Chronik einer künstlichen Aufregung

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Moscheeteppich / Foto: Dieter Schütz

WIEN. (hpd) Aufregung zum Abgang, unbeabsichtigte Wahlhilfe für die Rechtsparteien oder der kalkulierte Versuch, sich zum Opfer zu stilisieren. Die Forderung von Anas Shakfeh, Moscheen in jeder der neun Landeshauptstädte zu bauen, sorgt in Österreich für Aufregung. Zumal zwei Landtagswahlen vor der Tür stehen. Eine Analyse von Christoph Baumgarten.

Anas Shakfeh, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ ), muss gewusst haben, welche Reaktionen er auslösen würde. In einem Interview mit der Austria Presse Agentur forderte er, dass jede der neun Landeshauptstädte eine Moschee mit Minarett haben solle. „Das ist die Hoffnung für die Zukunft“. Begründet wurde das unter anderem damit, dass es nur 200 muslimische Gebetsräume in Österreich geben soll. „Die Anzahl der muslimischen Bevölkerung ist bei einer halben Million angelangt, was wir an Bethäusern haben, reicht nicht aus.“ Und machte sofort klar, dass es bei den Minaretten darum geht, dass die bisher meist unsichtbare Minderheit ihre Anwesenheit sichtbar dokumentieren will. Theologische Begründung gebe es für die Türme ebensowenig wie für Kirchtürme, sagte der Präsident der IGGiÖ. Er erinnert daran, dass in Österreich bis vor knapp 150 Jahren auch protestantische Kirchen keine Türme haben durften. „Deshalb bin ich für die Zukunft optimistisch, dass es irgendwann zu einer Normalität kommt“.

Was nahezu erwartungsgemäß die Rechtsparteien auf den Plan rief, die sich noch dazu im Wiener Gemeinderatswahlkampf besonders ausländerfeindlich zu positionieren versuchen. Das BZÖ, eine Abspaltung der FPÖ, fordert Volksbefragungen bei Minaretten. Auch der FPÖ scheint es vordergründig um die Türme und deren Höhe zu gehen. Keine Minarette bei „uns“, heißt es apodiktisch, verbunden mit der Forderung nach einem Zuwanderungsstopp aus islamischen Ländern und der kaum verhohlenen Aufforderung an Shakfeh, er solle wieder abreisen. Moscheen seien Brutstätten des Islamismus und Terrorismus und in Österreich lebende Muslime sollen nach einer allfälligen Volksbefragung zu „zentralen Themen des Islam“ eine Erklärung unterschreiben müssen, dass für sie die österreichischen Gesetze mehr gelten als der Koran.

Rhetorisch ähnlich klang die Kritk aus einer anderen Ecke. Cahit Kaya, der die Bewegung der Ex-Muslime in Österreich etablieren will, beschuldigte Shakfeh in Facebook-Einträgen, für eine Verbreitung des Islamismus einzutreten. Er sieht hinter den Moschee-Projekten vorwiegend Organisationen des politischen Islam und tritt öffentlich für ein Minarettverbot nach Schweizer Vorbild ein.

Viel Aufregung für Wortmeldungen, die kaum mehr als das Recht auf Religionsausübung einfordern. Und viel Aufmerksamkeit für einen Mann, dessen Status alles andere als geklärt ist. Shakfeh gilt rechtlich als oberster Repräsentant der österreichischen Muslime. Die IGGiÖ organisiert etwa den Religionsunterricht an Österreichs Schulen. Viel mehr hat er aber auch nicht zu reden. Und wie viele Mitglieder die IGGiÖ hat, ist unklar. Schätzungen schwanken zwischen mehreren hundert und ein paar tausend. Shakfeh, der auch für die saudische Botschaft arbeitet, weigert sich beharrlich, Zahlen zu nennen. Er gilt als defensiver Hardliner – nach außen versucht er, einen toleranten Islam zur repräsentieren. Intern soll er vor allem Konservativen zu Posten in theologischen Gremien und als Religionslehrer verholfen haben, wie ihm KritikerInnen vorwerfen. Sie sagen auch, mit der Demokratie sei es nicht weit her in der IGGiÖ. Die Vorstandswahlen sind mehrere Jahre überfällig und sollen nach jüngsten Ankündigungen 2011 stattfinden. Schuld an der Verzögerungen sind – laut Shakfeh – die Prozeduren rund um die neue Satzung der IGGiÖ. Eine Stellungnahme, die man auch schon seit längerem von ihm hört.

Andernorts wären die Bemerkungen mit einem Kopfnicken quittiert worden. In Österreich schürt die Rechte seit Jahren die Angst vor „dem Islam“ und unterstützt Bürgerinitiativen gegen Moscheebauten. Dazu kommt, dass wichtige Landtagswahlen bevorstehen – da kommt der FPÖ, die „Wiener Blut“ gegen „zu viel Fremdes“ schützen will Shakfeh gerade Recht. Und ihm die Aufregung um seine Person. Hier kann sich der Konservative in die Opferrolle flüchten und sich von Menschenrechtsgruppen und Sozialdemokraten und Grünen vor offen fremdenfeindlichen Angriffen in Schutz nehmen lassen. Was seine Aussagen einer kritischen Analyse entzieht.

Tatsächlich fordert er nichts Anstößiges. In einem liberalen Rechtsstaat muss es möglich sein, dass Angehörige jeder Religion ihre Gebetshäuser so bauen, wie sie wollen. Und dass Minderheiten, egal wie lange sie im Land sind oder ob sie ethnische, religiöse oder weltanschauliche sind, ihre Präsenz offen zur Schau stellen, sollte auch kein Thema sein. Wobei die öffentlich bekundete Präsenz Shakfehs Hauptanliegen zu sein scheint. Sachlich lässt sich der Anspruch auf eine Moschee pro Landeshauptstadt nicht anders begründen. In Tirol und Vorarlberg könnte es etwa genügend türkische GastarbeiterInnen und Nachfahren für je zwei Moscheen geben, in Wien und der Steiermark ebenfalls, vom Industrieland Oberösterreich zu schweigen. Und die jeweiligen Zentren vor allem türkischer Ansiedelung sind nicht immer ident mit den Landeshauptstädten. Im Burgenland hingegen ist fraglich ob überhaupt eine einzige Moschee Sinn machen würde. Wobei es keinen sachlichen Grund gibt, gegen Shakfehs Vorstellungen Sturm zu laufen, auch wenn sie vor allem auf eine sichtbare Präsenz abzielen.

Anders sieht es mit der Frage aus, welche Vereine die jeweiligen Moscheen bauen sollen. In Österreich etwa käme vor allem der türkische Verein Atib in Frage. Er gilt als verlängerter Arm des Religionsministeriums und gilt als nicht zu vernachlässigender Faktor in der Re-Islamisierung innerhalb der Community. Eine zweite Kraft, die die Bauten vermutlich unterstützen würde, wäre das saudische Königshaus, das auch in Bosnien versucht, mit großzügigen Geldspenden wahabitische Gemeinden zu stützen. Gemeinden, die antidemokratisch und antirechtsstaatlich ausgerichtet sind. Shakfehs Naheverhältnis zur saudischen Regierung beruhigt KritikerInnen keineswegs, die befürchten, dass neue Moscheen vorwiegend das „islamische Selbstbewusstsein“ bei MigrantInnen stärken sollen. Eine Tendenz, die bei HumanistInnen, FreidenkerInnen und säkularen MuslimInnen auf Ablehnung stößt. Und bedenkt man die bisherige Politik der IGGiÖ ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass genau solche Strömungen gefördert werden sollen. Aber im derzeit aufgeheizten Klima ist diese Frage kaum öffentlich zu formulieren. Möglicherweise hat Shakfeh genau das gewollt – in dem er die eine gegen die andere Seite ausgespielt hat.

Christoph Baumgarten