Für das Recht auf Leben, Sicherheit, Gesundheit und Bildung

Solidarität mit afghanischen Mädchen und Frauen

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Europäisches Parlament In Straßburg
Europäisches Parlament In Straßburg

Heute gibt es weltweit Veranstaltungen anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen. In Brüssel organisierte die Coordination des associations européennes solidaires des femmes d’Afghanistan (Vereinigung der mit den afghanischen Frauen solidarischen europäischen Vereinen) Pressekonferenz und Kundgebung vor dem Europäischen Parlament. Der hpd veröffentlicht hier einen Aufruf zur Veranstaltung.

Der militärische Rückzug der USA aus Afghanistan am 31. August dieses Jahres hat das Land in vielerlei Hinsicht in eine schreckliche Krise gestürzt und den Taliban den Weg zur Rückkehr an die Macht geebnet. Wir erinnern uns noch an die Bilder, die von Mitte der 1990er bis zum Sturz des Regimes im Jahr 2001 um die Welt gingen. Sie zeigen in ihren Tschadors gefangene Frauen, die blauen Schatten gleichen und nur noch heimlich durch die Straßen gehen konnten.

Doch die Frauen Afghanistans begannen wieder zu leben, sich um sich zu kümmern, auszugehen, Friseur- und Schönheitssalons zu besuchen, zu studieren, zu arbeiten, Sport zu treiben, kurzum, auf verschiedenste Weise aktiv zu werden. Mädchen nahmen ihre Schultaschen wieder auf den Rücken und gingen zur Schule. Diese Sichtbarkeit markierte ihre Rückkehr in den öffentlichen Raum und das öffentliche Leben. In zwanzig Jahren wurde vieles erreicht. In einem Land, das den Tiefpunkt aufgrund von Unsicherheit, politischer Instabilität, Korruption und unaufhörlichen Kämpfen zwischen Clans nur mühsam überwinden konnte, wurde die Hoffnung auf ein besseres Leben geweckt.

In all diesen Jahren konnten Mädchen und Frauen einen echten Wandel bewirken.

Im vergangenen Jahr besuchten 3,5 Millionen Mädchen und junge Frauen die Schule, 100.000 Frauen studierten an staatlichen und privaten Universitäten, Tausende von ihnen wurden zu Leiterinnen von Unternehmen, 500 Frauen waren als Richterinnen und Staatsanwältinnen tätig und 12.000 Frauen waren bei der Polizei und der Armee beschäftigt. Dieser Aufschwung wurde abrupt unterbrochen, als die Taliban das Gebiet wieder an sich rissen. Doch diese Frauen sind immer noch dort und immer noch bereit, ihr Werk und ihre Wege fortzusetzen.

Darüber hinaus steht das Land am Rande einer sehr schweren humanitären Krise. Rund 22,8 Millionen Afghanen, also mehr als die Hälfte der Bevölkerung, werden diesen Winter nicht genug Nahrung haben. Bis zum Jahresende werden 3,2 Millionen Kinder unter fünf Jahren an akuter Unterernährung leiden. Das führt dazu, dass Familien ihre kleinen Töchter an weitaus ältere Männer verkaufen und Tausende von Kindern auf den Straßen an den Rand der Sklaverei getrieben werden. Worauf warten wir, um zu handeln?

Als europäische Frauen mit unterschiedlichen Hintergründen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren, sind wir sehr beunruhigt über die Lage unserer afghanischen Schwestern. Die Nachrichten, die uns von dort erreichen, sind alarmierend. Die Frauen leben in schrecklicher Angst und fürchten um ihr Leben und das ihrer Kinder. Einige begehen Selbstmord, andere werden hingerichtet.

Anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen sprechen wir den Frauen in Afghanistan unsere faktische und aktive Solidarität aus. Deshalb wenden wir uns an die Regierungen unserer Staaten sowie an die Europäische Union, damit unsere EntscheidungsträgerInnen die gefährliche Lage erkennen und ihrer Verantwortung gerecht werden.

  • Für uns ist die Anerkennung des Taliban-Regimes keine Option. Ganz im Gegenteil. Sie wäre ein Verrat an unseren europäischen Werten. Es muss eine klare und unmissverständliche Botschaft an die Taliban gesendet werden, die klarstellt, dass das Leben, die Sicherheit, die Gesundheit und die Bildung von Mädchen und Frauen keine verhandelbaren Rechte sind. Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, um Europa daran zu erinnern, dass es notwendig ist, als kohärenter Block aufzutreten, zu kommunizieren und zu handeln, um seine Kraft ebenso einzusetzen, wie es andere Mächte auch tun.
  • Wir plädieren für eine Rückkehr der humanitären Hilfe aus Europa und fordern, dass diese an die Verbesserung der Lebensbedingungen der Mädchen und Frauen geknüpft wird. Mädchen müssen wieder zur Schule gehen, denn Bildung ist ihr bester Wegbereiter.
  • Darüber hinaus setzen wir uns für die Aufnahme von weiblichen Geflüchteten ein. Tausende Frauen wurden zur Flucht gezwungen. Einige von ihnen mussten in Eile sowie ohne Aufenthaltsgenehmigung nach Europa aufbrechen und einen Teil ihrer Familien in der Heimat zurücklassen. Unsere Staaten müssen sich dieser Situation gewachsen zeigen und die Überlebenden aufnehmen, wie es sich gebührt. Diese Aufnahme ist nicht nur Aufgabe der Staaten. Sie ist die Aufgabe jeder sowie jedes Einzelnen und der Gesellschaft als Ganzes.

Wir rufen daher zu einer breiten Mobilisierung und einer Zusammenkunft am 25. November um 12.00 Uhr vor dem Europäischen Parlament auf, um unsere Stimme für die Solidarität mit und die Aufnahme von Frauen aus Afghanistan zu erheben.

ErstunterzeichnerInnen: Assemblée des femmes; Association des Femmes de l'Europe Méridionale (AFEM), Association pour la promotion de la culture berbère au Luxembourg; Centre Communautaire Laïc Juif (CCLJ); Collectif Laïcité Yallah; Zentralrat der Ex-Muslime Deutschland; Conseil des Femmes Francophones de Belgique (CFFB); European Association for The Defense of Minorities; Femmes Solidaires; Frauen für Freiheit e. V.; International Women in Power; La Fondation Anne-Marie Lizin; La Palabre; Les Résilientes; les VigilantEs; Ligue du Droit International des Femmes; Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung; Mouvement Pour la Paix et Contre le Terrorisme; NEGAR-Soutien aux Femmes d’Afghanistan; Observatoire Féministe des Violences faites aux Femmes; Regards de Femmes; Réussir l’Égalité Femmes-Hommes; Synergie Wallonie pour l’Egalité entre les Femmes et les Hommes; Valeurs et Spiritualité Musulmane de Belgique; Women's Initiative for Citizenship and Universal Rigths