‚A schöne Leich’ u.a. Notizen aus Wien

   

Die Nudelsiebaffäre

Sieht man vom Doch-Nicht-Kaiser-Begrbäbnis ab, hatte sich die Öffentlichkeit mit nichts weniger staatsgefährdendem zu beschäftigen als mit der Nudelsieb-Affäre. Wenn’s um Behörden geht, versteht der gemeine Österreicher keinen Spaß. Die Behörde schon gar nicht. Dass Niko Alm mit Nudelsieb am Kopf im Führerschein stehen darf, mache Österreich auf der ganzen Welt lächerlich, unkte die konservative Medienlandschaft. Weit gefehlt war’s nicht. Medien auf allen Kontinenten griffen die Geschichte dankbar auf, CNN inklusive –wenn auch eher mit Augenzwinkern.

Es spricht Bände, dass die erfolgreichste laizistische Aktion in Österreich seit gefühlten 2.000 Jahren dem Bereich Realsatire zuzuordnen ist. Zu diesem Eindruck trug die zuständige Behörde nach Kräften bei. Jedermann könne jede Kopfbedeckung auf einem Führerscheinfoto tragen, so lange nur das Gesicht zu erkennen sei, wurde verlautbart. Im krassen Widerspruch zu Foldern und hochoffiziellen Informationen im Internet, die dieses Privileg nur religiösen Menschen mit ebensolcher Kopfbedeckung zuerkennen, wie im Reisepass auch. Unerklärlich bleibt angesichts der Behördenargumentation, warum Niko Alm nach dem Foto zum Amtsarzt geschickt wurde. Und warum er erst nach drei Jahren unter der Hand erfuhr, dass er seinen Führerschein abholen könne. Typisch österreichisch könnte man sagen: Absolute Willkür gemildert durch absolute Schlamperei.

Wenn Hitze kreativ macht

Etwas weniger mild zeigte sich ein Funktionär der steirischen Wirtschaftskammer. Am Höhepunkt der mittlerweile in ein beinahe arktisches Tief abgetauchten Hitzewelle hatte er kreative Anwandlungen und forderte, dass katholische Feiertage nur mehr für Katholiken gelten sollen. Wie er das kontrollieren will, hat er nicht dazu gesagt: In Österreich geht das Religionsbekenntnis der Mitarbeiter den Chef – zumindest theoretisch – nichts an. Das liegt möglicherweise im Wesen der Kreativität, die sich von Hitze beflügeln lässt. Nicht immer denkt man zu Ende.

Machopolitik hilft Frauen

Das dürfte auch dem ÖVP-Klubobmann im Nationalrat so gegangen sein. Eine Abgeordnete seines Klubs (so nennt man in Österreich Parlamentsfraktionen, Anm.) wollte zu ihrer Abschiedsrede eine Änderung der Bundeshymne vorschlagen. In einer der letzten Textzeilen der ersten Strophe sollte es „Heimat bist du großer Töchter, Söhne“ heißen statt bisher „Heimat bist du großer Söhne“. Die Christkonservativen machten ihre Anerkennung des Vorschlags sehr deutlich: Ausschließlich männliche Abgeordnete brauchten die Redezeit der Partei für wichtige Themen wie die Schweinemast auf. Die Abgeordnete kam nicht mehr zu Wort. Der allgemeine Aufschrei über die Aktion führte dazu, dass die Bundeshymne doch geändert wird. Ein Lehrbeispiel, wie man Sachen durchsetzt, indem man sie blockiert. Man könnte von einer erfolgreichen paradoxen Intervention sprechen – wäre das die Absicht des Klubobmanns gewesen. Das darf man getrost bezweifeln. Wäre es nicht Österreich, es wäre eine Tragödie.