BVerfG erklärt Verbot der Münchener "Heidenspaß-Party 2007" für verfassungswidrig

Tanzverbot an Karfreitag gilt nicht schrankenlos

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Das Sitzungssaalgebäude des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe
Das Sitzungssaalgebäude des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem gestern veröffentlichten Urteil entschieden, dass Artikel 5 des Bayerischen Feiertagsgesetzes (FTG) mit der Weltanschauungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit unvereinbar und somit nichtig ist. Damit folgt das Gericht einer Verfassungsbeschwerde des BfG München, dessen "Heidenspaß-Party an Karfreitag" vor mehr als 9 Jahren verboten worden war. Die Giordano-Bruno-Stiftung hatte die Verfassungsbeschwerde von Beginn an unterstützt.

Warum sollte ein humanistischer Freigeist als Ausdruck seiner religionsfreien Weltanschauung an Karfreitag nicht tanzen dürfen? Diese Frage stellte sich Assunta Tammelleo (damalige Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit (BfG) München sowie Beirätin der Giordano-Bruno-Stiftung) und rief für den Karfreitag 2007 zu einer Veranstaltung im Münchener Oberanger-Theater auf. Der Titel der Veranstaltung: "Religionsfreie Zone München 2007 – 6. Atheistische Filmnacht mit Pralinenbuffet und Heidenspaß-Party". Offensichtlich war diese Ankündigung für die Verwaltungsbehörde in München zu provokativ. Daher untersagte sie die "Heidenspaß-Party", bei der die Band "Heilig" zum "Freigeister-Tanz" aufspielen sollte, mit der Begründung, dass eine solche Party mit den Beschränkungen des Feiertagsgesetzes für den Karfreitag als besonders geschütztem "stillen Tag" nicht vereinbar sei.

Der BfG München legte gegen diesen Beschluss Widerspruch ein und klagte sich zunächst erfolglos durch mehrere Instanzen. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht den Klageweg nicht zuließ, war der Weg frei zum Bundesverfassungsgericht. Zur Unterstützung der Verfassungsbeschwerde reichte die Giordano-Bruno-Stiftung eine ausführliche Stellungnahme in Karlsruhe ein, die von Gerhard Czermak (ehemaliger Verwaltungsrichter und GBS-Beirat) sowie Michael Schmidt-Salomon (Philosoph und GBS-Vorstandssprecher) formuliert wurde.

In der GBS-Stellungnahme, auf die in der Urteilsbegründung des BVerfG auch Bezug genommen wurde, heißt es u.a.: "Während die Veranstaltung des Beschwerdeführers zu keinem Zeitpunkt eine Beeinträchtigung der religiösen Betätigung von Christen darstellte, wurde durch das städtische Veranstaltungsverbot die weltanschauliche Betätigung der Mitglieder des bfg München im höchsten Maße beeinträchtigt. Daher verstoßen sowohl der Bescheid der Stadt München als auch die darauf folgenden Gerichtsurteile wie auch das zugrundeliegende FTG gegen die Prinzipien der Verfassung." Besonders betonten die Autoren dabei den Umstand, dass das Bayerische Feiertagsgesetz an Karfreitag keine Ausnahmeregelungen vorsieht: "Die gesetzliche Regelung ist auch deshalb verfehlt, weil sie nur grob schematisch verfährt und daher den unterschiedlichen Aktivitäten nicht ausreichend Rechnung trägt. Zumindest das Fehlen einer Befreiungsmöglichkeit in § 5 FTG für den Karfreitag macht das Verbot verfassungswidrig."

Dieser Auffassung ist nun auch das Bundesverfassungsgericht gefolgt. Es hat das Tanzverbot an Karfreitag nicht gänzlich aufgehoben, wie es Czermak und Schmidt-Salomon in ihrer Stellungnahme empfohlen haben. Wohl aber hat das Gericht klar gemacht, dass es Ausnahmeregelungen für Weltanschauungsgemeinschaften wie den BfG München geben müsse. Der weltanschaulich neutrale Staat darf nach der Entscheidung in Karlsruhe organisierten Freigeistern nicht mehr das Recht absprechen, ihre vom Christentum abweichende Bewertung der "stillen Tage" durch "Heidenspaß-Partys" und "Freigeister-Tanzveranstaltungen" zum Ausdruck zu bringen. Eine bemerkenswerte Entscheidung, die die weltanschauliche Schieflage der bestehenden Feiertagsgesetze zwar nicht aufhebt, aber immerhin ein wenig korrigiert.

Fakt ist: Der nächsten "Heidenspaß-Party" an Karfreitag 2017 steht nun nichts mehr im Wege. "Ich gehe davon aus, dass ich den nächsten Karfreitag wohl in München verbringen werde!", erklärte GBS-Sprecher Michael Schmidt-Salomon gutgelaunt und gratulierte der ehemaligen Vorsitzenden des BfG München Assunta Tammelleo für ihr Durchhaltevermögen. "Es ist wichtig, dass wir solche Urteile erstreiten, denn nur auf diese Weise kann es uns gelingen, der übermäßigen Privilegierung der Großkirchen in Deutschland entgegenzuwirken."


Zitat aus der GBS-Stellungnahme:

So wie es Christen innerlich erschüttern mag, dass Religionsfreie an Karfreitag tanzen möchten, ist es für Religionsfreie erschütternd, dass Christen zu einem Gott beten, der seinen "eingeborenen Sohn" hinrichten ließ, um "die Welt zu erlösen". Der Staat hat nicht die Aufgabe, zwischen diesen beiden konträren Weltanschauungen zu vermitteln oder gar eine der beiden Perspektiven zu privilegieren. Er hat vielmehr dafür zu sorgen, dass sich jede Bürgerin und jeder Bürger im Rahmen der Verfassung weltanschaulich so betätigen kann, wie er oder sie es möchte. Diesem Anspruch genügt das FTG längst nicht mehr, es ist heute ebenso überholt, wie es einst die christlichen "Sittlichkeitsparagraphen" waren, die im Zuge der Großen Strafrechtsreform abgeschafft wurden. Die Feiertagsgesetze bedürfen einer grundlegenden Reform – nicht nur in Bayern, sondern bundesweit.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Originalwortlaut (1 BvR 458/10)

Die GBS-Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde (PDF)

Erstveröffentlichung: Giordano-Bruno-Stiftung.