BONN. (hpd) Der US-amerikanische Philosoph Steven Best legt mit "Totale Befreiung. Eine Revolution für das 21. Jahrhundert" eine Art Manifest für die militante Tierbefreiungsbewegung vor. Einerseits macht er auf eine Fülle von Problemfelder in der Mensch-Tier-Beziehung aufmerksam, andererseits münden diese in einem problematischen Plädoyer auch für gewalttätige Aktionen.
Es soll nicht nur eine teilweise, sondern eine totale Befreiung geben. Diese fordert Steven Best, Professor für Philosophie an der University of Texas in El Paso. Gemeint ist mit seinem Konzept ein umfassender Ansatz, der nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere einschließt. In seinem Buch "Totale Befreiung. Eine Revolution für das 21. Jahrhundert" heißt es: "Die Befreiungsbewegungen für Mensch, Tier und Natur sind verschiedene Bestandteile eines einzigen untrennbaren Kampfes – gegen Hierarchie, Herrschaft und nicht nachhaltige gesellschaftliche Daseinsformen -, von denen keine ihr Ziel ohne die anderen erreichen kann" (S. 11). Demnach geht es Best um ein Plädoyer, das auf die Kooperation von linken Protestbewegungen mit der tierrechtlichen Befreiungsbewegung abzielt. "Eine Politik der totalen Befreiung könnte Bündnisse schmieden, die mächtiger sind als alles andere bisher" (S. 12). Die sechs Kapitel des Buchs, die man auch jeweils für sich lesen kann, entfalten darüber hinaus noch besondere Positionen zum Themenkomplex:
Zunächst plädiert Best dafür, dass als neue Perspektive ein "Tierstandpunkt" (S. 17) eingenommen werden sollte. Es gelte Geschichte und Gesellschaft im Lichte der Ausbeutung und Unterdrückung von Tieren wahrzunehmen. So könnten diese auch in die "Goldene Regel" als ethisches Prinzip mit aufgenommen werden. Danach beschreibt der Autor die militante Tierbefreiungsbewegung als "neuen Abolitionismus", womit eine Gleichsetzung mit der Sklavenbefreiungsbewegung in den USA im 19. Jahrhundert vorgenommen wird. Die erklärte Ablehnung der Gewalt gilt Best dabei aber als "Lähmung durch Pazifismus". Ganz offen formuliert er eine "Rechtfertigung militanter direkter Aktionen" (S. 71), die in Anschlägen auf Einrichtungen oder der Befreiung von Tieren bestehen könnten. Es gelte so "den Konzern-Staat-Militär-Apparat zu besiegen, der allem Leben und dem Planeten den totalen Krieg erklärt hat" (S. 108). Um diese Kriegsmaschinerie aufzuhalten, müsse man "jedes Mittel anwenden, was uns zur Verfügung steht" (S. 199f.).
Diese Darstellungen und Zitate machen bereits deutlich, dass Best eine Art Manifest der militanten Tierbefreiungsbewegung vorgelegen will. Darin gehen kritische Beobachtungen mit problematischen Rechtfertigungen einher: Zum Erstgenannten gehören die Einwände gegen die Linke, die sich immer mit den Ausgebeuteten und Unterdrückten zu solidarisieren meint, aber gedankenlos und ignorant das massenhafte Töten von Tieren hinnimmt: "Vom Standpunkt der Tiere aus betrachtet, sind die Linken eine rückschrittliche und reaktionäre Kraft" (S. 120). Auch die Doppel-Moral mancher Aktivisten wie etwa Peta, die dann bei Kooperationen mit Firmen nur für das "humanere" Sterben von Tieren plädieren, spitzt Best gekonnt auf. Bedenklich sind demgegenüber nicht näher begründete und pauschalisierend vorgetragene Setzungen: "Der Kapitalismus ist ein System der Sklaverei, Ausbeutung, Klassenhierarchie, Ungleichheit, Gewalt und Zwangsarbeit mit Profit und Macht als obersten Zielen" (S. 39). Das wäre auch für Marx eine Ausdruck von ahistorischem Moralismus.
Noch bedenklicher sind Best's Aussagen zur Gewaltanwendung. Dabei gibt es auch einen immanenten Denkfehler: Seine "totalen Befreiung" soll die ganze Gesellschaft und damit auch das Mensch-Tier-Verhältnis grundlegend umgestalten. Die Anschläge auf Einrichtungen und die Befreiung von Tieren treffen aber nur einen kleineren Bereich. Damit könnte zwar den einzelnen Tieren möglicherweise geholfen werden, es würde sich aber gerade nichts an der Gesamtsituation ändern. Best versteift sich gleichzeitig auf einen dualistischen Rigorismus: "Sprich über totale Befreiung oder schweig" (S. 128). Dass es noch ganz andere Möglichkeiten geben kann, verliert er aus dem Blick. Hiermit isoliert er sich selbst in der Tierrechtsbewegung und schwächt diese mehr als sie zu stärken. Es darf auch gefragt werden, was Formulierungen wie "Momentan gibt es keine Nat Turners und John Browns in der Tierbefreiungsbewegung … denn auch für solche Taten gäbe es triftige Gründe" (S. 60) soll. Denn gemeint waren hier Gewaltakte und Morde an Menschen.
Steven Best, Totale Befreiung. Eine Revolution für das 21. Jahrhundert, Göttingen 2014 (Echo-Verlag), 221 S., ISBN 978–3–926914–57–6, 19,90 Euro
16 Kommentare
Kommentare
Thomas am Permanenter Link
"Zunächst plädiert Best dafür, dass als neue Perspektive ein "Tierstandpunkt" (S.
"Ganz offen formuliert er eine "Rechtfertigung militanter direkter Aktionen" (S. 71), die in Anschlägen auf Einrichtungen oder der Befreiung von Tieren bestehen könnten." - Wer das kategorisch (!) ablehnt, möge sein Denken auf eventuelle speziesistische Unterscheidungen prüfen.
"Vom Standpunkt der Tiere aus betrachtet, sind die Linken eine rückschrittliche und reaktionäre Kraft" - Das trifft nur auf Linke zu, deren politische Ziele gewissermaßen Selbstzweck sind und keiner ethischen Systematik folgen. Leider sind diese "GenossInnen" in der überwältigenden Mehrheit.
"Der Kapitalismus ist ein System der Sklaverei, Ausbeutung, Klassenhierarchie, Ungleichheit, Gewalt und Zwangsarbeit mit Profit und Macht als obersten Zielen" - Ich wüßte nicht, was daran "gesetzt" oder "ahistorisch" sein soll. Es ist eine zutreffende Aufzählung von Mißständen, die aus dem Streben nach Selbstbereicherung praktisch unvermeidbar folgen. Der Kapitalismus ist nicht nur strukturell antimoralisch, er hat sogar wahnhafte Züge, wenn er wider besseres Wissen über den Menschen als "naturgesetzlich" betrachtet wird.
"Dass es noch ganz andere Möglichkeiten geben kann, verliert er aus dem Blick. Hiermit isoliert er sich selbst in der Tierrechtsbewegung und schwächt diese mehr als sie zu stärken." - Das scheint mir auch so. Veränderung beginnt immer mit konkreten Menschen in konkreten Situationen, und das vorläufig bestmögliche Ergebnis erreicht man so gut wie niemals durch rigoristische Inflexibilität.
Philo am Permanenter Link
Obwohl nicht überraschend, erstaunt mich dennoch immer wieder, wie schnell Freiheitsverteidiger (mehr oder weniger bewusst) zu Angreifer umdefiniert werden.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Best ist doch wohl ein klarer Fall von Doppelagent. Er will die Rechte von Tieren nicht fördern, sondern sabotieren; deshalb will ich diese absurde Position gar nicht weiter kommentieren.
- Massentierhaltung in Tierfabriken zu beseitigen,
- Einrichtung von Schutzräumen für Wildtiere wo möglich
- Verbesserung der Tierhaltung in Zoos und Parks
- Einschränkung von Tierversuchen auf das absolut Notwendige
nützt man mit überzogenen Forderungen gar nichts; im Gegenteil, damit stellt man sich in eine esoterische, isolierte Ecke, was auch dem Engagement für die Menschenrechte schadet; die Prioritäten sollten doch wohl klar sein.
Thomas am Permanenter Link
"Missionarische Vegetarier und Veganer"
Gibt es auch "missionarische" Menschen-, Frauen- oder Kinderrechtler? Warum versuchen Sie, Menschen zu diffamieren, die für leidvermeidendes Verhalten und eine gewaltfreie(re) Welt eintreten, ohne sich auf allzu faule "Kompromisse" einzulassen?
"vergessen wohl, dass tote Tiere für einen Großteil der Menschen - für manche sogar einzige - Nahrungsgrundlage sind."
Wenn sie nicht jeden Realitätssinn verloren haben, ist ihnen das vollkommen bewußt, aber natürlich ist (mehr oder weniger) erzwungener Karnismus seinerseits ein ethisch degenerierender Mißstand, der mindestens langfristig behoben werden muß. Das gilt im Übrigen für ALLE Verhältnisse, die Menschen in irgendeiner Weise dazu drängen, bestimmten empfindungsfähigen Wesen die Berücksichtigung ihrer Interessen nach dem Gleichheitsprinzip ganz oder teilweise zu verweigern und so strukturell faschistische Denk- und Verhaltensweisen zu perpetuieren. Der Speziesismus IST eine solche Denk- und Verhaltensweise, denn welcher Omnivor käme wohl auf den Gedanken, menschliche Säuglinge unter den gleichen Umständen und aus den gleichen Gründen so zu behandeln, wie es Normalität im Umgang mit "Nutztieren" ist? Die einen wie die anderen sind zwar leidensfähig, nicht aber ich-bewußt und folglich auch nicht lebensbewußt. Ihre Ungleichbehandlung nur aufgrund ihrer unterschiedlichen Spezieszugehörigkeit ist also antimoralisch. Das gilt in besonderem Maße, wo es - wie in Deutschland - möglich und zumutbar ist, darauf zu verzichten.
Achim Stößer am Permanenter Link
"Die besondere Zurückhaltung von heute wird das Mindestmaß menschlichen Verhaltens von morgen sein.
Maurice Maeterlinck
Selbstverständlich werden Unveganer nie begreifen, was sie mit ihrem Anti-Tierrechts-Tierschutz anrichten http://tierrechtsfpartei.de/tstr
Pavlovic Dragan am Permanenter Link
Die ganze Angelegenheit ist nicht banal nur eine Frage der Freiheit und ihrer vermeintlichen Gegner - für die nun die so oft gescholtenen "Linken" und "Gutmenschen" zu Tätern stilisiert werden.
Thomas am Permanenter Link
"Jeder Veganer und Tierbefreier der auch nur jemals ein einziges Schnitzel gegessen hat (man bedenke das Leben vor der Läuterung!) heftet sich mit dem psychisch vernichtenden Vorwurf des Tiermordes und des Kollab
Dieser Makel ist ebensowenig "unauslöschlich" wie jeder andere Fehler, den man eingesteht und korrigiert. Immerhin kennt man als Ex-Nazi, Ex-Religiöser oder Ex-Karnist die jeweils damit verbundenen Denk- und Verhaltensweisen aus der Innenperspektive, was häufig zu Kritik von besonderer analytischer Schärfe im Dienste denkkulturellen Fortschritts befähigt. Außerdem trägt man keine Schuld an der Verblödung, der man in Kindheit und Jugend ausgesetzt war, und deren Folgen sich (falls überhaupt) meist nur in mühsamer Arbeit bis weit ins Erwachsenenalter hinein beheben lassen.
"Ernährungsthemen lenken meiner Meinung nach von unseren Kernthemen ab."
Ernährungsthemen haben eine Vielzahl ethischer Aspekte, und Ethik IST eines "unserer" Kernthemen. Bitte orientieren Sie sich über den Veganismus und seine philosophischen Kontexte (am besten anhand der Werke Peter Singers)! Anderenfalls werden Sie auch in Zukunft nichts von Belang zu seiner Diskussion beitragen können.
pavlovic am Permanenter Link
Lieber Thomas - ich weiß nicht wie Sie darauf kommen, dass ein Ex-Nazi der Mörder war und ein Ex-Religiöser der auf "Abtreibungsärzte" geschossen hat und ein Ex-Karnist der Tierfleisch gegessen hat jemals ih
Thomas am Permanenter Link
"ich weiß nicht wie Sie darauf kommen, dass ein Ex-Nazi der Mörder war und ein Ex-Religiöser der auf "Abtreibungsärzte" geschossen hat und ein Ex-Karnist der Tierfleisch gegessen hat jemals ihre Vergehe
Bitte beachten Sie, daß ich von ehemaligen Nazis, Religiösen und Karnisten, NICHT aber von Mördern sprach. Im Übrigen ist es gleichgültig, welche Art von Fehler man begangen hat: was geschehen ist, das ist nun mal geschehen. Es nützt niemandem, sich von Schuldgefühlen (insbesondere für ursprünglich Unverschuldetes) zerfressen zu lassen, und darum ist es vernünftiger, aus Vergangenem zu lernen und entsprechende Aktivitäten zu entfalten. So befinde ich mich seit Jahren im (gewaltfreien) Kampf gegen jede Form des Irrationalismus - einschließlich allen Denk- und Verhaltensweisen, die vermeidbares Leid erzeugen.
"Auch ist das Beispiel der ersten beiden keine verallgemeinerbare Innenperspektive die viele Menschen teilen."
Nazis und Omnivore verweigern willkürlich ausgewählten leidensfähigen Wesen die Berücksichtigung ihrer Interessen nach dem Gleichheitsprinzip, und das Verhalten Religiöser kann nicht moralisch sein, weil, bzw. sofern es religiös motiviert ist. Die gedanklichen Bezüge der genannten drei Perspektiven haben also eine entscheidende Gemeinsamkeit: sie sind anti-ethisch.
"Die Thematik "Kükenschreddern" z.B. ähnelt der Debatte um abgetriebene Kinder."
Tatsächlich ist das Schreddern von Küken bedeutend grausamer als jede fristgemäße Abtreibung, denn etliche Tiere überleben schwerstverletzt und müssen dann qualvoll im Auffangbehälter verrecken. Menschliche Föten hingegen sind vor dem 5. (nach anderer Lehrmeinung 7.) Schwangerschaftsmonat mangels ausreichend entwickelter Nervensysteme noch gar nicht schmerzempfindungsfähig.
"Und vielleicht merken Sie an Ihrem eigenen Beispiel, dass es unredlich ist im Bereich der Ernährung so schwere Geschütze aufzufahren wie Mordvorwürfe oder Sklavenhalterei."
Hätten Sie meine Beiträge (auch die vom 16. und 17.2.) sorgfältig und vorurteilsfrei gelesen, wäre Ihnen aufgefallen, daß ich die Begriffe "Mord" und "Sklavenhalterei" (aus guten Gründen) gar nicht verwende und mich von Bests Äußerungen mindestens teilweise distanziere. Die Art Ihrer "Auseinandersetzung" mit gewissen ethischen Fragen ist leider typisch für Karnisten oder auch Religiöse, die unter gar keinen Umständen bereit sind, ihre Denk- und Verhaltensgewohnheiten ernsthaft zu hinterfragen und abzulegen. Daher ist es meist sinnlos, ihnen die Mühe eingehender Erklärungen zu widmen.
Achim Stößer am Permanenter Link
"Ernährungsthemen lenken meiner Meinung nach von unseren Kernthemen ab." Ein "Ernährungsthema" machen daraus nur die, die nichts begriffen haben.
pavlovic am Permanenter Link
Der Veganismus verlangt vom Menschen im Bereich der Ernährung die größten Veränderungen und es wird auf herablassende Art davon ausgegangen als wäre genau dass nur ein Klacks.
Thomas am Permanenter Link
"sowenig ist Singers ethische Empfehlung für den Umgang mit behinderten Neugeborenen in Deutschland akzeptabel,"
Nationalität - einschließlich der behinderter Neugeborener - ist Singer zurecht vollkommen schnurz, denn es geht ihm um möglichst konsequente Leidvermeidung nach dem Gleichheitsprinzip, also um das Wohlergehen ALLER empfindungsfähigen Wesen. Wer das ablehnt, der sollte auch zugeben, daß ihm Ethik sch...egal ist und er sein Verhalten lieber an Gefühl und Wellenschlag ausrichtet. Allerdings beraubt er sich damit jeder Grundlage, Zufügungen vermeidbaren Leides zu kritisieren, denn andere Menschen haben nun mal ihre eigenen Gefühle und Wellenschläge.
"radikale Veganer können keine höhere Ethik für sich beanspruchen,"
Es gibt keine "höhere" oder "niedere" Ethik! Entweder, eine Handlung oder Unterlassung IST ethisch motiviert, weil sie auf Leidvermeidung nach dem Gleichheitsprinzip abzielt, oder eben nicht. Der Karnismus als Ausfluß speziesistischen Denkens ist nicht nur mit dem Zweck, sondern auch mit der logischen Struktur der Ethik unvereinbar. Folglich muß er als antimoralisch verworfen werden.
Thomas am Permanenter Link
PS.:
"Hinter solchen Forderungen steckt nichts als kranker Sadismus gegen die Bedürfnisse des Menschen."
Das mag auch manch ein "Bwana" gedacht haben, als er seine Sklaven gehen lassen mußte. Eine leidfreie(re) Welt gibt es nun mal nicht für lau, und wer seine eigenen Interessen ihrem Gewicht entsprechend gewürdigt sehen möchte, der muß das gleiche eben auch für andere leidensfähige Wesen tun - "größte Veränderungen" hin oder her.
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Professor Steven Best gehört in die lange Reihe von gewaltbereiten akademischen Sektierern, denen man am besten aus dem Weg gehen sollte.
Aufgabe eines jeden erwachsenen Humanisten sollte es sein, jungen Menschen den Weg zu zeigen, die Vielfalt und die gegenseitigen Abhängigkeiten aller Lebensformen verstehen zu lernen. Dazu gehört gerade die Rolle des Menschen als Teil der Tierwelt und innerhalb der Pflanzenwelt. Ja, industrielle Massentierhaltung ist ein Verbrechen. Genauso sind Getreide-Monokulturen ein Verbrechen. Das Eine bedingt hier das andere.
Ich finde, dass es viel zu viel Ehr ist, dieses Buch überhaupt zu besprechen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Es ist schön und gut und auch wichtig, sich über den Zustand der gesamten Welt Gedanken zu machen.
Doch sollten diese Gedanken nicht zu einem Rundumschlag jedweden Rechts für jedwedes Wesen oder Ding auf der Erde führen. Wir müssen uns verantwortungsbewusst verhalten - ob Mitmenschen oder Tieren, aber auch Pflanzen, dem Wasser, der Luft und der Erde gegenüber.
Dies kann m.M.n. nicht darin münden, dass sich der Mensch vollständig isoliert und nichts mehr mit Tieren zu tun haben will - was konsequent zu Ende gedacht auch seine Isolation von Pflanzen, Wasser und Luft bedeuten würde. Schließlich verhalten wir uns hin und wieder nicht nur Mitmenschen oder Tieren gegenüber unethisch, sondern auch Pflanzen, dem Wasser und der Luft gegenüber.
Es kann also nur um ein ethisches leidgemindertes Miteinander aller Faktoren der Erde gehen. Oder wie weit sollte unser Tierschutz gehen? Wollen wir Löwen in der Savanne Afrikas abschießen, weil sie Gazellen Leid zufügen? Wenn schon militanter Tierschutz, dann bitte konsequent. Oder sind Gazellen weniger wert und dürfen leiden?
Mehr noch: Ist die "freie Natur" wirklich der so viel bessere Ort für Tiere? Dort sind sie keine Sekunde sicher, haben nicht immer was zu fressen und verenden oft qualvoll an läppischen Krankheiten. Wie wollen Tierschützer dieses Leid mindern? In dem sie es ignorieren, wegschauen?
Oder wollen sie Städte bauen, in denen Tiere leben, mit hohen Zäunen gegen Raubtiere? Städte mit ärztlicher Versorgung und Nahrungsausgabe? Diese Orte gibt es schon: Wir nennen sie Zoos und auch die werden ja von vielen Tierschützern abgelehnt.
Und was geschähe mit den fleischfressenden Jägern im Tierreich? Allen den Gnadenschuss geben, weil sie sich unethisch ernähren?
Hier hapert es am deutlichsten mit jedem homozentrischen Tierrechtsgedanken. Der Pflanzenschutzgedanke kommt gar nicht auf, weil dies zwar auch Lebewesen sind, die, wie z.B. Bäume, in planenden Familienverbänden leben, aber irgendetwas müssen auch Tierschützer essen.
Also klammert man das auch und wendet sich möglicherweise den beiden untergeordneten Bereichen "Wasserrechte" und "Luftrechte" zu, denn auch dort muss anerkannt werden, dass Wasser und Luft im Interesse aller Lebewesen der Erde geschützt werden müssen und von Menschen oft fahrlässig misshandelt werden. Ich meine das gar nicht zynisch, sondern deskriptiv.
Wäre es in der Tat nicht sinnvoller, sich einmal in die Perspektive des jeweils mit "Rechten" zu bedenkenden Lebewesens zu begeben, um zu erforschen, inwiefern diese Wesen überhaupt besondere Bedürfnisse hat, die es speziell zu schützen gilt?
Wäre es aus der Sicht einer Gazelle nicht erheblich entspannter, in einem behüteten Umfeld zu leben (und dort älter als in freier Wildbahn zu werden), als ständig mit hohem Adrenalinspiegel den nächsten Angriff eines Löwenrudels zu erwarten? Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass der Mensch nun das Recht habe, Lebewesen zu quälen. Es ist jedoch eine möglichst ethische Abwägung aller Interessen vorzunehmen (ja, auch Menschen dürfen Interessen haben).
Man könnte endlos viele Beispiele liefern, bei denen ich mir aus Sicht des Tieres den Kontakt zu Menschen durchaus wünschen würde. Selbst bei Haustierhaltung gibt es für Tiere positive Effekte, die in freier Natur so nicht vorhanden sind.
Aber vielleicht liege ich auch falsch und die freie Natur ist die bessere Alternative. Dann wünsche ich mir allerdings, dass ich militante "Menschenbefreiungsaktionen" nicht mehr miterlebe, in der Menschen aus ihren Häusern vertrieben, von jeglicher Medizin und Grundversorgung getrennt werden, damit sie endlich wieder in freier Natur glücklich sein dürfen...
Achim Stößer am Permanenter Link
Best äußert mancherlei Unfug.