Argentinien: Südamerikanisches Vorbild zur Abtreibungsgesetzgebung?

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Grüne Tücher sind in Latein- und Südamerika das verbindende Symbol der Frauenrechtler:innen
Grüne Tücher sind in Latein- und Südamerika das verbindende Symbol der Frauenrechtler:innen

Ende 2020 legalisierte Argentinien die Abtreibung bis zur 14. Schwangerschaftswoche. Für viele Lateinamerikaner:innen ein Hoffnungsschimmer, dass andere Länder wie Kolumbien, Mexiko oder Chile nachziehen. Während der Kongress im mexikanischen Bundesstaat Quintana Roo Anfang März eine Entkriminalisierung ablehnte und das Land weiterhin einen Flickenteppich an Abtreibungsgesetzen aufweist, könnte es in Kolumbien und Chile in Richtung Legalität gehen.

Im Dezember 2020 nahm der argentinische Senat einen Gesetzesentwurf an, der Abtreibungen bis zur 14. Schwangerschaftswoche legalisiert. Eine Entscheidung, der lange Jahre der Proteste und Forderungen vorangingen. Für viele Amerikaner:innen aber ein Zeichen, dass es Hoffnung auf positive Entwicklung auch in anderen Ländern gibt. Vereint durch grüne Tücher als transnationales Zeichen für die Forderung nach Selbstbestimmung und das Recht auf sichere, medizinisch begleitete Schwangerschaftsabbrüche gehen auch Menschen in Chile, Kolumbien und in anderen Ländern auf die Straße und unterstützen ihre Politiker:innen, die sich dafür einsetzen.

In Mexiko gelten unterschiedliche Bestimmungen

Nachdem bisher von den lateinamerikanischen Ländern nur Argentinien, Cuba, Uruguay, Guayana und Französisch-Guayana die Abtreibung unter Bedingungen legalisiert haben, existieren in Mexiko noch sehr unterschiedliche gesetzliche Regelungen in den jeweiligen Bundesländern. Während zum Beispiel in Mexiko-Stadt die Abtreibung bis zur 12. Schwangerschaftswoche legal ist, sieht es in anderen Bundesländern anders aus. Jeder Bundesstaat erlaubt eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung. Bis auf drei Bundesländer (Guanajuato, Guerrero und Querétaro) ist auch die Lebensgefahr der Schwangeren durch die Schwangerschaft oder die schwere Deformation des Fötus ein Grund zum legalen Abbruch. Yucatán stellt die Abtreibung ebenfalls straffrei, wenn eine Person bereits mindestens drei Kinder zur Welt gebracht hat und nachweisen kann, weitere Kinder finanziell nicht versorgen zu können. Und seit 2019 – analog zu Mexiko-Stadt – können auch im Bundesstaat Oaxaca in Not geratene Menschen straffrei bis zur 12. Schwangerschaftswoche abtreiben.

Für feministische Gruppen jedoch kein Grund, nicht weiter zu kämpfen und auf einen anderen Ausgang bei einer zukünftigen Abstimmung zu hoffen. Immerhin ist es eine Frage nicht nur der körperlichen Selbstbestimmung, sondern auch der Gleichberechtigung.

Landesweite Legalisierung in Kolumbien?

In Kolumbien scheinen die Zeichen eher auf eine landesweite zukünftige Legalisierung der Abtreibung zu stehen. Ein Abbruch der Schwangerschaft ist dort aktuell nur dann straffrei, wenn sie eine Gefahr für Gesundheit und Leben der schwangeren Person bedeutet, die Folge einer Vergewaltigung ist oder der Fötus so schwer beeinträchtigt ist, dass er lebensunfähig wäre.

Im Februar wurde die Klage der Anwältin Natalia Bernal Cano, auch diese Ausnahmen zum straffreien Schwangerschaftsabbruch zurückzunehmen, vom Verfassungsgericht abschlägig beschieden. Die Anwältin hatte unter anderem damit argumentiert, dass eine legale Abtreibung nach sexueller Gewalt die Anzahl sexueller Übergriffe erhöhe und legale Abtreibungen Gesundheitsgefahren für Frauen mit sich brächten. Nach Ansicht des Gerichts war die Klage Bernal Canos nicht klar und unspezifisch. Zudem sei es ihr nicht gelungen, zu belegen, dass zum Beispiel die Gesundheitsgefahren durch legale Abtreibungen stiegen. Ein gutes Zeichen, dass die Rücknahme der wenigen Ausnahmen nicht im Raum stand.

Paragraph 122 des Strafgesetzbuches, welcher die Abtreibung in Kolumbien – von den Ausnahmen abgesehen – kriminalisiert, ist für viele Menschen weiterhin ein Grund, für reproduktive Selbstbestimmung und Gleichberechtigung zu kämpfen. So auch für die Bewegung Causa Justa ("Gerechter Grund"), ein Bündnis aus 45 Organisationen, die sich für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Feminismus und Frauenrechte einsetzen. Es sind dutzende Aktivist:innen, Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesen und weitere, die den Paragraphen 122 gestrichen sehen wollen und diese Forderung ebenso vor das Verfassungsgericht gebracht haben, wie Bernal Canos die ihrige. Eine dritte Interessensgruppe hat sich ebenfalls an das das Gericht gewandt: Diejenigen, welche den Lebensbeginn im Gesetz mit der Befruchtung der Eizelle gleichsetzen und jegliche Form der Abtreibung verbieten wollen.

Die Hoffnung, dass das Verfassungsgericht über die Straffreiheit eines Schwangerschaftsabbruchs auch außerhalb der drei genannten Ausnahmen positiv entscheidet, ist groß. Immerhin hat auch Generalstaatsanwältin Margarita Cabello dem Verfassungsgericht eine zwölfseitige Stellungnahme übermittelt, welche die Forderung nach straffreier Abtreibung stützt.

Chile diskutiert Gesetzesentwurf

Die chilenische Gesetzeslage gleicht der Kolumbiens. Auch dort ist eine Abtreibung nur aus den genannten drei Gründen straffrei möglich. Doch die Gesetzesänderung in Argentinien hat auch der chilenischen Diskussion Auftrieb verschafft. Ein bereits vor zwei Jahren von der Opposition eingebrachter Gesetzesentwurf, der den Schwangerschaftsabbruch bis zur 14. Woche straffrei stellen soll, wird im Parlament diskutiert. Für eine kostenlose, medizinisch begleitete Abtreibung jedoch würde der Rückhalt der Exekutive benötigt; etwas, das die Regierung aktuell nicht in Betracht zieht.

Für Aktivist:innen jedoch ist bereits die wieder eröffnete Diskussion ein guter Schritt. Schon die erst im Jahr 2017 erlaubten Ausnahmen vom Abtreibungsverbot sahen sie als "ersten Fuß in der Tür" einer Debatte, die bisher die Kirche mit ihrer Position im Keim erstickt hatte. Eine Debatte, die angesichts von geschätzt 70.000 illegalen und ebenso unsicheren Abtreibungen in Chile pro Jahr dringend nötig ist.

Wobei auch eine straffreie Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch immer wieder verteidigt werden muss. In Deutschland unter anderem gegen Versuche von Abtreibungsgegner:innen, zum Beispiel jegliche Informationen über Abbrüche zu unterbinden. In Argentinien kämpft man gegen die religiöse Überzeugung von im ländlichen Bereich praktizierenden Ärzt:innen an, die eine benötigte Abtreibung mit Verweis auf ihren christlichen Glauben verweigern können. Und immer wieder muss gegen Kliniken vorgegangen werden, die sich weigern, geltendes Recht anzuwenden.

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