DÜSSELDORF. (wr/hpd) Der christliche Kampf um die kulturelle und geschichtliche Deutungshoheit in den staatlichen Gerichten Nordrhein-Westfalens geht weiter. Anlässlich des Jahrestags der Deutschen Einheit wurde ein Kreuz im Verwaltungsgericht Düsseldorf aufgehängt, das aus Resten innerdeutschen Grenzzauns angefertigt ist.
Dieses christliche Symbol sei ein „Siegeszeichen“ über Sünde und Tod, erklärte dazu das Präsidium des Verwaltungsgerichts. Es verweise zudem lediglich auf die Wurzeln, aus denen sich die freiheitliche Ordnung des deutschen Grundgesetzes speise. Die fromme Gerichtsleitung stellt sich dabei nicht nur der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen.
In einem einseitigen Brief an die Mitarbeiter informierten der Präsident und die Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichts, Andreas Heusch und Gabriele Verstegen, über das nun im zweiten Stock befestigte Kruzifix aus Resten des alten Grenzzaunes. Sie beriefen sich darin auf den expliziten Gottesbezug in der Präambel der nordrhein-westfälischen Landesverfassung, welcher eine deutliche Absage an totalitäre und menschenverachtende Ideologien darstellen solle.
Das Kreuz ist so platziert, dass man unausweichlich darauf zugeht, wenn man die Treppe des Verwaltungsgerichts hinauf geht.
Obwohl zahllose ausdrückliche Gottesbezüge, sowohl während der einstigen Herrschaft des Nationalsozialismus wie auch heute noch weltweit, immer wieder menschenverachtende Maßnahmen ideologisch fundamentierten, würde der Gottesbezug in der Präambel der Landesverfassung nach Meinung des Gerichtspräsidiums heute „unmissverständlich Auskunft“ über das die freiheitliche Verfassung konstituierende Menschenbild geben. Dies soll durch das aufgehängte Kruzifix deutlich gemacht werden.
Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht stellt sich mit seiner Kruzifix-Aufhängung gegen einen diesbezüglich deutlichen Bundesverfassungsgerichtsbeschluss. Deshalb bezog umgehend auch die Neue Richtervereinigung (NRV) erneut klar Stellung zum aufkommenden Streit. Die NRV erklärte, die Aufhängung sei ein Verfassungsbruch der Gerichtsverwaltung. Die Düsseldorfer Verwaltungsrichter hätten dem Bundesverfassungsgericht mit ihrer Kruzifix-Aufhängung „offen den Fehdehandschuh“ hingeworfen und würden ihre Verpflichtung missachten, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu folgen.
Dieses hatte zuletzt 1995 festgestellt, dass religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen nicht mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar sind. Jeglichen Umdeutungsversuchen, so betont die NRV in ihrer jüngsten Stellungnahme erneut, wurde mit der Entscheidung eine ausdrückliche Absage erteilt. „Das Kruzifix“, wird von der NRV der „Kruzifix-Beschluss“ des höchsten deutschen Gerichts zitiert, sei als „spezifisches Glaubenssymbol des Christentums schlechthin“ keinesfalls lediglich „Ausdruck der vom Christentum mitgeprägten abendländischen Kultur.“
Das Kruzifix, so erklärt die NRV weiter, behalte seinen appellativen Charakter auch, wenn es in eine Beziehung mit dem Thema Wiedervereinigung gesetzt wird. In dieser Sache geht es „nicht um die Freiheit der Kunst, sondern um die Frage, ob eine Gerichtsverwaltung die Freiheit hat, die verfassungsrechtlich gebotene weltanschauliche Neutralität des Staates in Frage zu stellen.“
Jeder Mensch, welcher ein Verwaltungsgericht aufsucht, müsste sowohl im Sitzungssaal wie im Gerichtsflur darauf vertrauen dürfen, „dass in der staatlichen Institution Justiz allein rechtliche Maßstäbe für die gerichtliche Entscheidung Bedeutung haben und dass die dritte Staatsgewalt nicht in irgendeiner Weise mit religiösen Bekenntnissen oder Kirchen verwoben ist oder sich diesen verpflichtet fühlt.“
Nach Auffassung der NRV bestellt das Düsseldorfer Gerichtspräsidium mit seinem Handeln eine weitere Entscheidung aus Karlsruhe. Wird das Kruzifix im Verwaltungsgericht Düsseldorf nicht entfernt, soll gegen die Aufhängung des Kruzifixes geklagt werden.
Es ist nicht der erste Versuch, Symbole der christlichen Religion unter einer historisch-kulturellen Umdeutung wieder in den Gerichten Nordrhein-Westfalens zu installieren. Bereits vor wenigen Monaten bemühten sich Kirchenangehörige im Vorfeld der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, im neuen Gebäude des Düsseldorfer Land- und Amtsgerichts ein Kruzifix an „prominenter Stelle“ zu platzieren. Nach scharfer Kritik von säkularen Organisationen und einer entschiedenen Stellungnahme der NRV einigten sich die Präsidenten der Gerichte und Vertreter der Kirchen schließlich darauf, das Kruzifix im öffentlich nicht zugänglichen Amtszimmer des Amtsgerichtspräsidenten zu befestigen.
Arik Platzek