Ein Überbleibsel der „K-Gruppen“

(hpd) Der Politikwissenschaftler Sascha Dietze legt eine Studie zur inhaltlichen Ausrichtung einer kommunistischen Kleinpartei mit maoistischer und stalinistischer Ausrichtung vor. Ihm gelingt auf Basis der Auswertung von Primärquellen eine anschauliche Darstellung zum Thema.

 

Anlässlich größerer organisationsübergreifender linker Demonstrationen und Veranstaltungen kann man häufig auch Fahnen, Infotische oder Transparente der MLPD ausmachen. MLPD steht für „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“. Bei ihr handelt es sich um eines der wenigen „Überbleibsel“ der „K-Gruppen“ der 1970er Jahre, also kommunistischer Gruppen, die sich nicht an der DDR oder der Sowjetunion, sondern an dem China Maos orientierten. Einige dieser Gruppen sahen ebenso in Stalin ein politisches Vorbild. Dies trifft auch auf die MLPD der Gegenwart zu. Sie verfügt zwar nur knapp über 2.000 Mitglieder, die aber aufgrund ihrer organisatorischen Einbettung in eine straffe Struktur überaus aktiv sind. Gleichwohl fand die Partei in der politikwissenschaftlichen Forschung bislang kein sonderliches Interesse, sieht man einmal von wenigen Artikeln und Aufsätzen ab. Mit der von Sascha Dietze vorgelegten Arbeit „Die Ideologie der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands“ (MLPD) liegt erstmals eine Studie zum Thema vor.

Ihre Erkenntnisleitende Frage lautet: „Was sind die wesentlichen, das Weltbild der MLPD konstituierenden Ideologiefragmente und welche dahinter verborgenen Ideologeme lassen sich identifizieren?“ (S. 11). Um darauf eine Antwort zu geben, hat der Autor seine Arbeit wie folgt gegliedert: Nach der Ausführungen zu Forschungsstand und Problemstellung geht er kurz auf die Entstehung der MLPD als Erbe der erwähnten K-Gruppen ein und benennt Josef Stalin, Mao Tsetung und Willi Dickhut als historische und ideologische Bezugspersonen. Danach widmet der Autor sich der Kritik der Partei am kapitalistischen Gesellschaftsmodell und dem sozialistischen Gesellschaftsmodell der DDR und der Sowjetunion. Dem folgen Ausführungen zu dem Weg und den Zielen eines propagierten alternativen Gesellschaftsmodells, den internationalen Positionen insbesondere zu Israel und dem Bild von der Geschichte Chinas und der Sowjetunion. Eine Gesamtwürdigung, eine Ideologiekritik und ein Exkurs zur Frage eines Parteiverbots runden den Band ab.

Bilanzierend bemerkt Dietze: „Die Partei lehnt die Institutionen- und Werteordnung der bürgerlichen Demokratie entscheiden und fundamental ab.“ Und weiter: Sie huldigt „einen Personen Kult der Diktatoren Stalin und Mao und spricht sich für den Maoismus und Stalinismus als alternative Gesellschaftsentwürfe aus“ (S. 101). Demgemäß gelte: „Das System, das sie zu errichten gedenkt, hätte vom ersten Tag an den Charakter einer Diktatur, wie sie in der Sowjetunion oder der Volksrepublik China zu finden war. Die Räte und Selbstverwaltungsorgane, die sie als Form der Machtausübung benennt, wären schnell Staffage, denn unverkennbar ist ihr alleiniger ideologischer Führungsanspruch“ (S. 92). Daher stellt sich die Frage nach einem evtl. Verbot, aber: „Die MLPD sollte nicht verboten sein, so lange sie keine akute Gefahr für die freiheitliche Demokratie darstellt. Ihre Ideologie verdeutlicht sehr anschaulich, dass auch am linken Rand Organisationen existieren, deren Bestrebungen auf die Errichtung einer totalitären Diktatur hinauslaufen“ (S. 108).

Da es bislang noch keine einzige wissenschaftliche Monographie auf dem Buchmarkt zur MLPD gibt, verdient allein schon das Erscheinen eines solchen Werkes Aufmerksamkeit. Hinzu kommt, dass der Autor differenziert und sachlich auf Basis einer arbeitsintensiven Auswertung von Primärquellen die Ideologie der MLPD gründlich und kompetent untersucht. Dabei bleibt er aber allzu häufig auf der beschreibenden Ebene stehen, hier und da hätte man sich schon ein wenig mehr Analyse gewünscht. Die Ideologie der MLPD kann aus unterschiedlicher Perspektive von der Extremismustheorie ebenso wie von der Ideengeschichte, von der Ideologiekritik ebenso wie von der Parteienforschung her analysiert werden. Dietze neigt einmal zu der einen, einmal zu der anderen Sicht, ohne aber dabei stringent und systematisch zu sein. Gleichwohl liegt mit seiner Studie eine bedeutende Arbeit zu einer kommunistischen Klein-Partei vor, welche in ihrer Bedeutung und Wirkung nicht überschätzt, aber auch nicht unterschätzt werden sollte.

Armin Pfahl-Traughber

 

Sascha Dietze, Die Ideologie der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) (Chemnitzer Beiträge zur Politik und Geschichte. Band 6), Münster 2010 (Lit-Verlag), 123 S., 19,90 €