Rezension

Gute-Laune-Krimi aus Berlin

Der Held - oder doch wohl besser Anti-Held - dieser Geschichte, der junge Hartung Siegward (genannt "Hasi") Graf von Quermaten zu Oytinghausen, der eben erfolglos sein Studentenleben hinter sich gelassen hat, ist chronisch klamm und immer auf der Suche nach einer neuen Bleibe, meist verbunden mit einer neuen Jobsuche.

Scheinbar geht alles in seinem Leben irgendwann schief, ohne dass er es so richtig mitbekommt, warum. Ohne Abschluss, nur versehen mit seinem wohlklingenden Namen, hat er in der High-Society Scene Berlins zwar einerseits die besten Kontakte, ist andererseits aber ein Tollpatsch und zu anständig für viele Tätigkeiten im harten Berufsalltag des Big-Business. Daran scheitert zunächst ein Job als Makler bei seiner alten Schulbekanntschaft Thomas, einem überdrehten Koks-schniefenden Egomanen.

Der Makler Thomas ist ebenfalls in Geldnöte geraten und gerät im Laufe der Geschichte durch dunkle Kontakte, die ihn vor der Pleite retten, immer mehr auf die schiefe Bahn. Um seinen Finanziers "Geschenke" bieten zu können nutzt Thomas Hasis Kontakte, um an Informationen über interessante Kunstobjekte heranzukommen, die dann prompt entwendet werden. Dabei geschieht ein erster Mord im Affekt, in den Hasi peripher verwickelt ist, was ihn vorübergehend zum Verdächtigen der Polizei werden lässt.

Hasis nächster Job ist das Hüten einer großen Grunewald-Villa voll mit chinesischen Kostbarkeiten der verschiedenen Epochen Chinas. Eine sündhaft teure I-Ging Vase aus der Quianlung-Periode in diesem Haus spielt für den weiteren Verlauf der Geschichte eine zentrale Rolle. Und auf die haben es auch die neuen Freunde von Thomas abgesehen. Eine teure Vase und ein Tollpatsch in einem Haus - das Verhängnis nimmt seinen Lauf: bevor die Bösewichter auch diese Kostbarkeit entwenden können, geht die Vase kaputt, damit wird ein I-Ging Orakel geworfen, was wiederum bei Hasi eine Halluzination - oder doch einen Riß in eine parallele Realität? - auslöst und er ein weiteres Mordopfer sieht, eines Mordes, der (noch) nicht begangen wurde, wie Hasi bald feststellt. Denn er begegnet bald der höchst lebendigen Frau seiner Vision - sie soll ihm helfen die Vase professionell zu reparieren, bevor der Hauseigentümer von seiner Reise zurückkehrt.

Der be.bra verlag und die Autoren stellen das Buch "Der Minutenschläfer" am  21. September 2016 um 20.00 (Einlass ab 19.00) in der Panorama Tanzbar, Strausberger Platz 1, vor.

Ein etwas durchgeknallter Esoterik-affiner Physiker aus seiner Gesprächstherapie-Gruppe hilft ihm bei der Interpretation der I-Ging Orakel, denn Hasi will alles tun, den künftigen Mord an seiner Helferin zu verhindern. Das gelingt - der Preis ist allerdings hoch, er rettet aber nicht nur die junge Frau, sondern löst auch Hasis Problem mit der zerbrochenen Vase. Der Arzt, der die Therapie-Gruppe leitet, stellt auch bei einem der Protagonisten die Diagnose, die dem Buch den Namen gab und löst so ein weiteres Rätsel des Erzählstranges.

Alles in allem ein vergnüglich zu lesender Krimi mit Berliner Lokal-Flair, skurrilen Charakteren, die in Berlin durchaus anzutreffen sein könnten, und einigen originellen Anekdoten. Allerdings baut sich kein wirklicher Spannungsbogen auf, man fiebert fast nie richtig mit, als Film ist das eher ein gute-Laune-Krimi mit interessantem Ambiente als ein Thriller, der an den Nerven zehrt und einem den Atem raubt. Wirkliche Überraschungen sind selten, die Figuren sind durchaus sympathisch, aber oft zu überzeichnet. Die Verhaltensweisen in der Adels- und Kunstszene sowie in der Therapiegruppe könnten der Realität abgeschaut sein, sie wirken jedenfalls glaubhaft - wenigstens im Klischee. Kleine inhaltliche Detailfehler trüben nur für den Kundigen das Bild. Eine nette Lektüre ohne grosse mentale Anstrengung für das Wochenende. Ist ja auch mal ganz schön, die oft trübe Realität für eine Weile hinter sich zu lassen.

Der Rezensent bekennt allerdings freimütig, keine große Krimi-Lese-Erfahrung zu haben.

"Der Minutenschläfer" von Sue & Wilfried Schwerin von Krosigk, erschienen im be.bra.verlag, 288 Seiten, ISBN 978-3-89809-544-0, 10,00 Euro