BERLIN. (hpd) Das Brandenburger Tor hat eine Vorderseite und eine Rückseite, vor denen jeweils eigene Plätze liegen. Ihre Benennung und das Leben auf Ihnen ist von einer großen Symbolik für eine demokratische Erinnerungskultur in Deutschland und die Erinnerung an den 18. März 1848.
Der eine Platz vor dem Brandenburger Tor, stadteinwärts, ist umgeben von der Akademie der Künste, dem Luxushotel Adlon, der französischen und der US-amerikanischen Botschaft, von mehreren Cafés gesäumt und dort ist eigentlich immer etwas los. Es ist, als Abschluss des Boulevards „Unter den Linden“, einer der beliebtesten Treffpunkte von Touristen und Demonstranten, immer lebendig und belebt: der Pariser Platz.
Der andere Platz, stadtauswärts, ist von nichts umgeben, eine leere gepflasterte Fläche über die der Wind hinweg pfeift und die darüber hinweg eilenden Menschen möglichst schnell den Windschutz des Brandenburger Tores und des Pariser Platzes suchen. Auf einem altertümlichen Straßenschild steht die Bezeichnung dieser versteinerten Fläche: „Platz des 18. März“.
18. März? Die zufällige Befragung einiger Passanten bestätigt die Annahme, dass keiner von ihnen weiß, was damit gemeint ist. Wenn eine Jahreszahl dabei stehen wäre, wäre es eventuell hilfreich, aber da zweimal ein 18. März gemeint ist, hat es keine Jahreszahl. Das eine ist der 18. März 1848, das andere der 18. März 1990. In diesen beiden unterschiedlichen Ereignissen verdeutlicht sich prägnant die Eigenart einer nationalen Erinnerungskultur.
Der 18. März 1848 ist mit der bürgerlichen Revolte, der „Tag der Märzgefallenen“ und der 18. März 1990, der Tag einer friedlichen Wahl. Der Tag der Erinnerung, dass es demokratische Errungenschaften nicht umsonst gibt, gegen die Auffassung, man müsse nur zur Wahl gehen? Die Relativierung oder gar Tilgung eines revolutionären, demokratischen Aufruhrs, der danach auch immer wieder auch Kulminationstermin der Auseinandersetzungen zwischen Demokraten und Arbeiterbewegung gegen die Staatsmacht wurde, gegen friedliche Wahlen zur Bestätigung des Vorhandenen?
Friedhof der Märzgefallenen
In dieser Erinnerungskultur hat der Friedhof der Märzgefallenen eine besondere Bedeutung, weil sich in der Geschichte seiner Gestaltung, seiner beabsichtigten Umbauten und seines Verfalls der Umgang mit der „1848ern“ augenfällig zeigt. Der Paul-Singer-Verein, der sich die Pflege des Friedhofs der Märzgefallenen zur Aufgabe gemacht hat und zu einer nationalen und europäischen Gedenkstätte der Demokratie ausbauen will, schreibt dazu: „Die (März-)Revolution von 1848 steht in vielen Ländern Europas für Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit und Demokratie. Um diese Werte zu bewahren, brauchen wir Orte positiver Erinnerungskultur, die die Geschichte unserer Demokratie zeigen.“
Entwurfsskizze einer nationalen Gedenkstätte / Abb. maerzrevolution.de
Am 18. März 1848 kapitulierte in Berlin das Militär des preußischen Königs vor den Kämpfern für Freiheit und Demokratie. Es war der „Völkerfrühling“ der Demokraten. Auf beiden Seiten hatte es Tote gegeben. .Das Militär verweigerte eine gemeinsame Beerdigung der zivilen Opfer und der getöteten Soldaten. So wurden am 22. März auf dem Gendarmenmarkt im Herzen Berlinsund auf den Stufen des Deutschen Doms die 182 zivilen Opfer aufgebahrt.
Der Trauerzug vom Deutschen Dom zum Volkspark Friedhain soll aus rund 20.000 Teilnehmern und 3.000 Ordnern bestanden haben, er soll etwa 7,5 Kilometer lang gewesen und vier Stunden gedauert haben. Die Route des Zuges mit den Särgen führte auch am Schloss vorbei, auf dessen Balkon der König zu stehen hatte und während des Vorbeizuges der Säge als Zeichen der Ehrerbietung gegenüber den Toten seinen Helm abzusetzen hatte.
»Verachtet mir die Dichter und die Träumer nicht«
Die Aktion 18. März wurde 1978 unter der Schirmherrschaft der Schriftstellerin Ingeborg Drewitz und des ehemaligen regierenden Bürgermeisters von Berlin (West) Heinrich Albertz gegründet. Die Aktion ist bestrebt, den 18. März als Nationalen Gedenktag und Feiertag zu etablieren, „als Geburtstag der Demokratie in Deutschland.“ Gedacht war der Tag als gemeinsamer Nationalfeiertag in beiden deutschen Staaten. In der Bundesrepublik sollte der 17. Juni und in der DDR der 7. Oktober abgeschafft und stattdessen der 18. März gefeiert werden. Ein Vorschlag der in der DDR verschwiegen und in der Bundesrepublik freundlich belächelt wurde. Nur Die ZEIT schrieb: »Verachtet mir die Dichter und die Träumer nicht«.
Nach der Wende 1989 wurde der historische Bezug auf Vorschlag von Wolfgang Thierse erweitert, oder sollte man sagen verwässert, denn nun sollte mit dem 18. März nicht nur an 1848, sondern auch an den 18. März 1990 erinnert werden, als die ersten Wahlen zur Volkskammer der DDR nach der Wende stattfanden. Dieser Vorschlag wird vom Berliner Senat akzeptiert und seit Juni 2000 heißt der „Platz vor dem Brandenburger Tor“ nun „Platz des 18. März“ ohne Jahr.
18. März statt 3. Oktober
Was für Unterschiede. Der derzeit gültige Nationalfeiertag des 3. Oktober, für den sich in der Bevölkerung kaum jemand interessiert, und das Gedenken einer Revolte gegen die Obrigkeit. Deutlicher könnte der Unterschied einer Auffassung von „wehrhafter Demokratie“ eigentlich nicht sein.
Die Bauarbeiten auf dem Friedhof der Märzgefallenen in Berlin sind zumindest ein erster Schritt, diesen Demokraten eine würdigere Erinnerung als bisher zu geben.
C.F.
Aktuelle Fotografie © Evelin Frerk
Historische Abbildung: "Aktion 18. März"