Freiheit ist nicht einmal in Berlin umsonst

BERLIN. (hpd) Robert Kastl, Demonstrationsleiter für die kommenden Hauptstadt-Proteste, ist sauer. Denn obwohl er und viele andere ehrenamtliche Helfer derzeit rund um die Uhr die Demo am Donnerstag vorbereiten, herrscht immer noch einige Ebbe in der Kriegskasse gegen die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes. Einen Grund sieht Kastl darin, dass die BerlinerInnen durch die große Freiheit vom Katholizismus verwöhnt sind.

 

„Ich hatte schon gedacht, dass wir das ohne große Verluste schaffen“, sagt Robert Kastl, Geschäftsführer des Berliner CSD e.V., am Dienstag beim Blick in die Kasse des Protestbündnisses „Der Papst kommt!“. Bisher sind nur etwa ein Drittel der voraussichtlichen Kosten beim CSD, Träger des Protestbündnisses, durch Spenden und Beiträge gedeckt worden. Eigentlich habe das Wunschbudget zwischen 25.000 und 30.000 Euro gelegen, berichtet er. Geeinigt habe man sich später auf ein Konzept mit einem deutlich niedrigeren Betrag, der nun am Ende bei etwa 15.000 Euro liegen wird. Eigentlich ein winziger Betrag, verglichen mit den rund 25 Millionen bis 30 Millionen Euro, welche die katholische Kirche allein für die Durchführung des pompösen Werbefeldzugs um Benedikts XVI. Meinungen ausgeben will – und dabei noch kräftig mit öffentlichen Mitteln unterstützt wird.

Stark hapert es an der Zahlungsfreudigkeit bei vielen offiziellen Bündnispartnern. Hier gebe es noch erschreckend viele offene Rechnungen. Unter anderem bei den parteipolitischen Gruppen sowie den Gewerkschaften, stellte Robert Kastl fest. Insgesamt gibt es bisher 67 Bündnispartner. Für ihn ist schleierhaft, warum der Geldfluss gerade bei diesem von der Wirkung herausragenden Anlass so ausgesprochen spärlich ausfällt. „Wenn wir dann auf den Kosten sitzen bleiben, wird es für uns sehr schwierig. Der Verein hat nicht solche großen Rücklagen.“

Robert Kastl erklärt, dass die Vorbereitungen auf den Papstbesuch beim CSD e.V. fast vollständig auf ehrenamtlicher Arbeit basieren. „Der Betrag unseres Budgets fließt komplett in Drittkosten.“ Hohe Kosten verursachen unter anderem die Bühne für die Kundgebung und der Führungstruck für den Demonstrationszug. In den letzten Tagen haben der CSD und die Initiatoren von der „Der Papst kommt“ deshalb noch einmal Spendenaufrufe via E-Mail und in den sozialen Netzwerken verteilt, der auch einigen Erfolg brachte. Erledigt ist das Thema Finanzierung damit aber trotzdem noch lange nicht, so Kastl. Geplant wird deshalb nun auch, dass während der Demo mit Spendenbüchsen gesammelt werden soll. Versucht wurde auch schon, mit möglicherweise gleichgesinnten Inhabern von Berliner Läden ins Gespräch zu kommen.

Eine Ursache für die fehlende Spendierfreudigkeit sieht Kastl darin, dass die Berlinerinnen und Berliner in mancherlei Hinsicht „verwöhnt“ sind. „Ein Problembewusstsein gegenüber der Rolle der katholischen Kirche ist oft nicht mehr da“, meint er. Zudem sei Berlin auch im Vergleich „eine enorm billige Stadt“, es gebe eine weitverbreitete Erwartungshaltung, die an eine Gratismentalität erinnert. „Viele Vorteile der Initiativen werden gern mitgenommen, an die Kosten wird hingegen nicht gedacht“, stellt er fest.

Kastl, der selbst vor über zehn Jahren aus Wien kam, bestätigt: „Berlin ist heute deutlich freier in vielen Dingen.“ Zwar ginge es hier mitunter härter und gewalttätiger, auch gegenüber homosexuellen Menschen, als in der Hauptstadt Österreichs zu. „Dort ist für bestimmte Gruppen die gesellschaftliche Diskriminierung allerdings erheblich größer als in Berlin.“ Und bei den Spenden, die bisher über die Internetplattform helpedia – dort beläuft sich der Stand zur Zeit auf knapp 1.900 Euro – eingegangen sind, hat er hier auch den hohen Anteil von Spendeneingängen aus Regionen mit höherem Einfluss von Katholizismus festgestellt. „Dort wo die Menschen noch direkt mit Folgen und Problemen konfrontiert sind, ist offenbar auch die Bereitschaft zur Unterstützung höher.“

Robert Kastl weist dabei darauf hin, welche Bedeutung die vom CSD und dem LSVD organisierten Proteste gegen Benedikt XVI. haben und erklärt, dass man sich beim CSD e.V. nicht auf der relativ guten Lage in Berlin ausruhen möchte. Die Proteste gegen Benedikt XVI. in der deutschen Hauptstadt werden schließlich eine erhebliche Signalwirkung haben, die weit über die Grenzen hinaus ausstrahlen. Das könnte auch Menschen in anderen Gegenden ermutigen, sich gegenüber inakzeptablen Ideen in Zukunft ein Gehör zu verschaffen.

Beim Organisationsteam ist man deshalb nun erst einmal damit beschäftigt, säumige Bündnispartner an ihre Verpflichtungen für die Beteiligung zu erinnern – das ist schade, findet Robert Kastl. Die Zeit könnte auch gut für andere Dinge verwendet werden. Gleichzeitig hofft er, in den nächsten Tagen könnten noch nach dem Vorbild vom letzten Wochenende weitere Spendeneingänge verzeichnet werden, um die Demo auf finanziell sichere Beine zu stellen und das Engagement nicht zum Minusgeschäft werden zu lassen. „Die beste Möglichkeit zum Spenden“, so Kastl, „ist für Privatpersonen die helpedia-Plattform.“

Und sollten schließlich doch wider Erwarten noch echte Überschüsse zusammenkommen, sei auf den Netzwerktreffen beschlossen worden, diese für papstkritische Veranstaltungen in der Zukunft einzusetzen. So soll auch nach Benedikts XVI. Abreise für eine nachhaltige Auseinandersetzung mit der durch ihn und seine Untergebenen verbreiteten Ideen in der Öffentlichkeit gesorgt werden. Auch damit in Zukunft vielleicht mehr Menschen klar gemacht werden kann, dass es Freiheit und Selbstbestimmung nicht einmal in Berlin umsonst gibt.

Arik Platzek