Arthur-Koestler-Preis 2010 an Reto U. Schneider

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DGHS-Präsidentin Elke Baezner / Fotos © DGHS (Evelin Frerk)

BERLIN. (hpd) Die Jury der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) e.V. hat für das Jahr 2010 ihren Medienpreis an den Schweizer Journalisten Reto U. Schneider vergeben. Zudem wurde der Berliner Arzt Dr. Michael de Ridder mit dem Sonderpreis „Lebensuhr“ geehrt.

 

Der mit 5.000 Euro dotierte Medienpreis für „herausragende journalistische Beiträge zur Sterbethematik“ (Arthur-Koestler-Preis) der DGHS wurde an den Schweizer Journalisten Reto U. Schneider vergeben. Ausgezeichnet wurde sein Text „Bea geht“, der in der Januar-Ausgabe 2010 des „NZZ Folio“ der Neuen Züricher Zeitung erschienen ist.

Der Jury gehörten die Preisträgerin des Vorjahres, die Wissenschaftsjournalistin und Spiegel-Redakteurin Beate Lakotta, die DGHS-Präsidentin Elke Baezner und DGHS-Vizepräsident Gerhard Rampp an.

In der Jury-Begründung heißt es: „Der Beitrag ist nicht nur stilistisch sauber durchgearbeitet, sondern stellt ein Postulat in den Mittelpunkt, das in der öffentlichen Diskussion immer etwas zu kurz kommt: Es geht nicht nur um Selbstbestimmung, sondern auch um Eigenverantwortung, d.h. dass der/die Betroffene möglichst viel selbst in die Hand nimmt und andere möglichst wenig in die Verantwortung hineinzieht.“

Damit erhalte, so der DGHS-Vizepräsident Gerhard Rampp in seiner Laudatio, zum ersten Mal ein nicht-deutscher Autor diesen Medienpreis. Die Konkurrenz unter den journalistischen Arbeiten sei groß geworden, aber die Geschichte von Reto Schneider sei etwas Besonderes. In einem sachlich, nüchternen Stil einer objektiven Berichterstattung schreibt er ohne Pathos über die Entscheidung einer Frau, selbstbestimmt zu sterben. Die subtile, komprimierte Beschreibung der letzten vier Lebensjahre einer 36-jährigen Frau zwinge den Leser zum Nachdenken, zum Mitempfinden. Erst sieben Jahre nach dem Tod von Bea habe Schneider die Geschichte geschrieben, die Geschichte eines Paares, das um Selbstbestimmung kämpft. Ihr Tod ist weder der Höhepunkt noch das Ende der Geschichte. Und: „Es ist zu hoffen, dass dieser Text auch in Deutschland Wirkung entfaltet.“

Der Preisträger Reto U. Schneider bedankte sich nicht nur für die Auszeichnung, sondern skizzierte auch Persönliches seiner Arbeit. „Es gibt ja viele Journalistenpreise, aber nur wenige für Themen, bei denen es Mut braucht, dafür einzustehen. Anfangs habe ich mich gefürchtet, die Geschichte aufzuschreiben. Es ist etwas sehr Intimes.“ Aber dann habe es einen äußeren Anlass gegeben, als das Redaktionsteam des NZZ Folios entschied, das Thema Tod zu behandeln. Das sei für ihn der Anstoß gewesen. Er habe dann mit Beas Ehemann, mit ihren Freunden gesprochen und alle hätten ihn unterstützt. Ihnen gebühre eigentlich dieser Preis, ihrer Offenheit und Bereitschaft mit ihm darüber zu reden. Bea wollte zu Hause sterben. Ihre Mitgliedschaft bei „Exit“ gab ihr diese Möglichkeit, Zeit zu haben, sich voneinander zu verabschieden. „Beas Weg ist kein Rezept. Es ist ein Weg, wie ein Mensch, der nicht an einen Gott glaubt, in Freden sterben kann.“

Sonderpreis „Lebensuhr“ für Dr. Michael de Ridder

Der Chefarzt der Rettungsstelle der Vivantes-Klinik am Urban in Berlin, Dr. med Michael de Ridder, der bereits mit dem Ossip K. Flechtheim/Humanismus-Preis 2009 des Humanistischen Verbandes ausgezeichnet wurde, erhielt für sein Buch „Wie wollen wir sterben? Ein ärztliches Plädoyer für eine Sterbekultur in Zeiten der Hochleistungsmedizin“ den Sonderpreis „Lebensuhr“ der DGHS.

Wie die Präsidentin der DGHS, Elke Baezner, betonte, habe es in den vergangenen beiden Jahren drei besondere Ereignisse aus der Sicht der DGHS gegeben: Das Patientenverfügungsgesetz 2009, der gewonnene Prozess vor dem Bundesgerichtshof und das Buch von Michel de Ridder.

De Ridders Buch, so die Jury-Begründung, „trage dazu bei, die Würde des Sterbenden wieder als Gradmesser ärztlichen Handelns zu achten und ein friedliches Sterben zu ermöglichen.“ Die Debatte zum Thema sei exemplarisch gewesen: „Sein Buch rüttelt auf!“ und „Ein vielfach schmerzhaftes Buch, das eigentlich eine Revolution auslösen müsste.“ Es sei ein Buch, das auch Diskussionen unter Ärzten ausgelöst habe. Auch die Medizin müsse lernen, loslassen zu können, den Patienten selbstverantwortlich selbstbestimmt entscheiden zu lassen.

Brücken bauen!

Dr. Michael de Ridder bezeichnete die Auszeichnung als Ermutigung, da er seinen Weg von Kollegen allein gelassen gehe. Trotz des Patientenverfügungsgesetzes bestehe unter Ärzten und auch unter Juristen immer noch Dissens und Diskussionsbedarf. Er sehe seine Aufgabe auch darin, Brücken zu bauen.

Das Wichtigste sei der Dialog, wie er im Patientenverfügungsgesetz vorgesehen sei, denn die Willensermittlung des Patienten sei nur in einem solchen Dialog möglich. Das sei die große Chance des jetzt geltenden Gesetzes. Das Gespräch ist auch immer Aufgabe der Medizin. Und er schloss: „Das ist besonders wichtig in einer Zeit, in der die medizin-ethische Diskussion verflacht.“

C.F.