"Spotlight" in Deutschland - die Recherchen des Journalisten Peter Wensierski

Die Mauern des Schweigens aufbrechen

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Peter Wensierski
Peter Wensierski

BERLIN. (hpd) "Null-Toleranz" gegenüber sexuellen Missbrauch im Raum der Kirchen, auch der weltweit agierenden katholischen Kirche, ist das formulierte Ziel von Peter Wensierski. Mit seiner journalistischen Arbeit setzt er dazu in Deutschland seinen Fußabdruck. Seine Beiträge leistet er selbstverständlich und ohne jeden Wirbel. Der Umfang ist beeindruckend.

Die Besonderheit seiner Arbeit ist hier referiert anhand der Anzeige von Alexandra Wolf: Am 26. März 2016 macht der Spiegel die Anzeige ihres Missbrauchs erstmals öffentlich. Zugrunde liegt die Recherche von Peter Wensierski. Die ging an den Behörden nicht vorbei, die Staatsanwaltschaft Würzburg nahm am erst möglichen Arbeitstag nach der Veröffentlichung ihre Ermittlungen auf.

In dem Missbrauchsvorwurf gegen den von 2002 bis 2010 im Bistum Würzburg eingesetzten Missbrauchsbeauftragten hatte zuvor die Katholische Kirche ihre Akten geschlossen. Das Signal dazu kam aus Rom von der Kongregation für die Glaubenslehre am 12. Dezember 2015 mit der Begründung: "Der Missbrauch könne nicht bewiesen werden."

Die Parallele zeigt der Film "Spotlight". Er läuft aktuell in unseren Kinos und zeigt wie in Boston/USA, die Journalisten des Boston Globe, Matt Caroll, Sacha Pfeiffer, Michael Rezendez und Walter V. Robinson einen Missbrauchsskandal der Katholischen Kirche aufgedeckt haben.

Gegen mehr als 400 Geistliche war in Folge dessen wegen sexueller Gewalt und Missbrauch staatsanwaltschaftlich Anklagen erhoben worden, die größtenteils zu Verurteilungen und Haftstrafen führten. Der Erzbischof von Boston,  Kardinal Bernhard Law, entkam dem Staatsanwalt durch Flucht und lebt seither geschützt im Vatikan.

Die investigative Recherche der "Spotlight"-Redaktion begann 2001, wurde 2002  veröffentlicht und ist die Vorlage zum Film "Spotlight" geworden. Der Initiator dazu war Marty Baron, der neue Chefredakteur vom Boston Globe. Er kam mit "frischer Perspektive aus Florida," dem US-Bundesstaat, mit hervorragenden Gesetzen zur öffentlichen Akteneinsicht.

Missbrauch durch Geweihte und ihre Vertuschung wurde in Boston schon 2012 aufgedeckt. Würzburg ist jetzt im Fokus. In beiden Diözesen zeigten Opfer ihren Missbrauch der kirchlichen Institution an. Die Anzeigen blieben geheim in deren Schubladen und Schreibtischen stecken. In Würzburg fand die Anzeige am 12. Dezember 2015 mit dem Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre aus Rom ihren Abschluss.

Peter Wensierski begann mit seinen Recherchen über Missbrauch durch Geistliche Jahre zuvor. Seit 1993 arbeitet der Journalist, Autor und Filmemacher für den Spiegel. In Würzburg ist ihm in den vergangenen Wintermonaten eine Recherche gelungen, die am 26. März 2016 mit dem Titel "So ein bisserl liebevoll" im Spiegel veröffentlicht wurde und die Staatsanwaltschaft  veranlasste, Ermittlung aufzunehmen. Denn Missbrauch unterliegt dem deutschen Strafrecht und ist nicht von einer Institution mit Vergünstigungen ihrer Mitglieder "nebenbei" und unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Kirchengerichtsverfahren abzuwickeln.

So ist der Vorgang, der, wenn es im Sinne der Kirche geblieben wäre, keine Zukunft haben sollte, öffentlich geworden und hat einen unvorhersehbaren Verlauf genommen. Das Bistum Würzburg blieb bei seiner Verteidigungsposition, wies am 27. März 2016 die Verdachtsmomente gegen den Geistlichen als mutmaßlichen Täter zurück. Für das Opfer, das bei einem Missbrauchsverdacht im Mittelpunkt steht, so proklamiert es die Kirche, fand das Bistum weiterhin kein Wort. Am 30. März 2016 spricht die Frau. Sie beklagt dem Bayerischen Rundfunk gegenüber die Vertuschung der Kirche als einen zweiten Missbrauch.

Die "Spotlight"-Arbeit - Der Journalist Peter Wensierski:

Das wichtigste ist für Opfer nicht unbedingt eine Entschädigung. Auch wenn sie sich nach Jahren des Schweigens zum Sprechen entscheiden, möchten sie, dass über ihr Schicksal berichtet wird und wenden sich an Journalisten. Opfer entscheiden sich häufig dafür, mit ihrem eigenen Namen zu berichten. Sie wollen über den Missbrauch sprechen und dass die Öffentlichkeit sich damit auseinandersetzt. So ein erster Konatakt kann der Beginn einer Recherche werden. Im Rahmen seiner Arbeit sei ihm klar geworden, so Wensierski, in der katholischen Kirche reiht sich ein Missbrauchsvorwurf und –fall an den anderen.

Bei der Missbrauchs-Anzeige in Würzburg ist es ihm gelungen, Einblick in die internen Akten eines Kirchengerichtsverfahrens mit Vernehmungsprotokollen und Briefwechseln etc. zu bekommen. Mehr als 1.000 Seiten liegen vor. Er sei erschrocken über die Datenmenge gewesen, die die Kirche über das Opfer zusammengetragen hatte. Dabei waren auch medizinische Daten, Blutbild und Zeugnisse. Es ging wohl darum, alles über dieses Opfer zu erfahren. Das ist zum Teil mit dem Einverständnis des Opfers geschehen, das im guten Glauben dachte, damit dem Verfahren zu dienen.
Wensierski dazu: "Ich halte das für nicht in Ordnung, so mit einem Opfer umzugehen. Es ist erschütternd zu sehen, wie die katholische Kirche nach sechs Jahren Missbrauchs-Debatte immer noch am Anfang steht. Die katholische Kirche will offenbar nicht begreifen, wie es einem Opfer geht, das seinen sexuellen Missbrauch anzeigt, auch wenn  eine lange Zeit zuvor vergangen ist. Aus seiner Sicht gibt viele Gründe, eine Anzeige aufzuschieben, z. B. weil einem nicht geglaubt wird, weil niemand glauben will, weil man mit einer Anzeige Außenseiter werden könnte, weil die Familie katholisch ist oder der Täter aus dem Umfeld kommt.
Einen Fall, der 20 oder 30 Jahre später angezeigt wird, muss man genau so ernst nehmen, als wäre die Tat in der vergangenen Woche passiert. Man muss versuchen, aufzuklären und wenn das nach so vielen Jahren nicht geht, dann muss die katholische Kirche das tun, was sie versprochen hat: In erster Linie zu helfen, das Leid des Opfers zu mindern.

Bei diesem Fall in Würzburg ist von Seiten der Kirche alles getan worden, den Täter zu entlasten, für das Opfer hingegen wenig, eigentlich nichts, das ist aus den Akten zu erfahren. Dabei könnte es einfach sein, Opfer und Betroffene Hilfe und Trost. Aber das Gegenteil geschieht. Siehe Spiegel.de/video

Der Fall

Zurück zum Jahr 1988. Mutmaßlicher Tatort ist das Besprechungszimmer im Exerzitienhaus Himmelspforten, Würzburg. Es ist der spätere Treffpunkt der Deutschen Bischofskonferenz, an dem u. a. die "Leitlinien zur Bewältigung von sexuellen Missbrauch" entstanden sind.
Sie sei zum Oralverkehr gezwungen worden, sagt die damals 17jährige Tochter eines künftigen Diakons, der mit seiner Familie an diesem Tag in das Exerzitienhaus eingeladen worden war. Katholisch sozialisiert schweigt sie über das Geschehen. Ihre Eltern sind beide dem Glauben verbunden, sie bemerken eine Verhaltensänderung an ihrer Tochter. 2012 erfahren die Eltern den Hintergrund und den Namen des allseits wohlbekannten Priesters. Die Mutter ergreift die Initiative und informiert per Telefon das Büro des Würzburger Bischofs, Friedhelm Hofmann, zeigt den Missbrauch der minderjährigen Tochter an.
Gutgläubig erwartet die Familie, das Wort des Bischofs Hofmann werde sich mit Taten füllen, eine Untersuchung eingeleitet. Hatte er doch allgemein zum Missbrauch gesagt, man werde auf Betroffene zugehen: "Wir brauchen den Kontakt zu den Opfern, die im Mittelpunkt stehen."

Trotz Verdacht auf Straftat, die Kirche bleibt intern

Gegenüber dem Opfer Alexandra Wolf und ihren Eltern geschieht erst einmal nichts. Ende 2013 fragt sie im Büro des Erzbischofs nach und mahnt die versprochene Aufklärung an. Ihre Anzeige wäre persönlich zu stellen gewesen, damit meldet sich der damals amtierende Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand bei dem Opfer zurück. Am 9. Januar 2014 gab dann Alexandra Wolf ihre Vorwürfe persönlich zu Protokoll. 

2010 hatte es in der Diözese Würzburg eine Personal-Änderung gegeben. Prof. Dr. Klaus Laubenthal, Jurist und Lehrstuhlinhaber für Kriminologie und Strafrecht an der Universität Würzburg, wurde zum Missbrauchsbeauftragten berufen. 
Ihm gegenüber beschuldigt Alexandra Wolf den damaligen Personalreferenten und  späteren Missbrauchsbeauftragten (2002 – 2010) des Bistums Würzburg als Täter. Sie habe früher Anzeige erstatten wollen. Eine Hürde aber sei für sie nicht zu überwinden gewesen: Der Täter und der Missbrauchsbeauftragte der Diözese waren ein und dieselbe Person.

Laubenthal erfährt erstmals an diesem Tag, dass der Missbrauchsvorwurf  seinen Vorgänger belastet. Er sucht das Gespräch mit dem Beschuldigten. "Ja",  sagt dieser, als Ort käme wohl Himmelspforten in Frage.  Dort sei er unüblicherweise mit der damals Minderjährigen alleine in einem Raum gewesen. 

Weiter geht es hier jetzt mit einem Zitat aus dem Spiegel: "Laubenthal fragte nach, ob das Mädchen in dem Raum eine Hose getragen habe. Nach über zwei Jahrzehnten antwortete der Priester: "Nein, etwas Kürzeres. Ich meine, ein gelbes Kleid." Zu einem sexuellen Übergriff gefragt, sagt er: "Nein."

Laubenthal begann, so Wensierski im Spiegel weiter, "... die Plausibilität ihrer Vorwürfe (Alexandra Wolf – Anmerkung hpd)  zu überprüfen. Zwei Monate später stand für ihn, Laubenthal, fest, dass tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs an einer minderjährigen Person durch Herrn Dr. Friedrich Stein vorliegen", somit bestehe wahrscheinlich eine Straftat und die Staatsanwaltschaft sei einzuschalten.

"Der Missbrauch konnte nicht bewiesen werden" - Kirchengerichtsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit:

Trotz der Einschätzung des Missbrauchsbeauftragten Prof. Dr. Klaus Laubenthal gab es keine Vorstellung des Falls bei der Staatsanwaltschaft. Die leitenden Kirchenmänner stärkten sich hier gegenseitig den Rücken, man "vertraue sich voll", so hieß es. Einbezogen in die Runde war der Bischof Hoffmann, ebenso der Generalvikar Hillenbrand.  Man händigte dem Beschuldigten sogar Akten zum Fall aus und gewährte ihm dadurch Einflussnahme auf den "Umgang mit dem (eigenen) Fall". Obendrein nahm der mutmaßliche Täter teil an der Entscheidung, den Staatsanwalt nicht einzuschalten. Man entschied sich für die Weitergabe an das Kirchengericht München. 

Damit landete wie viele andere Missbrauchs-Anzeigen auch dieser in der "katholischen Paralleljustiz". Von Wensierski recherchiert, im Spiegel zu lesen: 22 Kirchengerichte arbeiten in Deutschland unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Staatliche Gerichte können deren Arbeit nicht überprüfen, Akten und Beschlüsse bleiben kirchenintern. "Der Missbrauch konnte nicht bewiesen werden", kam von dort der Schlusspunkt. Von diesem Zeitpunkt an nahm die Anzeige des Missbrauchs seinen außergewöhnlichen Verlauf. 

Die kompletten Unterlagen des Münchner Kirchenrechtsverfahren einschließlich der Vernehmungsprotokolle des Beschuldigten und der Zeugen sowie der ausführliche Bericht der Voruntersuchung kamen in die Hände des Journalisten Wensierski. Dieser nahm die Recherche auf und stellt fest:

Das Opfer hatte einem aussagepsychologischen Gutachten unter der Bedingung zugestimmt, bei ihrer Untersuchung möge auf das Beisein des Verfahrensleitenden Kirchengerichts-Vorsitzenden verzichtet werden. Ihrem Wunsch wurde nicht stattgegeben. Professor Dr. Norbert Nedopil, München, wurde beauftragt, ein Gutachten über das Opfer nach Aktenlage zu erstellen. Anders bei dem Tatverdächtigen, von ihm wurde kein aussagepsychologisches Gutachten bzw. Profil erstellt.

Als Opfer steht Alexandra Wolf mit vollen Namen in der Öffentlichkeit, währenddessen der Beschuldigte im Täterschutz der Öffentlichkeit gegenüber anonymisiert bleibt, als vermutlicher Täter, Beschuldigter, hoher Geistlicher, Priester, Kleriker etc. 

Das Bistum führt über den Missbrauchsvorwurf eine Chronoloigie

Im Fokus – die Institution Katholische Kirche

Die Katholische Kirche ist eine geschlossene Gesellschaft. An ihrer Spitze steht der Pabst, man kann auch sagen, der "Papst hat das Heft in der Hand", (Spiegel, Schwarz / Wensierski  24.06.2002). Die Priester-Weihe ist die Aufnahme in den Klerus, die Inkardination. Von diesem Moment an handeln Geweihte für die Kirche im Namen Christi. Damit sind die in eine Sphäre paralell der bürgerlichen Rechte gehoben. Auch ist ein Rechtsverhältnis durch die Inkardination entstanden, das den Geweihten Schutz und Beschäftigung bei der Kirche sichert. In den USA genießt ein Mitglied der Kirche keinen besonderen Schutz. Wird eine Straftat bekannt, schaltet sich dort die Staatsanwaltschaft ein. In Deutschland gibt es eine besondere Linie:

Hier hat sich die katholische Kirchen selber eine "Kompetenz-Kompetenz"

zugesprochen, mit der sie darüber entscheidet, worüber sie entscheidet.  Für die  Öffentlichkeit unübersehbar wurde dieses mit dem 24-Stunden-Ultimatum, mit dem Erzbischof Robert Zollitsch der damaligen Justizministerin Leutheusser–Schnarrenberger die Rücknahme ihrer Äußerung abforderte: Die katholische Kirche würde sich nicht mit besonderer Beteiligung an der Aufklärung des Missbrauchs-Skandals auszeichnen. Zollitsch zog sich auf die Anweisung des damaligen Vorsitzenden der Glaubenskongration, Kardinal Josef Ratzinger aus dem Jahr 2001 zurück. Ihm, Ratzinger, seien alle Fälle "sündig" gewordener Priester zuzustellen.

Tritt der Fall ein, dass ein Geweihter ‚sündig’ geworden ist, steht die Institution einer schwierigen Aufgabe und der Entscheidung gegenüber,;wie wirkt sich sein Vergehen auf die geschlossene Gemeinschaft der katholischen Kirche aus? Die Frage hat die Institution getroffen.  Offenheit wird proklamiert, umgesetzt ist diese Forderung nicht.

In Deutschland sind diskrete Beseitigungen von Tatvorwürfen, manchmal auch misslungene Versuche bekannt geworden. Missbrauchsbeauftragte verhandeln direkt mit Opfern. Gegen eine Zahlung von € 3.000, € 5.000, 9.000 auch von € 25.000 bestätigen Opfer ihr Schweigen per Unterschrift. Öffentlichkeit und  Staatsanwaltschaft werden rausgelassen. Das Gesetz des Schweigens funktioniert in Deutschland zumeist, wenn auch nicht immer und gilt vorrangig für die sogenannten "verjährten" Fälle.

Einem Druck konnte sich die Kirche in Deutschland nicht entziehen. Sie reagierte mit einer Einigung, nicht verjährte Tatvorwürfe der Staatsanwaltschaft zu übergeben. Das könnte zur Anerkennung der Opfer führen, hat aber einen Haken: Der Beklagte kann sich mit seiner Einrede zur Verjährung vor Aufklärung schützen.  Nutzt der Beklagte die Möglichkeit zur Verjährung, ist eine mögliche Anklage verfallen, der Beklage einer  Strafverfolgung entgangen.

An die katholische Kirche wurde appelliert, so wie auch bei Menschenrechts-Verfahren üblich. eine Einrede auf Verjährung nicht zu nutzen. Dazu wurde bisher aber nichts bekannt.

Aus Vatikan-Papieren zu sexuellem Missbrauch geht hervor: Allein 2011 und 2012 lag die Zahl der von der katholischen Kirche ausgeschlossenen, profanisierten Priester weltweit bei rund 400.

Peter Wensierski – kurz und bündig

Peter Wensierski findet, die katholische Kirche tue sich schwer mit der Umsetzung ihrer Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Geistliche:

2010 sagte der Münchner Kardinal Reinhard Marx: "Wir werden die Opfer in den Mittelpunkt stellen." Fünf Jahre später kommt das Signal von dem Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann: "Wir haben eine ganz andere Kultur im Umgang mit den Opfern, eine Sensibilität."

Wensierski findet es unglaublich: Mit Bekanntwerden der Missbrauchsbeschuldigung 

in Würzburg gehen die kirchlichen Institutionen für den Beschuldigten in eine Verteidigungsposition. Dem Opfer nimmt sich niemand an.

Von dem Beschuldigten wird keine Täter-Risiko-Analyse erstellt. Über ihn wird nicht recherchiert, man will diskret bleiben. Der Beschuldigte wirkte mit an der Entscheidung, der Fall sei nicht dem Staatsanwalt vorzustellen.

Wenn ein Mann der Kirche des sexuellen Missbrauchs beschuldigt und auch noch angezeigt wird, wendet sich die Stimmung wohl erst einmal in jeder katholischen Gemeinde gegen den Anzeigeführenden und gegen die Ermittler. Das ist nicht nur in Bayern so, sondern überall, wo Menschen im katholischen Milieu verwurzelt sind. Die Eltern waren vielleicht Ministranten, die Freude ebenso. So war es in Regensburg, in Hildesheim, dem Canisius Kolleg in Berlin (Anmerkung hpd:  Mit einer Geldstrafe von 4.000 Euro verurteilt das Kirchengericht des Erzbistums Berlin 2013 einen Haupttäter. Der heute 72-jährige bleibt Priester, darf das Amt aber nicht mehr ausüben).

Wensierski wundert sich auch über eine Antwort des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann im Jahr 2002. Auf die Frage nach dem Skandal um hunderte pädophiler Priester in den USA und den Umgang damit, antwortete  der Kardinal, er werde sich den Schuh der Amerikaner nicht anziehen, der passe ihm nicht. Spiegel 24.06.2002, "Der Papst hat das Heft in der Hand" von Ulrich Schwarz/Peter Wensierski http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-22955262.html

"Es wirft auch ein Schlaglicht auf die Kultur des Wegschauens" wenn der pädophile, mehrfach aufgefallene und verurteilte Priester Wolfdieter Weiß (Anm. hpd: Bistum Würzburg) vom kirchlichen Umfeld gestützt, in seiner Einbildung unschuldig zu sein, mit Hilfe eines Generalvikars als Seelsorger erst einmal in weiteren Pfarreien des Bistums Würzburg eingesetzt wird. Verständnisvolle  Worte für "Wolfdieter" und ein Brief, in dem sich ein Kirchenmann brüstete, den lieben Wolfdieter vor Strafe zu schützen: "Ich behauptete damals auch,  innerhalb der Kirche seiest Du im Rahmen der Richtlinien freigesprochen worden ..."

Eine Wende auf eine Null-Tolerenz-Linie tritt aus der Erkenntnis dieses Falles ein bei dem Generalvikar des Erzbistums Würzburg, Dr. Karl Hillenbrand, (verstorben 2014): "Missetäter brauchen ein schützendes Umfeld, Sympathisanten und Personen in ihrem Umkreis, die sie tolerieren".

Spiegel 20.04.2009 Missbrauch "Unter Brüdern" http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-65089070.html

U. a. recherchierte und schrieb Peter Wensierski 

Spiegel 27.01.2016 "Bistum Hildesheim: Familientragödie über zwei Generationen"
Dieser Artikel bewegte u. a. von der Bundesregierung eingesetzten unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, einen unabhängigen Ermittler für diesen Fall in Hildesheim zu fordern. http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/bistum-hildesheim-familientragoedie-ueber-zwei-generationen-a-1074031.html

Wensierski schrieb u. a. den Artikel "Die verirrten Hirten" und stellte fest, vierzig Jahre nachdem sich ein Priester an einem Ministranten über Jahre hinweg verging, hat die katholische Kirche Deutschland erstmals sexuellen Missbrauch entschädigt ...

Spiegel 05.12.2005 Kirche "Die verirrten Hirten" http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43510763.html

Spiegel 21.09.2002 Kirche "Brandbrief nach Rom"
"Mit der Aufklärung von Missbrauchsfällen lässt sich das Bistum Mainz sehr viel Zeit. Nun hoffen die Opfer auf Beistand vom Papst. Erstmals schreibt ein 14jähriges Opfer an den Heiligen Vater über seinen Missbrauch durch katholischen Pfarrer Norbert E. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-25211797.html

Spiegel 15.07.2002 Katholische Kirche "Vertuschen und versetzen"
Als der Papst die amerikanischen Bischöfe für eine Vielzahl sexueller Übergriffe rügte, begann eine weltweite Debatte. Nur die deutschen Bischöfe taten, als gehe sie die Problematik nichts an. Tatsächlich gibt es Parallelen zu den USA - auch die deutschen Opfer wollen nicht länger schweigen. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-23215434.html