Extreme politische Rechte in Europa

(hpd) Die beiden Politikwissenschaftler Uwe Backes und Patrick Moreau editieren achtzehn Aufsätze mit vergleichenden Betrachtungen zur extremen Rechten in Europa. Im Unterschied zu anderen Sammelbänden zum Thema listet dieser Band nicht nur Länderstudien auf, sondern fragt kritisch nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden der gemeinten Parteien.

In den letzten Jahrzehnten konnten Parteien vom „rechten Rand” in vielen europäischen Ländern Erfolge bei Wahlen verbuchen und in die nationalen Parlamente einziehen. Sie weisen Gemeinsamkeiten in der nationalistischen Ausrichtung und populistischen Methode, aber auch Unterschiede in der politischen Herkunft und sozialen Verankerung auf. So macht die genaue Betrachtung von einzelnen Fällen auch deutlich, dass es Parteien mit einem relativ festen nationalen Wählerstamm wie der „Front National“ in Frankreich ebenso gibt wie Parteien mit nur regionalen und sporadischen Wahlerfolgen wie die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD). Somit besteht Grund genug, dieses europaweite Phänomen mit einer differenzierten Betrachtung analytisch näher in Augenschein zu nehmen. Dies beabsichtigen die Autoren des Sammelbandes „The Extreme Right in Europe. Current Trends and Perspectives“, der von dem deutschen Politikwissenschaftler Uwe Backes und dem französischen Politikwissenschaftler Patrick Moreau herausgegeben wurde.

Die 18 Beiträge stammen von Politikwissenschaftlern aus unterschiedlichen Ländern und wurden in drei große inhaltliche Blöcke eingeteilt. Zunächst geht es um Parteien und Wahlen: Gilles Ivaldi beschäftigt sich mit den Ergebnissen bei den Europawahlen von 1979-2009, Kai Arzheimer fragt nach den konkreten Motiven und der sozialen Zusammensetzung der Wähler, und Guillaume Roux untersucht den Kontext von fremdenfeindlichen Vorurteilen und entsprechendem Wahlverhalten. Der politische Status in den jeweiligen Ländern steht danach im Zentrum des Interesses, untersucht Patrick Moreau doch die erfolgreichen, Uwe Backes die weniger erfolgreichen und Sarah L. de Lange die zeitweise an Regierungen beteiligten Parteien dieses politischen Lagers. Und schließlich konzentrieren sich Michael Meznik und Tom Thieme auf den Rechtsextremismus in Bulgarien und Rumänien und Petra Vejvodová auf die länderübergreifende Kooperation der Parteien und die Versuche zur Institutionalisierung ihrer Beziehungen.

Der zweite Block des Sammelbandes konzentriert sich auf die militanten Szenen und Subkulturen: Jean-Yves Camus geht in zwei Beiträgen auf die Neonazi-Gruppen in Europa und die länderübergreifende Holocaust-Leugnung ein. Vera Stojarová behandelt die paramilitärischen Strukturen in Osteuropa, Miroslav Mares die Aktivitäten von Gruppen gegen die Roma ebenfalls in Osteuropa und Stéphane de Tapia die rechtsextremistischen Bewegungen in der Türkei.

Und im dritten Block stehen kulturelle Trends und politische Ideen im Zentrum des Interesses: Thomas Grumke sieht in der Anti-Globalisierung die ideologische Basis der extremen Rechten, Tamir Bar-On fragt nach der ideologischen Entwicklung im intellektuellen Bereich am Beispiel von Alain de Benoist, David Art geht den Auffassungen über die Zeit des Zweiten Weltkrieges in den jeweiligen Organisationen nach, Ulrike Heß-Meining behandelt die „rechte Esoterik“ in Europa, und Stéphane Francois konzentriert sich auf den Kontext von musikalischen und politischen Subkulturen.

Alle Beiträge stammen von ausgezeichneten Kennern der Materie, wodurch man jeweils einen komprimierten und sachkundigen Text zum konkreten Thema erhält. Der Band hebt sich außerdem von der Fülle anderer Sammelbände zur extremen Rechten in Europa ab, reihen diese doch meist nur einzelne Länderstudien hintereinander auf. Hier sind bis auf wenige Ausnahmen alle Abhandlungen vergleichend für den europäischen Raum konzipiert. Dabei stellt sich gleichwohl das Problem, mit welchen Kategorien jeweils gearbeitet werden soll. Sie gehen bei den einzelnen Autoren auch durcheinander, finden doch etwa die Formulierungen „rechtsextrem“, „rechtsradikal“ und „rechtspopulistisch“ begrifflich ungeklärt Verwendung. Es gibt hier in der Tat ein Problem: Einige der genannten Parteien lehnen die Minimalbedingungen eines demokratischen Verfassungsstaates offen ab, andere Parteien geben sich demgegenüber als „rechtsdemokratisch“. Ein von Mitherausgeber Backes vorgeschlagene Typologie (vgl. S. 154) bringt hier die Analyse vielleicht weiter.

Armin Pfahl-Traughber

Uwe Backes/Patrick Moreau (Hrsg.), The Extreme Right in Europe. Current Trends and Perspectives, Göttingen 2012 (Vandenhoeck & Ruprecht), 473 S., ISBN 978-3525369227, EUR 79,95.

Beiträger: David Art (Tufts University, Medford, U.S.A.), Kai Arzheimer (Mainz), Uwe Backes (Dresden), Tamir Bar-On (Santiago de Queretaro, Mexiko), Jean-Yves Camus (Paris), Stéphane François (Drancy), Thomas Grumke (Düsseldorf), Ulrike Heß-Meining (München), Gilles Ivaldi (Nizza, Sophia Antipolis), Sarah L. de Lange (Amsterdam), Miroslav Mareš (Brno, Tschechische Republik), Michael Meznik (Wien), Patrick Moreau (Straßburg), Guillaume Roux (Grenoble), Vera Stojarová (Brno, Tschechische Republik), Stéphane de Tapia (Straßburg), Tom Thieme (Chemnitz), Petra Vejvodová (Brno, Tschechische Republik).