Gesetzentwurf zur Sterbe- und Suizidhilfe

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Hände / Foto: Albrecht E. Arnold (pixelio)

BERLIN. (hpd/had) Die Bundesärztekammer diskutiert auf dem nächsten Deutschen Ärztetag (31. Mai bis 3. Juni 2011) ihre Richtlinien ärztlicher Sterbehilfe. Seit Freitag (24.2.2011) findet sich auf der Homepage der Patientenverfügungen des HVD ein „Gesetzentwurf ‘Sterbe- und Suizidhilfe’ 2011“, mit Vorschlägen zu Gesetzesänderungen betreffs Suizidhilfe und zu angrenzenden Fragen.

Der Gesetzentwurf wurde von Gita Neumann (Mitglied der Akademie für Ethik in der Medizin) und Mitarbeiter/-innen zusammengestellt und ergänzt, auf der Basis des Alternativentwurfs eines Gesetzes über Sterbehilfe eines Arbeitskreises von Professoren des Strafrechts und der Medizin sowie ihrer Mitarbeiter (Stuttgart 1986) und den Beschlüssen des 66. Deutschen Juristentages 2006 zum Strafrecht auf Grundlage des „Alternativ-Entwurfs Sterbebegleitung“ von Gutachter Prof. Torsten Verrel.

Der Gesetzentwurf von Neumann behandelt Neuregelungen im Strafrecht (StGB), besonders durch Hinzufügung eines neuen § 214 „Abbruch oder Unterlassung lebenserhaltender Maßnahmen“, § 214 a „Nichthinderung einer Selbsttötung“ und eines § 215 „Leidensmindernde Maßnahmen“.

Ein ganzer Abschnitt des Gesetzesvorschlags befasst sich mit der „Ärztlich assistierten Selbsttötung“ und betrifft das Ärztliche Standesrecht bzw. die Berufsordnung. Schon in seiner Entschließung „Autonomie am Lebensende“ im Jahre 2003 hatte sich der HVD dafür ausgesprochen. „Humanismus aktuell“ hatte eine Akademie-Tagung dokumentiert, „Humanes Leben bis zuletzt“, die nun im Netz als pdf abrufbar ist.

Der Gesetzentwurf Neumann führt zum Thema ärztlich begleiteter Suizid aus:

„(1) Es widerspricht nicht dem ärztlichen Ethos, wenn ein Arzt auf ausdrückliches und ernstliches Verlangen eines unheilbar tödlich oder schwer chronisch erkrankten Patienten Mittel zur Verfügung stellt, um Leid abzuwenden, welches vom Betroffenen selbst als nicht mehr erträglich empfunden wird. Vorauszusetzen ist dabei, dass Leidminderung oder Unterlassung lebensverlängernder Maßnahmen dem Patienten als mögliche Alternative angeboten wurden.

(2) Zu den ärztlichen Sorgfaltspflichten gehört die Prüfung der Voraussetzungen gemäß § 214 a StGB. Dazu sind persönliche Gespräche über einen längeren Zeitraum zu führen, wobei die Abklärung im Einzelnen auch durch eine Drittperson erfolgen kann, die nicht ein Arzt sein muss.

(3) Hilfe zur Selbsttötung ist nicht Bestandteil der ärztlichen Aufgaben, sondern eine Gewissensentscheidung in einer Grenzsituation, zu der kein Arzt verpflichtet ist oder genötigt werden darf.

(4) Bei differenzierter Beurteilung des Einzelfalls ist insbesondere bei einem Patienten, dessen Leiden auch mit palliativmedizinischen Mitteln nicht zu lindern oder dessen Lebenserwartung weniger als 6 Monate beträgt, die Nicht-Hinderung eines Suizids und die ärztliche Begleitung bis zum Tod als eine vertretbare Form der Sterbebegleitung anzusehen.“

Abschließend nimmt der Gesetzentwurf auch zur strittigen Freigabe bzw. Verabreichung von „Natrium-Pentobarbital (Betäubungsmittelrecht)“ positiv Stellung: „Natrium-Pentobarbital (NaP) ist in der Humanmedizin als geeignetes und sicheres Mittel zum ärztlich assistierten Suizid und zur Suizidbegleitung durch Nahestehende zuzulassen.“

Besonders bedeutsam ist hierzu ein neuer § 214 b „Unterstützung einer Selbsttötung aus Gewinnsucht“. Darin heißt es: „Wer die Selbsttötung eines anderen aus Gewinnsucht unterstützt oder ihn aus sonstigen selbstsüchtigen Beweggründen dazu verleitet und ihm dazu verhilft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Wer als Arzt oder mit ärztlicher Ermächtigung bei einem tödlich Kranken mit dessen mutmaßlichem Einverständnis gemäß den palliativmedizinischen Regeln Maßnahmen zur Linderung schwerer, anders nicht zu behebender Leidenszustände trifft, handelt nicht rechtswidrig, wenn durch diese als unbeabsichtigte und unvorhersehbare Nebenwirkung der Eintritt des Todes beschleunigt wird. Dies gilt auch bei nicht völlig unvermeidbarer und unvorhersehbarer todesbeschleunigender Nebenwirkung, wenn diese vom tödlich Kranken ausdrücklich einwilligend in Kauf genommen wurde.“

Zu dem Gesetzentwurf Neumann, der auf einer über zwanzigjährigen praktischen Erfahrung im Bereich Humanes Sterben basiert, wird es bestimmt bald öffentliche Stellungnahmen geben. Auch der HVD wird sich sicher öffentlich dazu verhalten. Er tritt seit Jahren mit anderen für begleiteten Suizid ein, so dass dieser Gesetzentwurf auch in die Richtung geht, zumindest die heute schon praktizierten und prinzipiell zulässigen Möglichkeiten vom Tabu des vermeintlich Gesetzeswidrigen und Amoralischen zu befreien.

Wenn ein willensfähiger Schwerstkranker sein Weiterleben nachhaltig für ein größeres Übel hält als den Tod und / oder wenn ein rechtfertigender Notstand (z.B. qualvolles Ersticken-Müssen) vorliegt, wird jeder ethisch empfindsame Mensch wohl auch den Gedanken an Hilfe zum Sterben zulassen wollen – gerade auch durch Ärzte, die, wenn es gar nicht anders mehr geht, auch Sterbehelfer sein dürften, wenn ihre eigene ethische Einstellung dies gestattet.

Horst Groschopp

(Erstveröffentlichung auf der Internetseite der Humanistischen Akademie)