WIEN. (hpd) Über die Auslegung heiliger Texte werden bis heute Kriege geführt. Auch zwischen Gruppen, die einander nahe stehen. Im oberösterreichischen Kopfing geht es zwar nicht so blutig zu, aber der dortige Streit zwischen erzkonservativen Katholiken beschäftigt das halbe Bundesland.
Kopfing im Innviertler Bezirk Schärding gilt gemeinhin nicht als Hort der Aufmüpfigkeit. Seit sich irgendjemand erinnern kann, hat die ÖVP in der 2.000-Einwohner-Gemeinde absolute bis Zwei-Drittel-Mehrheiten im Gemeinderat. Auch mit dem NS-Regime hat man sich seinerzeit gut arrangiert, vermutlich mit echter Begeisterung. Die Daten der letzten Volkszählung aus dem Jahr 2001 weisen 96,8 Prozent der Bevölkerung als katholisch aus. Ein Ort, in dem das Wort eines Pfarrers noch Gewicht hat. Laut den jüngsten verfügbaren Daten leben 34 geschiedene Menschen in Kopfing, davon interessanterweise 22 Männer und nur 12 Frauen. Und bei der Bundespräsidentenwahl 2010 schnitt Rudolf Gehring von der Christenpartei Österreichs mit 10,9 Prozent doppelt so gut ab wie im Bundesschnitt. Ein Ort, in dem das Wort eines Pfarrers noch Gewicht hat. Nur sollte er es auch nicht übertreiben mit der Forderung nach katholischer Selbstkasteiung, wie ein Interview des ehemaligen Pfarrers Alois Heinzl auf der katholischen Rabiat-Seite gloria.tv zeigt. Dann lässt der Kirchgang der Kopfinger schnell nach. Religiöse Eiferer sind sie auch wieder nicht.
Viel näher wird man einer katholischen Idylle nicht kommen. Dass in Kopfing fast jeder vierte Katholik offen gegen den Pfarrer aufsteht, hätte im Vorfeld vermutlich niemand für möglich gehalten. Seit Monaten wird der Konflikt, wer Gottes Wille richtig erkennt, offen ausgetragen. Der aus Polen stammende Pfarrer Andrzej Skoblicki beharrte auf einer wörtlichen Interpretation von Bibel und kanonischem Recht, angereichert mit einer Portion halbekstatischem Mystizismus, wie die Bezirksrundschau in mehreren Artikeln dokumentierte. Von tranceähnlichen Zuständen mancher Katholiken bei geschlossenen Gebetsveranstaltungen ist die Rede, und von Weinkrämpfen. Ein Kopfinger soll am Wirtshaustisch eine Jesus-Erscheinung gehabt haben.
Ein besonderes Anliegen scheint ihm die Linientreue der Kinder gewesen zu sein: Außerdem spreche er von unehelichen Kindern als „Kinder der Sünde“, deren Nachkommen seien „verdammt bis in die dritte Generation“. In einem Gespräch mit der Volksschuldirektorin soll der Pole deren Schule als „Teufelswerk“ und die Lehrkräfte als „vom Satan besessen“ bezeichnet haben. Ein Gegner des Pfarrers schilderte, der Geistliche habe bei einer Messe einen Burschen gefragt: „Bist Du bereit für Jesus zu sterben?“ und ihm das Mikrofon hingehalten, berichtet ooe.orf.at, die Seite des oberösterreichischen ORF-Landesstudios. Gleichlautende Schilderungen finden sich in den Oberösterreichischen Nachrichten. Selbst für zwei gescheiterte Ehen wird Skoblicki verantwortlich gemacht. Seine Sexualmoral sei strikt, mehrere Frauen sollen sich ihren Ehemännern „verweigert“ haben.
Nicht einmal die im Ort sonst so hochgehaltene katholische Tradition dürfte ohne Eklat ausgekommen sein. Auszug aus einem Artikel aus der Bezirksrundschau: Weil die Fronleichnamsprozession 2005 drei Stunden gedauert hatte, baten ihn Volksschullehrer zum Gespräch. „Wir fanden kein Gehör“, berichtet Direktorin Maria Hamedinger. Weil der Pfarrer von Beschimpfungen sprach, stellte sie ihn zur Rede. Skoblicki entgegnete: „Die Schule ist ein Teufelswerk“ und: „Aus Ihnen spricht der Satan“. (Hier Nachzulesen)
Die Geduld geht zu Ende
2009, fünf Jahre nach dem Amtsantritt Skoblickis, dürfte es den duldsamen Kopfingern gereicht haben. Sie sammelten mehr als 400 Unterschriften gegen den polnischen Fundamentalisten – das ist beinahe ein Viertel der katholischen Kopfinger. Sogar ÖVP-Urgestein und Bürgermeister Otto Straßl schaltete sich in den Konflikt ein. Was ihm Beschimpfungen von Skoblickis Anhängern einbrachte. So etwas ward vermutlich noch nicht gehört in Kopfing im Innkreis. Gottes Wille wähnten sie fest an ihrer Seite.
„Kircheninterne Christenverfolgung“
Heuer dürften die dauernden Klagen auch dem selbst als konservativ geltenden Linzer Bischof Ludwig Schwarz gereicht haben. Nach mehreren Gesprächen setzte er den bibeltreuen Kopfinger Pfarrer ab. Was erst recht einen Sturm der Entrüstung auslöste. Rabiatseiten wie kreuz.net und gloria.tv bliesen gemeinsam mit dem Salzburger Weihbischof und Rechtsaußen-Verbalrowdy Andreas Laun zum Generalangriff auf Bischof Schwarz. Sogar von „kircheninterner Christenverfolgung“ ist die Rede. „Als „innerkirchliche Christenverfolgung“ definierte Laun, „wo gerade die Menschen von bestimmten Kreisen angegriffen werden, die wirklich katholisch sind und sich nicht nur im Sinne der katholischen Kirche verhalten, sondern auch arbeiten und handeln“, zitieren die Oberösterreichischen Nachrichten Laun.
Eine Aktivistengruppe forderte in einem Mail, das dem hpd vorliegt, auf, die Mailbox der Diözese mit Protestschreiben lahmzulegen. „Bischof Ludwig Schwarz von Linz hat den aus Polen stammenden Kopfinger Pfarradministrator Andreas Skoblicki im Auftrag der Medien vor die Türe gesetzt, obwohl Skoblicki in seiner Pfarre erfolgreich und sehr geachtet war. Das Schicksal von Pfarrer Skoblicki ist sonst Kinderschändern vorbehalten.
Wenn diese skandalöse Entlassung nicht zurückgenommen wird, sind alle katholischen Priester zum Abschuss durch die Medien und die Bischöfe freigegeben.
Wir können den Bischof von Linz durch sehr viele kurze, freundliche und eindeutige Emails überzeugen: sekretariat.bischof@dioezese-linz.at (…) Omnia ad maiorem Dei gloriam.“
Medienereignis Abgang
Wer die Strippen zog, um die vorletzte (!) Messe Skoblickis zum Medienereignis werden zu lassen, ist unbekannt. Die OÖN, größte Tageszeitung des Bundeslandes, widmeten dem Erntedankfest gar ihre Titelseite samt großem Foto. Den Kopf schüttelt nach der Messe Christoph M. aus Kopfing: „Er hat die Stellen aus der Schrift gezielt ausgesucht, der Tenor lautet, wir sind alle verflucht, vor allem, wenn wir nicht gehorsam sind, und das Bild, das er von Gott entwirft, ist der zornige Gottvater.“ Doch die Mehrheit der Gläubigen, die nach der Messe noch auf dem schmalen Kirchenplatz beisammenstehen, sympathisiert mit dem Gottesmann aus Polen. Seine Gegner hätten „Sätze, die er vielleicht einmal im Wirtshaus gesagt hat, aus dem Zusammenhang gerissen“. Skoblicki nehme das Evangelium ernst, auch nach seinem Abgang werde die Glaubensspaltung in Kopfing bleiben. Seine Abberufung sei vor allem eine Demütigung für seinen Mentor, Altpfarrer Alois Heinzl (89).
Womit der an sich eher unbedeutende regionale Konflikt zwischen Traditionschristen und ganz Bibeltreuen endgültig oberösterreichweite Kreise zieht. Bleibt abzuwarten, ob die letzte Messe Skoblickis nächsten Sonntag wieder Landesmedien anzieht. Eher amüsiert kommentiert Erwin Peterseil, Betreiber von atheisten-info.at: „Was der Herr Pfarrer Andreas Skoblicki macht, das ist echt katholisch! Bloß die Leute sind das heute nimmer gewohnt, die sind vom 2. Vatikanum verzogen worden und glauben tatsächlich, der Jesus sei ein reformfreudiger Liberaler geworden. Nein, Skoblicki kommt aus dem tiefkatholischen Polen, wo man noch weiß, wie die richtige katholische Lehre lautet. Fünfzig Kopfinger kommen in den Himmel, die Restlichen holt der Teufel!“
Aus seiner Sicht ist die Entwicklung typisch für die katholische Kirche: „Zu vermuten ist, dass der Priester mit seinem besonders konservativen Auftreten die eher lauen und die reformorientierten Christen verscheucht hat und nur noch ein kleiner harter Kern von Strenggläubigen in der Pfarre übrig geblieben ist. Sowas könnte auch anderenorts passieren, ist jedoch keine wesentliche Erscheinung. Wesentlich an der laufenden Entwicklung ist, dass immer mehr Menschen die christliche Religion schlichtweg egal ist - unabhängig davon, ob der Pfarrer Helmut Schüller oder Andreas Skoblicki heißt.“
Der Streit zwischen den Gottesverstehern dürfte gemäß dieser These selbst innerkatholisch kaum mehr sein als eine Episode einer Einrichtung im Niedergang. Und vielleicht ein unfreiwilliges Unterhaltungsprogramm fürs Publikum.
Christoph Baumgarten