternehmen und Verwaltungen die reine Telearbeit nicht durchgesetzt hat, obwohl die Technik immer leistungsfähiger ist. Viel erfolgreicher wohl sind dagegen Mischformen, bei denen die Beschäftigten zeitweise physisch anwesend sind, an Meetings teilnehmen und gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in die Kantine gehen.
 

"Das Web hat die Macht, die Gesellschaft zu verändern", sagte Domscheit-Berg sicher zu Recht auf dem Digitalkongress DLD (Digital Life Design) und fuhr fort: "Es passiert gerade eine starke kulturelle Veränderung, und wir bekommen alle mit, wie die Grenzen verschoben werden können."
Hier schließt sich meine Frage an: Fördert das Internet als globale Daten- und Informationsquelle das Verständnis für eine zunehmend komplexer werdende Gesellschaft, also kann es die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger zu kundigen und verständigen Wählerinnen und Wählern qualifizieren?

Das Internet hat zumindest das Potential, dabei zu helfen, dass wir uns in einer komplexeren Umwelt besser zurechtfinden. Aber unübersehbar ist auch, dass elektronische Medien für die Verbreitung von Vorurteilen, Hassbotschaften und Lügen missbraucht werden. Damit müssen wir uns - auch als Netzbürger - auseinandersetzen.
 

In Ihrem Buch "Das digitale Wir" schreiben Sie: "Der Einfluss der staatlichen und privatwirtschaftlichen digitalen Machthaber muss begrenzt werden. Die dafür geeigneten Instrumente gibt es prinzipiell, sie müssen jedoch eingesetzt werden: im Recht und in der Technik."
Können Sie diese Aussage etwas konkretisieren, insbesondere im Hinblick auf die von Ihnen angesprochenen Instrumente, sprich Technologien?

Das Netz ist im Prinzip eine wunderbare Plattform, auf der Machtstrukturen transparent gemacht werden und Machtmissbrauch aufgedeckt werden können. Informationen können bereitgestellt, Entwicklungen kommentiert werden. Blogs wie netzpolitik.org, online-Ausgaben von klassischen Medien und auch Whistleblower-Plattformen zeigen, dass es so möglich ist, Diskussionen anzustoßen, die ansonsten nicht den Weg in die klassischen Medien gefunden hätten. Zudem gibt es immer mehr intelligente Angebote, die sich - ohne größere Leistungseinschränkungen - zu ernstzunehmenden Alternativen zu den datengetriebenen Geschäftsmodellen entwickeln. Wirklich erfolgreich werden sie allerdings nur dann sein, wenn die Nutzer bereit sind, für entsprechende Dienste auch etwas zu bezahlen. Last but not least: Durch die Nutzung von Verschlüsselungstechniken und von Anonymisierungsdiensten können wir den Überwachern das Leben schwerer machen.
 

Das Interview führte Herbert Nebel für den hpd.

[1] Peter Sunde, 37, Finne, Gründer der legendären Seite "Pirat Bay", sprach dort über seine "radikalen, kapitalismuskritischen Netz-Utopien". Er ist einer der bekanntesten Netzaktivisten der Welt.

[2] Phillip Ikrath ist wissenschaftlicher Leiter des Instituts Jugendkulturforschung in Hamburg.