Es bewegt sich manches. Weiß man wohin?

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Blick in den Garten / Fotos © Evelin Frerk

LONDON. (hpd) Das „Große Sommerinterview“, mit dem der hpd traditionell seine Sommerpause beginnt, ist dieses Jahr ein längeres Gespräch mit der Schriftstellerin Esther Vilar über ihre Bücher und Theaterstücke, über die Freiheit und den widersinnigen Wunsch, sie aufzugeben, über Abenteuer und Lügen, über Erfolge, das Alter, das Arbeiten und die Vorstellung vom Paradies.

 

 

 

hpd: Esther, gibt es Städte, in denen du noch nicht gewohnt hast?

Esther Vilar: Ja, es gibt noch ein paar ... in jede italienische Stadt würde ich gerne gehen. In ein paar habe ich schon gewohnt. ... Nach Italien! Das ist vielleicht mein nächster Plan?

In diesem Buch hier steht: Heute lebt sie in Europa.

(Alle lachen) Na bitte!

Nun schlage ich das andere Buch auf, und was steht da drin? Sie lebt in Dublin.

(Lachen) Wunderbare Stadt. In Europa!

Als es klar war, dass wir nach London kommen würden, um mit dir zu sprechen, habe ich mich natürlich sehr gefreut, dich zu treffen. Meine Vorfreude galt aber auch vielen Dingen, die ich schon mehrmals in London gesehen habe, wie z. B. die Horse Guards in Whitehall. Das war für mich stets die Konstante in Großbritannien. Die Könige wechseln, die Regierungen in schnellerer Abfolge, die Wirtschaft geht rauf und runter, aber die Horse Guards, die waren da und sind immer da.

Ja, daran ist nichts zu ändern.

Und was war gestern? Wir stehen in Whitehall, aber keine Horse Guards.

Nein? Wie kommt denn das?

Das haben wir auch gedacht. Was ist denn überhaupt noch beständig in England und überhaupt in der Welt?

Auf nichts ist mehr Verlass, da muss ich doch gleich an die Queen schreiben. (Alle lachen) Ich habe sie übrigens tatsächlich einmal kennen gelernt, aber nicht richtig, nicht um ihr einen Brief zu schreiben. Sie war einmal in der Probe eines Stücks von mir. Es war an einem Tag, an dem sie Theater besucht hat. Und dann kam sie, und ich durfte ihr die Hand geben. Das war im Almeida Theatre hier in London, wo das Stück aufgeführt wurde.

War es das Stück über Albert Speer?

Ja, sie haben das hier auf Englisch produziert. Es war sehr gut gelungen, inszeniert vom Brandauer und er selbst spielte die Rolle des Speer. Das ging hier in England, weil niemand so genau weiß, wie der aussah. Aber in Deutschland wäre es wohl eine zu große Diskrepanz zwischen der Erscheinung von Brandauer und der von Speer. Hier hat es gut funktioniert.
Ja, so geht das, nun sind wir schon bei der Arbeit. (Alle lachen)

Kommst du selten in die Stadt? Du meintest vorhin, der Weg wäre so lang?

Doch! Normalerweise, wenn ich in London bin, fahre ich jeden Tag in die City. Ich bin Mitglied der London Library und das ist ein sehr schöner Ort zum Arbeiten. Es ist dort alles sehr traditionell und eng. Churchill soll da auch gearbeitet haben. Es ist alles sehr elegant und die Königin ist die Patronin. Das fasziniert mich einfach, weil das etwas so Englisches ist. Es ist auch eine sehr gemütliche Bibliothek und ich arbeite ohnehin gerne in Bibliotheken.

Karl Marx hatte, soviel ich weiß, im Lesesaal der Bibliothek des Britischen Museums einen festen Arbeitsplatz, ich meine es war der Platz Nr. 7, und es soll dort eine Plakette geben ...

(Lächelt) Da muss ich ja mal hin und mir das anschauen ...

Sitzt du in der London Library auch immer an dem gleichen Platz?

Nein, ich sitze dort, wo ein Platz frei ist. Und eine Plakette bekomme ich bestimmt nicht ... (Lachen)

Das weiß man aber nicht zu Lebzeiten, sondern immer erst wenn man gestorben ist, also posthum, du wirst es daher nicht wissen können....

Nun, es besteht ein starker Verdacht. Aber der Tom Stoppard, er ist der Direktor der London Library und ein berühmter Dramatiker, der wird sicherlich dort eine Plakette bekommen.

Also brauchte es eine Beharrlichkeit, immer den gleichen Platz einzunehmen,... Es passt doch eigentlich auch ganz gut zu deinem Lebenslauf, dass du einmal hier und dann dort sitzt, sofern es sich um ein künstlerisches Umfeld handelt?

Ja, das Umfeld ändert sich gar nicht so sehr bei mir, obwohl ich soviel umziehe. Aber ich bin dann ja in diesen zivilisierten Ländern, wo sich doch nicht so viel ändert durch die Umzieherei. Für total andere, zum Beispiel arabische Länder bin ich vielleicht etwas zu feige. In den Ländern Südamerikas geht es für mich natürlich auch sehr gut.

Hat das etwas mit der Sprache zu tun?

Ja, das hat auch viel mit Sprache zu tun. Ich bin schon froh, wenn ich mich unterhalten kann, wenn ich nicht in der Bibliothek sitze. Aber ich weiß so wenig über andere Kulturen ..., vielleicht sollte ich deshalb doch einmal ganz woanders hin.