"Ehe für Alle"

Kein Gefühl zweiter Klasse

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Nachdem klar ist, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der Bundestag am morgigen Freitag die "Ehe für Alle" beschließen wird, versuchen die Gegner mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, dies zu verhindern. Ihnen ist bewußt, dass sie eine Minderheitenmeinung vertreten; um so größer ist das Geschrei.

Den Vogel schießt dabei der CSU-Abgeordnete im Deutschen Bundestag, Philipp Graf Lerchenfeld, ab. Er macht aus der Entscheidung der CDU-Kanzlerin Merkel ein "Vertrauensbruch" durch die SPD. "Die Plötzlichkeit, mit der nun entschieden werden soll" schreibt der Graf, "ist jedenfalls ein Überrumpelungsmanöver der SPD". Möglicherweise ist ihm entgangen, dass die Kanzlerin seiner Schwesterpartei, der CDU, angehört.

Auch Johannes Singhammer, seit 2009 Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, stößt ins selbe Horn. Für ihn braucht ein Kind "Vater und Mutter in ihrer Unterschiedlichkeit". Der Vater von sechs Kindern kann sich einfach nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die – obwohl vom gleichen Geschlecht – ebenso geeignete Eltern sind.

CSU-Urgestein Peter Ramsauer möchte über das Thema am besten gleich gar nicht im Bundestag reden (ob er glaubt, dass man sich dann mit Homosexualität anstecken könne?) und für Martin Patzelt (CDU) ist "die Ehe ist von alters her eine selbstbestimmte, von der Kirche bestätigte Verbindung zwischen Mann und Frau." Von der Kirche gesegnet also muss sein, was in deutschen Schlafzimmern vor sich geht. Diese Zeiten sind glücklicherweise schon längst vorüber.

Michael Kretschmer von der CDU erkennt richtig, dass es hierzulande "bereits eine hohe Toleranz und Akzeptanz gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften" gibt. Weshalb also sollen deshalb gleichgeschlechtliche Paare nicht die gleichen Rechte wie heterosexuellen zugestanden werden? Das kann Herr Kretschmer nicht so recht erklären, nur, dass es "keine Überdehnung dieses Konsenses geben" soll; was immer auch das heißen mag.

Der CSU-Chef Seehofer sieht gar einen Verfassungsbruch darin, dass die Opposition aus Merkels Nebensatz eine demokratische Abstimmung macht. Etwas, das die eigene Koalition umgehen wollte. Zudem noch eine namentliche Abstimmung im Bundestag fordert, auf dass sich die Ewiggestrigen guten müssen. Nun, da SPD und Grüne die beiläufig hingeworfene Chance ergreifen, spricht die CDU/CSU von "Koalitionsbruch" – wohl vergessend, dass es die CDU-Chefin war, die "Kraft ihrer Wassersuppe" eine so weitreichende Entscheidung an ihrer eigenen Fraktion vorbei traf.

Auch die katholische Kirche ist über die aktuelle Entwicklung not amused. Die Bischöfe bedauern, dass der "Ehebegriff aufgelöst werden soll und damit die christliche Auffassung von Ehe und das staatliche Konzept weiter auseinandergehen." Jedoch: Die unverheirateten Herren von der katholischen Kirche werden sich mit der Säkularisierung der Gesellschaft wohl anfreunden müssen.

Ganz anders die evangelische Kirche, die die "Ehe für Alle" begrüßt: Da damit "auch für gleichgeschlechtlich liebende Menschen, die den Wunsch nach einer lebenslang verbindlichen Partnerschaft haben, der rechtliche Raum vollständig geöffnet wird, in dem Vertrauen, Verlässlichkeit und Verantwortung durch gesetzliche Regelungen geschützt und unterstützt werden."

Der Journalist Matthias Schumacher bringt das ganze Kartenhaus an Scheinargumenten der Gegner der "Ehe für Alle" mit wenigen Worten zum Einsturz:

"Es geht nicht um den Begriff Ehe. Es geht um Recht und Gerechtigkeit. Und Liebe. Liebe, ein Begriff der sich weder im Bürgerlichen Gesetzbuch noch im Grundgesetz findet. Ein Gefühl, das weite Teile unseres Handelns bestimmt, das vieles leichter und erträglicher macht. Ein Gefühl, das, wenn es gleichgeschlechtliche Partner für einander empfinden, kein Gefühl zweiter Klasse mehr sein darf."