Kommentar

Warum die Theologie keine Wissenschaft ist

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BERLIN. (hpd) Die Theologie gilt als eine der ältesten Wissenschaften, die an unseren Universitäten etabliert sind. Von jeher war die Glaubenslehre jedoch auch von Kritik begleitet. Schon im Neuen Testament ist die Mahnung von Paulus zu lesen: "Prüft alles und behaltet das Gute!" (1 Thess 5,21 EU).  

Durch die Aufklärung und die gewaltigen Fortschritte der Naturwissenschaften ist die Anerkennung der Theologie als Wissenschaft immer mehr ins Wanken geraten. Die meisten heutigen Wissenschaftstheoretiker sprechen der Theologie, nicht zuletzt aufgrund ihrer Bekenntnisgebundenheit, die Wissenschaftlichkeit ab und kritisieren ihre weitere Anwesenheit an staatlichen Universitäten und die damit verbundene Fianzierung.

Selbstverständnis der Theologie

Die Position der Theologie ist die, dass der religiöse Glaube einen Zugang zur Wahrheit eröffne, der den Naturwissenschaften verschlossen sei. Diese könnten nur den messbaren Teil der Wirklichkeit erforschen und beschreiben und sie seien daher in eine größere, höhere Wahrheit eingebettet. Als Quellen religiöser Erkenntnisse werden neben Metaphysik und Transzendenz auch subjektive Offenbarungserlebnisse anerkannt. Grundlage der Heilsgeschichte sind die überlieferten Schriften, die in ihren Kernaussagen als wahr angesehen werden. Insgesamt sieht die Theologie ihre eigenen Methoden als überwiegend objektiv an und hält sich daher selbst für eine Wissenschaft.

Die Idee, dass es sich bei der Theologie um eine Wissenschaft handelt, stammt von Thomas von Aquin (1225-1274). Er sah im Glaubensbekenntnis die gleiche Rolle wie die der Axiome in der Mathematik. Sein Wissenschaftsanspruch ging auf Aristoteles zurück, der Axiome für so evident hielt, dass sie keiner weiteren Begründung mehr bedürfen. Was hier allerdings meistens übersehen wird, ist die Tatsache, dass die Axiome der Mathematik für alle einsichtig sind, die über ein gewisses Maß an Intelligenz und Bildung verfügen. Bei den Glaubensgrundsätzen scheint diese Einsicht aber irgendwie ortsabhängig und von der Erziehung abhängig zu sein. Außerdem gibt es einen erheblichen Prozentsatz von gebildeten Leuten, die diese Grundsätze restlos ablehnen, weil sie ihnen völlig unvernünftig erscheinen.

Die heutige Wissenschaftstheorie ist vom Evidenzanspruch der Axiome wieder abgerückt. Sie sieht in den Axiomen bzw. Prämissen Setzungen oder Annahmen, über deren absoluten Wahrheitsgehalt keine Aussagen gemacht werden können. Demzufolge werden Erkenntnisse und Theorien der Naturwissenschaften nicht mehr als absolut wahr gesehen, sondern man sieht in den Theorien mehr oder weniger brauchbare modellhafte Beschreibungen der Realität. Genauere Theorien liegen näher an der Wahrheit und sind damit bessere Beschreibungen. Die bisher bekannten Theorien haben darüber hinaus Gültigkeitsgrenzen. Eine "Theorie von Allem" d.h. eine Theorie ohne Gültigkeitsgrenzen ist im Moment nicht in Sicht, kann aber für die Zukunft auch nicht restlos ausgeschlossen werden.

Einige Teile der Theologie, wie der historische Inhalt heiliger Schriften, gesellschaftliche Einflüsse und Auswirkungen des religiösen Glaubens sowie die Psychologie des Glaubens, sind durchaus wissenschaftlich zu behandeln und können daher als Teil der jeweiligen Disziplinen aufgefasst werden. Zentrale Punkte der Theologie sind aber Aussagen über Gott, Heilsbotschaften für die Menschen und eine Eschatologie (Lehre von den letzten Dingen).

Kritik an der Theologie

Die Theologie wurde seit der Gründung der ersten Universitäten als Kernwissenschaft angesehen. Im 18. Jahrhundert kamen jedoch verstärkt Zweifel auf, ob es sich tatsächlich um eine Wissenschaft handelt, denn man bemängelte das Fehlen der vermeintlich unerlässlichen Forderung der Voraussetzungslosigkeit. Von Seiten der Theologie wurde diesem Argument entgegengehalten, dass es grundsätzlich keine voraussetzungslose Wissenschaft gebe. Mit dieser Frage hat sich der protestantische Theologe Wolfhart Pannenberg in seinem Buch "Wissenschaftstheorie und Theologie" intensiv befasst. Pannenberg zitiert zu diesem Problem E.Spranger, der in seinem Buch "Der Sinn der Voraussetzungslosigkeit in den Geisteswissenschaften" 1929 schrieb: 

" ...dass die Wissenschaft, im Gegensatz zur einfach gläubigen Dogmatik, jederzeit bereit ist, diese ihre Voraussetzungen selbst zum Gegenstand der Kritik zu machen und sie somit zu revidieren. Nicht Voraussetzungslosigkeit ist die Tugend der Wissenschaft, wohl aber Selbstkritik ihrer Grundlagen". 

Weiter schreibt Pannenberg  (im 4.Kapitel, 5.Theologie als Wissenschaft von Christentum?):  "Eine christliche Theologie, die in dem Sinne "positiv" verfährt, dass sie die Wahrheit des christlichen Glaubens in irgendeinem enger oder weiter bestimmten Kernbestand zur undiskutierten "Grundvoraussetzung" erklärt, ist mit dieser Forderung in der Tat nicht vereinbar. Die Wahrheit der christlichen Überlieferung kann in einer wissenschaftlich verfahrenden Theologie nur als Hypothese fungieren."

Zur Beurteilung der Wissenschaftlichkeit der christlichen Theologie sollte man sie aufteilen in den rein philosophischen Teil, d.h. die Lehre von Gott als Schöpfer der Welt und der allumfassenden Wirklichkeit aus Gründen der Vernunft und in die Christologie, die sich mit Jesus als Sohn Gottes und Erlöser der Menschen befasst. Der letztere Teil, den man als die christliche Überlieferung bezeichnen kann, stützt sich im Wesentlichen auf das Neue Testament. Im Sinne einer historischen Wissenschaft müsste man hier nach der Zuverlässigkeit der Quellen fragen. Der derzeitige Stand der Erkenntnis ist der, dass es durchaus zweifelhaft ist, ob es Jesus als historische Person überhaupt gegeben hat. Noch kritischer sind die Geschichten über die von Jesus vollbrachten Wunder bis hin zu seiner Auferstehung zu beurteilen. Es gibt dazu keinerlei Augenzeugenberichte aus erster Quelle. Alles was es dazu in den Evangelien zu lesen gibt, sind Geschichten vom Hörensagen, die über mehrere Generationen hinweg mündlich überliefert wurden. Sowohl die Auswahl der Evangelien als auch deren Inhalt sind nachweislich mehrfach willkürlich verändert worden. In einigen Punkten widersprechen sich die Evangelien sogar. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Neue Testament in wesentlichen Punkten der historischen Wahrheit entspricht, dürfte somit äußerst gering sein (siehe dazu z.B. das Buch "Der Jesuswahn" von Heinz-Werner Kubitza).

Solche Einwände werden von der Theologie nicht akzeptiert, weil sie davon ausgeht, dass das gesamte Christentum und insbesondere die Wahrheit der Heiligen Schrift letztlich auf Gottes Offenbarung beruhen. Sie hat den Anspruch, dass erst durch die Offenbarung die Wahrheit über die Wirklichkeit zugänglich wird. Spätestens an dieser Stelle verabschiedet sich die Theologie von dem allgemeinen und grundlegenden Anspruch der Wissenschaften, nämlich der Objektivierbarkeit. Insbesondere aus Sicht des Naturalismus muss aus den genannten Gründen die christliche Heilslehre als kultiviertes Wunschdenken eingestuft werden, das nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Die philosophische Theologie, die sich unabhängig von konfessionellen Eigenarten mit der Frage nach einem Gott beschäftigt, ist etwas anders zu beurteilen. Hier gibt es abseits überlieferter Texte vor allem das Vernunftsargument. Bis vor einigen Jahrzehnten konnten Naturwissenschaftler/innen noch nicht einmal eine halbwegs sinnvolle Hypothese der Entstehung unserer Welt vorweisen. Insofern war für viele eine religiös fundierte Schöpfungsgeschichte alternativlos. Es erschien absolut vernünftig, dass ein, wie auch immer gearteter, Schöpfer der Beginn der Kausalkette unserer Welt war. In seinem Werk "Kritik der reinen Vernunft" hat Immanuel Kant aber  bereits gezeigt, dass man aus Vernunftsgründen nicht zwingend auf einen Gott schließen kann. Seine "vierte Antimonie" lautet in Form von These und Antithese:

These: "Zu der Welt gehört etwas, das, entweder als ihr Teil, oder ihre Ursache, ein schlechthin notwendiges Wesen ist."

Antithese: "Es existiert überall kein schlechthin notwendiges Wesen, weder in der Welt, noch außer der Welt, als ihre Ursache."

Kant kommt zu dem Ergebnis, dass es sowohl für die These als auch für die Antithese gute, vernünftige Argumente gibt und dass somit unsere Vernunft nicht in der Lage ist, zu entscheiden, was der Wahrheit entspricht. Was zur Entscheidungsfindung seiner Ansicht nach hinzukommen muss, sind entweder Erkenntnisse aus der sinnlichen Erfahrung oder aus der Transzendenz. Letztere hat sich aber in der Vergangenheit nie als zuverlässige Erkenntnisquelle hervorgetan, insofern liegt der Hauptaugenmerk auf der sinnlichen Erfahrung und damit letztlich bei den Naturwissenschaften.

Gott als wissenschaftliche Hypothese

Um Hypothesen über einen Gott beurteilen zu können, muss zuerst klargestellt werden, von welcher Definition man ausgeht. Geht es um einen Gott als Schöpfer all dessen, was wir als Wirklichkeit ansehen? Greift er in das weitere Geschehen aktiv ein? Überwacht er das Geschehen? Welche Eigenschaften hat er? Unter einem diffus definierten Gott, der "die alles bestimmende Wirklichkeit" sein soll, kann man eine Menge verschiedener Vorstellungen hineininterpretieren. Die christliche Theologie listet dennoch eine Reihe klarer göttlicher  Eigenschaften auf. Es sind dies unter anderen Allmacht, Gerechtigkeit und Güte. Bekannterweise führen diese Eigenschaften zum Problem der Theodizee. Wenn Gott allmächtig, gerecht und gütig ist, wie ist dann das Elend in unserer Welt zu erklären?  Insofern leidet dieses Gottesbild an Inkonsistenz. Die Mindestanforderung an eine wissenschaftliche Hypothese ist aber gerade die Widerspruchslosigkeit.

"Gottesbeweise", wie sie z.B. von Thomas von Aquin aufgestellt wurden, sind aus dieser Sicht bestenfalls als Plausibilitätsargumente für eine Gotteshypothese einzustufen, d.h. man listet Argumente auf, die scheinbar für die Existenz sprechen, sie aber nicht wirklich beweisen. Man kann mit Hilfe der Metaphysik bzw. der Philosophie nur Hypothesen über die Wirklichkeit aufstellen. Auch den vor wenigen Jahren von dem renommierten Theologen Robert Spaemann aufgestellte "letzte Gottesbeweis" muss man als philosophische Luftnummer einstufen.

Die Entscheidung über den Wahrheitsgehalt von Hypothesen der Wirklichkeit kann nur mit Hilfe der sinnlichen Erfahrung vorgenommen werden. Ein theoretisch konstruiertes Gottesbild muss in irgendeiner Form zumindest ansatzweise über die sinnliche Erfahrung verifiziert werden können. Zuweilen berufen sich Gläubige diesbezüglich auf persönliche Offenbarungen. Da diese aber nicht objektivierbar sind, sind sie für die Allgemeinheit ohne Bedeutung. Merkwürdigerweise scheinen zudem auch diese Offenbarungen abhängig von der Konfession bzw. der Religion zu sein. So haben Christen Offenbarungen in denen ihnen z.B. Jesus oder Maria erscheint. Mohammedanern erscheint Mohammed oder Allah. 

Ein weiteres Problem ist das der Erklärungskraft. Naturwissenschaftliche Erklärungen vereinigen vielfältige Erscheinungen zu einem Grundprinzip. Damit verbunden ist in der Regel eine tiefere Einsicht in die Zusammenhänge dieser Erscheinungen. Die theologische Hypothese versucht jedoch, komplizierte Dinge durch das Wirken eines noch komplizierteren Wesens zu erklären, wobei dann weitere Nachfragen nicht erlaubt sind. Das ist zwar nicht unbedingt ein Beweis gegen die Existenz eines Gottes, aber es zeigt, dass Gotteshypothesen keine große Erklärungskraft haben.

Die Aussagen einer Wissenschaft sind Behauptungen über Sachverhalte, die entweder wahr oder falsch sind. Wie aber sollte man entscheiden, ob die Aussage "es gibt einen Gott" wahr oder falsch ist? Beide möglichen Positionen sind weder beweisbar noch empirisch überprüfbar. Dies verleitet manche Religionsvertreter/innen zu der Behauptung, dass hier eine gewisse Symmetrie bzw. Gleichrangigkeit der Positionen von Atheisten und Gläubigen besteht. Die elementare Aussagenlogik zeigt aber, dass das nicht der Fall ist. Nichtexistenzaussagen, die sich auf die gesamte Welt beziehen sind Allaussagen und diese sind grundsätzlich nicht beweisbar. Existenzaussagen sind dagegen Einzelaussagen und die sind zumindest im Prinzip beweisbar. Behaupten wir z.B., dass es in der ganzen Welt keine Yetis gibt, dann müssten wir zum Beweis die gesamte Welt (und nicht nur die Erde!) nach Yetis systematisch absuchen, was aber völlig unmöglich ist. Die Existenzaussage "es gibt Yetis" lässt sich dagegen ganz einfach beweisen, indem man einen einfängt und der internationalen Presse vorführt. Insofern ist die Forderung von Gläubigen an Atheisten, sie mögen doch die Nichtexistenz Gottes beweisen, völlig unsinnig. Es ist vielmehr so, dass derjenige, der eine Existenzbehauptung aufstellt in der Beweispflicht steht. Kann er den Beweis nicht führen, dann müssen wir seine Behauptung als reine Spekulation einordnen.

Aus wissenschaftstheoretischer Sicht sind theologische Thesen Hypothesen, die den Prüfkriterien (d.h. Falsifizierbarkeit) nach der Wissenschaftstheorie von Karl Popper unterliegen. Viele der theologischen Thesen beruhen auf Transzendenz. Auch einige naturwissenschaftliche Thesen sind so entstanden. Diese haben zunächst ebenfalls den Status von Hypothesen. Stellt sich heraus, dass solche Hypothesen grundsätzlich den Prüfkriterien nicht zugänglich sind, so haben sie zur Erklärung von Naturphänomenen oder Teilen unseres Weltbildes keinerlei Aussagekraft. Nun zeigt sich aber, dass an diesen Prüfkriterien sämtliche theologische Thesen und insbesondere die theologischen Dogmen scheitern. 

Die Bedingung der Möglichkeit

Manche Theologen/innen haben eingesehen, dass sich auf Dauer der grösste Teil der theologischen Aussagen über die Wirklichkeit nicht gegen die Naturwissenschaften verteidigen lässt. Aus diesem Grund versucht man nun, die Grundlage des Glaubens in einer anderen Art der Erkenntnis zu verankern. Das Zauberwort ist "die Bedingung der Möglichkeit". Hier ein Beispiel aus dem Lehrbuch "Einführung in die Systematische Theologie" von Klaus von Stosch, S. 233): 

Gottes Geist als Erkenntnisquelle und Kraft zur Wandlung: Das Handeln Gottes im Geist ist zunächst einmal die Bedingung der Möglichkeit dafür, dass das göttliche Zusagewort im Logos überhaupt vom Menschen verstanden werden kann. Denn allein das Unbedingte selbst (Gott als Geist) kann ein Verstehen und Erkennen des Unbedingten (Gott als Logos) ermöglichen.

Der Begriff "Bedingung der Möglichkeit" wurde von Immanuel Kant eingeführt in Zusammenhang mit seiner Untersuchung, welche Vorbedingungen im menschlichen Geist gegeben sein müssen, um überhaupt zu Erkenntnissen zu kommen. Kant sah hier insbesondere die Vorstellungen von Zeit und Raum als Vorbedingungen an. Ohne Zeit gibt es keine Ereignisse und ohne die Vorstellung von Raum können wir keine räumlich ausgedehnten Dinge erkennen.Wie das obige Zitat zeigt, gilt offenbar nach Ansicht der Theologen/innen Ähnliches für die Erkenntnis von Glaubensgrundsätzen. Die Vorbedingung ist hier, dass Gottes Geist in unseren Gehirnen wirkt und nur wenn das der Fall ist, können wir sie erkennen und verstehen. Anscheinend macht Gott aber einen großen Bogen um die Gehirne der Naturwissenschaftler/innen oder aber ihnen fehlt ein wichtiges Organ im Gehirn, so eine Art "Gottesmodul".

Nach Kant ist der Mensch durchaus in der Lage, Wahrheiten zu erkennen, die außerhalb der sinnlichen Erfahrung liegen. Ein Beispiel dazu ist die Mathematik. Mit der Vorbedingung der Anschauung von Raum und Menge kann man Axiome definieren, die von unserer Vernunft als unmittelbar einsichtig eingestuft werden und daher nicht weiter begründet werden müssen. Innerhalb dieser Axiomensysteme können wir dann absolute Wahrheiten erkennen und sie in mathematische Sätze kleiden. Dies wird nun häufig als Argument von den Theologen/innen gebraucht, um darzustellen, dass unsere Vernunft nach dem gleichen Verfahren in der Lage sei, auch göttliche Wahrheiten zu erkennen. Was dabei übersehen wird, ist die Tatsache, dass sich die Wahrheiten der Mathematik ausschließlich auf das jeweilige Axiomensystem beziehen. Inwiefern diese Wahrheiten auf die Realität angewendet werden können, entscheiden die Naturwissenschaften. 

Man kann sich grundsätzlich die Realitäten der Außenwelt nicht nur einfach ausdenken, sondern man muss sie empirisch erfahren und überprüfen. Man kann sich Hypothesen bzw. Erklärungsmodelle ausdenken. Inwieweit sie zutreffen, entscheidet aber ausschließlich die Empirie. Hypothesen über die Realität die nicht überprüfbar sind (z.B. Gotteshypothesen), sind völlig wertlos, weil sie keine Aussagekraft haben. Ein nur gedachter Gott kann auf die Realitäten keinen unmittelbaren Einfluss nehmen. Die Natur bzw. die Realitäten der Außenwelt richten sich nicht nach unserer Vorstellungskraft und schon gar nicht nach unseren Wünschen. Eine so wenig anschauliche Theorie wie die Quantentheorie hätte man sich z.B. ohne den Druck der Messergebnisse unmöglich am grünen Tisch ausdenken können.

Gott als Lückenfüller

Da wir noch nicht über eine Theorie von Allem verfügen und es insbesondere im Bereich der Quantenphysik und der Kosmologie noch viele offene Fragen gibt, ergeben sich Bereiche, die im Moment nur hypothetische Erklärungen erlauben. Den Vorwurf des Füllens dieser Lücken, die erfahrungsgemäß mit fortschreitender Forschung immer kleiner werden, entgegnen die Verfechter/innen der Theologie mit dem Argument, dass es insbesondere in der physikalischen Grundlagenforschung Bereiche gibt, die nicht einfach nur Lücken sind, sondern die das Fundament der gesamten Naturwissenschaften bilden. Des Weiteren stellt sich hier die Frage, ob nicht schon jetzt die Physik im Bereich der Quantentheorie an Grenzen stößt, die prinzipiell nicht überwunden werden können. Der Astrophysiker Lawrence M.Krauss hat die Problematik mit dem folgenden Zitat auf den Punkt gebracht: "Das Fehlen von Verständnis für etwas ist kein Beweis für Gott, es ist ein Beweis für das Fehlen von Verständnis."

Der Unterschied zwischen den Naturwissenschaften und der Theologie ist, dass offene Fragen und alternative Erklärungsvorschläge in den Naturwissenschaften beantwortet und entschieden werden können. Alte Konzepte (wie z.B. der Äther in der Physik und die Lebenskraft in der Biologie) werden über Bord geworfen, wenn sie sich als untauglich erweisen. In der Theologie aber gibt es keinen wirklichen Fortschritt. Das Einzige was man notgedrungen aufgrund des enormen Druckes von Seiten der Naturwissenschaften unternimmt, ist der Versuch, sich durch geschickte Uminterpretationen der Bibel und der Glaubensgrundsätze zu immunisieren. Unsere Wissenschaftsgeschichte hat aber gezeigt, dass sich mystische Erklärungen von Naturphänomenen auf die Dauer immer als falsch herausgestellt haben. Dennoch hält die Theologie z.B. noch immer am Leib-Seele Dualismus fest, weil ansonsten ihr Menschenbild und damit ihre gesamte Grundlage in sich zusammenbrächen.

Der fehlende Bezug zur Realität und die mangelnde Überprüfbarkeit führen zu einer Beliebigkeit der Religionen. So gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Religionen, von denen jede von sich behauptet, die einzig wahre zu sein. Es kann aber nur eine Wahrheit geben und daher kann nur höchstens eine Religion die einzig wahre sein. Wenn man sich nun für eine Religion entscheidet, so ist die Wahrscheinlichkeit die richtige (sofern es sie überhaupt gibt) zu treffen, der Kehrwert der Zahl der Religionen und damit äußerst gering. Gerade die Vielzahl und die Beliebigkeit der Religionen zeigen im Umkehrschluss, dass sie mit Wahrheit und Realität nichts zu tun haben können.

Fazit

Zusammenfassend können wir feststellen, dass die Theologie zwar durchaus in der Lage ist, Hypothesen über die Wirklichkeit aufzustellen, die Entscheidung aber, inwieweit diese die Wirklichkeit zutreffend beschreiben, fällen die Naturwissenschaften. Sofern sich die Vertreter/innen der Theologie den strengen Prüfkriterien der Naturwissenschaften unterwerfen, muss man ihre Beiträge durchaus ernst nehmen. Jenseits der Kriterien befindet man sich aber im Bereich der reinen Esoterik. Teile der Wirklichkeit, die den Naturwissenschaften womöglich für immer verborgen bleiben, können auch Theologie und Metaphysik nicht ergründen, denn sie verfügen nicht über andere oder gar bessere Erkenntnismethoden. Wir können also an dieser Stelle festhalten, dass die Naturwissenschaften (noch?) nicht alles erklären können, die Theologie dagegen kann überhaupt nichts erklären.

Einige Religionsvertreter/innen sehen, nicht zu unrecht, aufgrund dieser eigenen schwachen Position die wissenschaftliche Bildung generell als ernstzunehmende Gefahr für den Glauben. So sagte Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI in einer Predigt am 31.12.1979: "Der christliche Gläubige ist eine einfache Person. Aufgabe der Bischöfe ist es deshalb, den Glauben dieser kleinen Leute vor dem Einfluss der Intellektuellen zu bewahren" (zitiert nach John L.Allen, Joseph Ratzinger, 2002).  

Wer Bildung als Gefahr einstuft, hat sich als Wissenschaftler selbst disqualifiziert. Was wir an unseren Universitäten brauchen, sind die Vermittlung von Erkenntnismethoden und Wissen, aber nicht von unhaltbaren und völlig unbewiesenen Glaubensinhalten. Daher hat die Theologie nichts mehr an den Universitäten zu suchen! Daneben sollte auch die Ausbildung von Religionslehrern/innen nicht mehr vom Staat finanziert werden, denn der konfessionelle Religionsunterricht ist bestenfalls eine Märchenstunde und schlimmstenfalls religiöse Indoktrination und Erziehung zur Ab- und Ausgrenzung.