WIEN. (hpd) Die österreichische Bundesregierung schenkt Religionsgemeinschaften und religiösen Besserverdienenden ab 2012 rund 30 Millionen Euro im Jahr. Weitgehend auf Zuruf der katholischen Kirche und ohne vorhergehende Diskussion. Der Absetzbetrag für den Kirchenbeitrag wurde verdoppelt, mehr wurde nicht kommuniziert.
Wer den Kirchenbeitrag an die katholische, protestantische oder altkatholische Kirche bezahlt, darf ab nächstem Jahr bis zu 400 Euro bei der Steuererklärung absetzen. Bisher waren es 200. Das hat die österreichische Bundesregierung in ihrer Regierungsklausur am steirischen Semmering in der Vorwoche beschlossen. Eine von gut 90 Maßnahmen, mit denen die Regierung den Vorwurf der Untätigkeit entkräften wollte. Von einem Fonds für Pflegefälle über einzelne Steuererleichterungen für Unternehmer und Bauarbeiter auf Auslandsmontage bis zu mehr Geld für die Kinderbetreuung war einiges drin. Auch Spenden an Tierschutzeinrichtungen und freiwillige Feuerwehren sollen ab 2012 teilweise absetzbar sein. Für die Kirchen musste bei der Spendierfreudigkeit offenbar auch etwas dabei sein.
Die 30 Millionen Euro, die das Steuergeschenk an die Kirchen und ihre besserverdienenden Schäfchen kosten dürfte, wären in dem Wust an Beschlüssen beinahe untergegangen. Zumal im Vorfeld nichts danach ausgesehen hatte – und die 15 Millionen Euro jährlich, mit denen die Regierung zusätzliche Kinderbetreuungsplätze fördert, mit großem Getöse abgefeiert wurden. Der Absetzbetrag für den Kirchenbeitrag war erst 2009 von 100 auf 200 Euro im Jahr erhöht worden. Öffentliche Debatten über das neue Steuergeschenk hatte es nicht gegeben. Nur weitgehend geheime Verhandlungen zwischen katholischer Kirche und Vertretern der Bundesregierung.
Es war auch der katholische Kardinal Christoph Schönborn, der als erster auf die Maßnahme hinwies. Via Presseaussendung sprach er der Bundesregierung „ein großes Danke im Namen von 3,7 Millionen Katholiken“ aus, die den Kirchenbeitrag bezahlen würden. Und ließ in der katholischen Nachrichtenagentur kathpress offen verlauten, dass er „in den letzten Wochen in Absprache mit der evangelischen und altkatholischen Kirche mit der Regierung intensive Gespräche geführt habe. Dabei konnten die positiven Auswirkungen des Kirchenbeitrags für Staat und Gesellschaft zur Sprache kommen, sagte der Kardinal, der seinen politischen Gesprächspartnern für das konstruktive Eingehen auf die Argumente der christlichen Kirchen dankte.“
Ein dankbarer Ansprechpartner dürfte der neue Vorsitzende der kleineren Regierungspartei ÖVP und Vizekanzler, Michael Spindelegger, gewesen sein. Der Außenminister ist wie Schönborn Mitglied des katholischen Elite-Ordens der „Ritter zum Heiligen Grab von Jerusalem“. Auch die neue Finanzministerin Maria Fekter, ebenfalls ÖVP, hatte in ihrer Vergangenheit ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche demonstrativ betont. Mit wem Schönborn hauptsächlich verhandelte, ist nicht bekannt.
„Das ist so jenseitig. ..“
Öffentliche Reaktionen gab es keine. Nur Österreichs Konfessionsfreie zeigten sich vor den Kopf gestoßen. „Das ist so jenseitig, dass ich nicht einmal weiß, was ich zuerst kritisieren soll“, kommentierte Niko Alm, Vorsitzender des Zentralrats der Konfessionsfreien. Er wies vor allem die Behauptung zurück, der Kirchenbeitrag habe eine positive Auswirkung auf Staat und Gesellschaft: „Wenn Religionsgemeinschaften etwas für die Öffentlichkeit leisten, tun sie das jetzt schon nicht gratis“. Die Caritas etwa würde überwiegend vom Steuerzahler finanziert, nur ein kleiner Betrag käme von der Kirche. Ähnlich sehe es bei kulturhistorisch wichtigen Gebäuden aus, die renoviert werden müssen. „Und wenn da der Steuerzahler nicht alles zahlt, gibt es eine Spendenkampagne, bei der viele Medienpartner kostenlos mitspielen. Von solchen Bedingungen können sozial tätige Vereine nur träumen.“
Tatsächlich profitieren hauptsächlich besserverdienende Mitglieder der katholischen, evangelischen und altkatholischen Kirchen von der Maßnahme. Anders als in Deutschland wird der österreichische Kirchenbeitrag nicht direkt vom Lohn abgezogen sondern von den Kirchenmitgliedern selbst überwiesen. Theoretisch sind 1,1 Prozent des Einkommens nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen – wobei die Kirchen weitgehend darauf angewiesen sind, dass die Mitglieder ihr Einkommen offen legen. Sonst wird nur geschätzt. Die höhere Absetzbarkeit dürfte es vor allem für Besserverdienende attraktiver machen, den vollen Betrag zu überweisen. Der volle Absetzbetrag dürfte erst ab einem Einkommen von etwa 70.000 Euro im Jahr spielend werden. Wer weniger verdient, hat von der erhöhten Absetzbarkeit wenig.
Staatsgeschenk an die religiösen Besserverdienenden
Selbst laut kircheneigenen Statistiken fanden bislang 75 Prozent der Kirchenbeitragszahler mit dem Absetzbetrag von 200 Euro alle Ausgaben für den gesetzlich vorgeschriebenen Beitrag abgedeckt. Nur 25 Prozent zahlen mehr. Die durchschnittliche Kirchenbeitragshöhe von 105 Euro jährlich lässt vermuten, dass auch der Großteil dieser Mehrzahler bei weitem nicht an die 400 Euro Absetzbetrag herankommt. Was die Erzdiözese Wien nicht daran hindert, in der kircheneigenen Wochenzeitschrift „Niederösterreichische Nachrichten“ zu jubeln, dass die neue Regelung „90 Prozent der Kirchenbeitragszahler“ zugute kommen würde.
Inwiefern sich das Steuergeschenk wie behauptet auf die sozialen Tätigkeiten kircheneigener Vereine auswirken soll, erläuterte die katholische Kirche nicht näher. Die kircheneigenen Mittel, die in die Organisationen fließen, halten sich in überschaubaren Maßen. Die katholische Kirche trägt etwa nur acht Prozent der Caritas-Ausgaben. Den Rest übernehmen die öffentliche Hand und eine Masse von Spendern. Und die konnten ihre Zuwendungen an die Caritas schon bisher von der Steuer absetzen.
Die österreichische Bundesregierung hielt sich mit Kommentaren zurück. Viel mehr als dass der Absetzbetrag für den Kirchenbeitrag verdoppelt wird, wurde nicht kommuniziert.
Christoph Baumgarten