Glyphosat: Der Stellvertreterkrieg

Zurück zur aktuellen Debatte.

Manche genannten Kritikpunkte gehen über die Frage der direkten gesundheitlichen Gefahren hinaus. Auch sie verdienen eine sachliche Betrachtung, wie ich sie im Folgenden vornehmen werde.

Behauptung: Die Biodiversität wird zerstört

Einige Glyphosat-Kritiker befürchten, dass durch eine Vernichtung der Unkräuter Lebensraum für Insekten und Vögel verschwindet.

Doch dies gilt für alle Formen der Unkrautvernichtung, für jeden Unkrautvernichter und auch für das händische bzw. mechanische Ausrupfen: In allen Fällen haben es Insekten schwerer, sich in den betreffenden Flächen einzunisten.

Alle Landwirte  – konventionell wie biologisch – haben ein legitimes Interesse, ihren Nutzpflanzen optimale Wachstumsbedingungen zu bieten. Unkräuter und Schädlinge (für die Nutzpflanzen) sind unerwünscht. Gewiss sind die Lebensräume für Insekten und Vögel auf solchen Flächen begrenzt. Doch oft wird übersehen, dass die Artenvielfalt nur auf den eigentlichen Anbauflächen reduziert ist.

Je kleiner die Flächen sind, die wir für die Landwirtschaft benötigen, desto mehr Flächen stehen für die Artenvielfalt zur Verfügung. Wenn kleine Flächen mehr Ertrag bringen, kann dies also sogar zu einer Erhöhung der Artenvielfalt beitragen.

Behauptung: Pflügen statt Pflanzenschutzmittel

Brauchen wir überhaupt Pflanzenschutzmittel? Können wir nicht wie unsere Großeltern pflügen statt spritzen? Auch diese Einwände sprechen  grundsätzliche landwirtschaftliche Überlegungen an, beziehen sich also nicht spezifisch auf Glyphosat.

Das Pflügen bringt erhebliche Probleme für die Umwelt mit sich. Die moderne Landwirtschaft – die sogenannte "No-till"-Landwirtschaft (ohne Pflügen) – verzichtet auf das energieintensive Pflügen, das Kraftstoff kostet und CO2 erzeugt.

In wasserarmen Gegenden kommt noch hinzu, dass dem Boden beim Pflügen Wasser entzogen wird, was geringere Erträge mit sich bringt – ein bedeutender Aspekt angesichts der globalen Erwärmung. Darüber hinaus verringert der Verzicht aufs Pflügen die Bodenerosion. Außerdem entweichen weniger klimaschädliche Stickoxide.

Behauptung: Der Einsatz von Glyphosat führt zur Entstehung von "Superunkräutern"

Auch hier wird ein allgemeines Problem der Landwirtschaft angesprochen. Die Entstehung resistenter Unkräuter ist schlicht Resultat von Evolution. Als Gegenmaßnahme bauen moderne Landwirte in aufeinanderfolgenden Jahren unterschiedliche Nutzpflanzen auf einem Feld an.

Auch wird nichts "totgespritzt", sondern man wendet vielmehr Strategien an, die die Resistenzbildung bei  Unkräutern erschweren – ähnlich wie beim verantwortungsvollen Antibiotika-Einsatz in der Medizin.

Interessenkonflikte und Käuflichkeit

Wenn es um Studien geht, haben wir ein doppeltes Problem.

Einerseits fordert man zu recht, dass die Industrie Studien durchführt, um Nutzen und Risiko ihrer Produkte zu bewerten. Die Unternehmen machen den Gewinn, also sollen auch sie die Kosten für die Prüfung tragen.

Andererseits werden auch einwandfrei durchgeführte Studien von Kritikern gebrandmarkt. Hat beispielsweise eine beteiligte Forscherin zu irgendeinem früheren Zeitpunkt für die Industrie gearbeitet, gilt sie bei Kritikern als "käuflich" oder "korrumpiert".

Was ist aber mit den Interessenvertretern der Bio-Branche, auch wenn sie indirekt über NGOs an der Diskussion teilnehmen? So waren an der IARC-Studie Anti-Gentechnik-Aktivisten beteiligt.

Auch bei ihnen sollte kritisch und sachlich nach Interessenkonflikten gefragt werden – wie bei allen anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch.

Wer Monsanto- und allgemein Industrie-Studien potentielle Interessenkonflikte vorwirft, nicht aber der Bio-Branche oder den NGOs, muss erklären, warum er zweierlei Maß anlegt.

Interessenkonflikte gibt es auf beiden Seiten

Weder Monsanto- noch Greenpeace-Studien sind allein aufgrund des Auftraggebers zu kritisieren. In beiden Fällen können mögliche Interessenkonflikte vorliegen.

Ein Beispiel für jahrzehntelange Trickserei der Industrie sind die Studien zur gesundheitlichen Wirkung des Tabakkonsums. Eine andere Situation zeigt sich aus meiner Sicht in den Bereichen Gentechnik und Glyphosat, wo die größten Täuschungsmanöver von den Gegnern ausgehen.

Gilles-Éric Séralini, der auch gern von Greenpeace beauftragt wird, behauptet, es gäbe einen Zusammenhang zwischen Glyphosat und Tumoren bei Ratten. Berichtet wurde hierüber auch bei der Skepkon 2016.

Séralini musste aufgrund methodischer Mängel die Publikation zurückziehen. Sein Verhalten schrammt hart am ethischen Fehlverhalten vorbei und hat sogar einenWikipedia-Eintrag, gleichwohl blieb der Aufschrei aus.

Kurz: Interessenkonflikte gibt es. Sie sind aber kein Alleinstellungsmerkmal von Industrie und Konzernen. Es gibt sie genauso bei NGOs und Anti-Gentechnik-Aktivisten. Nachgewiesen wurde das Fehlverhalten in Sachen Gentechnik und Glyphosat bei den Gentechnik-Gegnern.

In jedem Fall gilt es, eine These sachlich und wissenschaftlich zu prüfen. Im Fall der globalen Erwärmung beispielsweise liegen Greenpeace und BUND im Einklang mit dem aktuellen Forschungsstand.

Was nun?

Als Basis für gesellschaftliche und politische Entscheidungen es unabdingbar, den der aktuellen Forschungsstand zu kennen. Dieser ist nicht verhandelbar. Es liegt auf der Hand, dass Parlamente je nach Prioritäten und politischer Orientierung unterschiedliche Entscheidungen fällen können und werden.  Was nicht geht, ist politische Willkür, die Fakten ignoriert.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Autors aus dem GWUP-Blog.