USA: Morgen steigt die „Reason Rally“

(hpd) Bis zu 30.000 Atheisten, Humanisten, Skeptiker und andere nichtreligiöse Menschen werden am Sonnabend in der US-Hauptstadt Washington erwartet. Dann soll die „Reason Rally“ zum größten Säkularisten-Event in der Geschichte werden.

Atheisten zu organisieren wurde häufig mit dem Hüten eines Sacks Flöhe verglichen, weil sie in der Regel selbstständig denken und sich keiner Autorität unterordnen. Aber es wäre ein Schritt in die richtige Richtung, wenn sich eine kritische Masse derer bilden würde, die sich outen und damit auch andere ermutigen, das Gleiche zu tun. Auch wenn man Flöhe nicht hüten kann, machen sie sich in ausreichender Zahl doch so bemerkbar, dass man sie nicht mehr ignorieren kann.“ – Richard Dawkins, Der Gotteswahn, 2007.

Auf der National Mall vor dem Washington Monument soll morgen die größte Kundgebung säkularer Organisationen stattfinden, die es jemals in der bekannten Geschichte der Menschheit gegeben hat – so der Plan der Veranstalter. Im Mittelpunkt der seit über einem Jahr geplanten „Reason Rally“ („Kundgebung der Vernunft“) steht die Hoffnung, dass sich noch mehr US-Einwohner dadurch zu einem „Coming Out“ als Atheisten ermutigen lassen.

Was Richard Dawkins und den unzähligen Aktivisten, Journalisten und Wissenschaftlern in Großbritannien schon ziemlich gut gelungen ist, soll auch in den USA klappen: Das Land aus dem Würgegriff der organisierten Religion zu befreien, in das es seit seiner Gründung Schritt für Schritt geraten ist. So sehr, dass sogar der derzeitige US-Präsident Barack Obama dazu gezwungen war, immer wieder öffentliche Bekenntnisse im Namen des christlichen Glaubens abzugeben – mit welcher verheerenden Wirkung in einem globalisierten Medienkosmos? Doch ein „Outing“ als Atheist wäre vermutlich sogar für ihn das politische Ende, obwohl Obama in früheren Reden deutlich zeigte, wie distanziert er zum in den USA verbreiteten Bibelglauben steht. Das könnte sich ändern.

 

 

Rund drei Dutzend Prominente stehen auf der Liste der angekündigten Redner. Nebst Richard Dawkins finden sich unter anderem der Schauspieler Bill Maher, Michael Shermer, „Mythbuster“ Adam Savage, James Randi, der Stand-Up-Comedian Eddie Izzard und der Frontmann von „Bad Religion“, Greg Gaffin. Unter den Sprechern wird auch der Menschenrechtsaktivist Nathan Phelps sein, siebter Sohn des Pfarrers Fred Phelps von der in den von evangelikalen Gruppen geprägten Vereinigten Staaten besonders berüchtigten Westboro Baptist Church, einer Baptistenkirche – die übrigens ihr Kommen angekündigt hat, um gegen die Säkularisten zu protestieren.

Vom Vormittag bis zum frühen Abend wollen die Redner zwischen Comedy, Musik und Poesie ihre Standpunkte und Positionen für ein säkulares Amerika vor dem Publikum erklären. Denn 99 Prozent der Atheisten in den Vereinigten Staaten, so ist jedenfalls David Silverman, Präsident der American Atheists, überzeugt, haben sich bisher aus Furcht vor sozialen Konflikten nicht getraut, sich zu „outen“. Und darum soll es gehen, denn die „Reason Rally“ will zeigen: Wir sind viel mehr Menschen als gedacht.

In der Washington Post erklärten im Vorfeld bereits Vertreter säkularer Organisationen einige Gründe und Gedanken zur „Reason Rally“, wie Fred Edwords von der United Coalition of Reason, David Silverman und natürlich Richard Dawkins. Wobei letzterer erneut seine Hoffnung formulierte, dass es in 100 Jahren hoffentlich keiner „Reason Rally“ mehr bedürfe, damit Vernunft, Wissenschaft und die Wahrheit in den Gesellschaften den ihnen angemessenen Platz erhielten.

Für seine Hoffnung gibt es einigen Anlass. Als 2002 die American Atheists ihren ersten „Marsch der Gottlosen“ in Washington durchführten, waren sie die einzige an der Veranstaltung beteiligte Organisation und es gab 2000 Teilnehmer. An der „Reason Rally“ am morgigen Sonnabend beteiligen sich mehr als anderthalb Dutzend Vereinigungen, von denen rund die Hälfte zehn Jahre zuvor nicht einmal existierte.

Paul Fidalgo, Sprecher der Skeptikerorganisation Center for Inquiry, bezeichnete das Ereignis deshalb als „Meilenstein“ für die säkulare Bewegung. Sicherlich wird es auch eine riesige Party. Und Jesse Galef, Sprecher der „Reason Rally“ meinte, dass durch die Kundgebung eine bessere Organisation, mehr Kooperation und ein größeres nationales Bewusstsein entstehen werde.

Und das ist dringend nötig: Im Bundesstaat entschieden die Behörden vor kurzem, zukünftig Auto-Kennzeichen zuzulassen, auf denen der Satz steht: „Ein Staat unter Gott.“ Der religiöse Blödsinn macht dort – anders als etwa in den gemäßigten Breiten Deutschlands – offenbar nirgendwo halt.

Doch tatsächlich steigen die Zahlen derjenigen, die sich keiner der traditionellen Religionen und Götter mehr verbunden fühlen auch in den USA. Langsam zwar, aber stetig. Letzte Erhebungen des Meinungsforschungsinstituts Pew ergaben 2007 einen Anteil von rund 16 Prozent Konfessionsfreien – immer noch ein Negativrekord im Vergleich zu den meisten anderen westlichen Staaten. Von der Kundgebung aus soll sich deshalb die frohe Botschaft der „Reason Rally“ verbreiten: „Wir sind viele, wir sind überall und wir werden mehr.“

Arik Platzek


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