Verleumdung als Methode

Und selbst vor relativ leicht überprüfbaren falschen Tatsachenbehauptungen schreckt Bierl nicht zurück, etwa wenn er in „Standpunkte“ behauptet, das „Manifest des evolutionären Humanismus“ von Michael Schmidt-Salomon sei zunächst in der Freien Akademie erschienen (auch dieses Buch scheint Bierl nur vom Hörensagen zu kennen, denn an einer Stelle zitiert er den Titel mit „für den“). Dies freilich ist allein in Bierls Fantasie so geschehen; tatsächlich erschien die erste Auflage des Manifestes im September 2005 bei Alibri, die erweiterte zweite Auflage folgte im darauf folgenden Jahr. (Wer’s nicht glaubt, kann gerne im Katalog der Deutschen Bibliothek nachschauen.)

Immun gegen Kritik

Für die mangelnde Seriosität seiner Arbeit ist auch Bierls Umgang mit Kritik bezeichnend. In einer privaten eMail hatte er einem Bekannten gegenüber behauptet, Hubertus Mynarek habe im Rahmen der „Heidenspaß-Aktionen“ gegen den Weltjugendtag 2005 in Köln referiert. Der Bekannte antwortet, dass dies nicht stimme (Mynarek war tatsächlich zunächst als Referent zum Thema „Kardinal Meisner“ vorgesehen, das Organisationskomitee entschied sich aber, auf diesen Vortrag zu verzichten; die Veranstaltung, die dann stattfand, wurde von der dem Universellen Leben nahestehenden Mahnmal-Initiative durchgeführt und stand in keinerlei Zusammenhang mit den Heidenspaß-Aktivitäten). Bierl seinerseits räumt aber nicht ein, falsch recherchiert zu haben, sondern biegt sich wiederum die Wirklichkeit zurecht: Mynarek habe halt im „offiziellen“ Heidenspaß-Programm nicht auftreten dürfen (was suggeriert, es hätte eine „offizielles“ und ein „inoffizielles“ Programm gegeben – ein Muster verschwörungstheoretischer, selbstimmunisierender Argumentation).

Diese Liste fragwürdiger Einschätzungen, offensichtlich bewusst verdrehter Darstellung, manipulativ wiedergegebener Zitate und selbst falscher Tatsachenbehauptungen ließe sich fortsetzen und um weitere Punkte ergänzen. Insbesondere mit der differenzierten Darstellung von Personen und Organisationen hat Bierl seine Schwierigkeiten, wie zum Beispiel seine Äußerungen zu ambivalenten Figuren wie Friedrich Nietzsche oder Konrad Lorenz zeigen. Selektive Wahrnehmung ist ein häufig eingesetztes Mittel der „Recherche“. So erwähnt Bierl, dass Michael Schmidt-Salomon den Topitsch-Preis erhalten hat, um ihn so in die rechte Ecke zu stellen. Dass der gbs-Sprecher auch mit dem „Multimediapreis des Landes Rheinland-Pfalz“ für ein Projekt von „nestwärme e.V.“, einem Förderverein für Familien mit chronisch kranken und behinderten Kindern, ausgezeichnet wurde, erwähnt er selbstverständlich nicht, da es dem von ihm gezeichneten Bild einer behindertenfeindlichen Giordano Bruno Stiftung widersprechen würde.

Dass es sich bei dem gesamten Vorgehen um „Fehler“ im Eifer der Debatte handelt, ist sehr unwahrscheinlich. Bierl hat viele Artikel in einer Regionalausgabe einer großen süddeutschen Tageszeitung veröffentlicht; er müsste wissen, welche journalistischen Standards unabdingbar sind. Viel wahrscheinlicher ist es, dass der Mann ganz genau weiß, was er tut und seine Verleumdungen als rhetorische Strategie einsetzt, nach dem Motto „Irgendwas wird schon hängenbleiben“.

Blinde Flecke

Wenn Peter Bierl seine Artikel im Dienst der Aufklärung sieht und sich in die Tradition der Kritischen Theorie stellt, nimmt die Sache tragikomische Züge an. Denn selten dürften in Jungle World und „Standpunkten“ Texte erschienen sein, die stärker auf die Zerstörung der Vernunft hinwirkten, als Bierls Polemiken. Er trägt einen Diskurs in linke Medien, der gesellschaftliche Verhältnisse nicht aufdeckt, sondern im Gegenteil ein Schwarz-Weiß-Denken befördert, das gesellschaftlichem Fortschritt im Wege steht.

Insofern benennen seine Aufsätze tatsächlich „blinde Flecke“ und „nach rechts offene Flanken“. Denn die Tatsache, dass seine haltlosen Vorwürfe seit Jahren immer wieder abgedruckt werden, dass Redaktionen seine Assoziationen und Unterstellungen als Argumentation akzeptieren, wirft Fragen auf. Wie Jungle World und „Standpunkte“ diese beantworten werden, wird sich zeigen. Die Zeitschrift „Der rechte Rand“ hat sich schon vor drei Jahren entschieden. Damals hatte ich die Redaktion in einem ausführlichen Schreiben auf zahlreiche unseriöse Argumentationen und fragwürdige Einschätzungen sowie insbesondere das manipulierte Kaplan-Zitat hingewiesen. Als Antwort erhielt ich den knappen Satz, mein Schreiben werde an den Autor (also den Mann, der das Zitat manipuliert hatte) weitergeleitet. Sonst nichts. Daraus darf wohl geschlossen werden, dass zumindest maßgebliche Teile der Redaktion die Manipulation von Zitaten für ein zulässiges Mittel journalistischer Arbeit halten. Und das ist wirklich ein Problem.

Gunnar Schedel