1982: Das dunkelste Kapitel

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Prozesseröffnung gegen Montt / Foto: Il Periodico (http://ghrcusa.wordpress.com)

GUATEMALA-STADT. (hpd) Am heutigen Tag jährt sich der Militärputsch Efraín Ríos Montts in Guatemala zum 30. Mal. Das zentralamerikanische Land, das sich seit 1960 in einem Bürgerkrieg befand, bekam einen Diktator, der seine Amtsvorgänger an Brutalität noch deutlich übertraf.  In seiner Amtszeit, die bereits 1983 wieder endete, führte er einen Krieg gegen die indigene Maya-Bevölkerung.

Mit welcher Härte Montt diese Kampagne betrieb, zeigen die Opferzahlen. Von den 200.000 Toten des 36-jährigen guatemaltekischen Bürgerkriegs kamen 70.000 während seiner nicht einmal 17 Monate währenden Präsidentschaft ums Leben.

Wer war dieser Mann, der sich erst seit einigen Wochen vor Gericht wegen seiner Menschenrechtsverletzungen verantworten muss, und auf wessen Hilfe konnte er zählen?

Montt wurde 1926 in Huehuetenango geboren und begriff schnell, dass eine Karriere im Militär ihm einen rasanten Aufstieg ermöglichen würde. Er erhielt seine Ausbildung an der School of the Americas, einer Militärakademie des Pentagon in der Panamakanalzone. Viele ihrer Absolventen nahmen hochrangige Positionen in den Militärdiktaturen Lateinamerikas ein. Montt stieg im Laufe der Jahre durch die militärischen Ränge auf und übernahm wichtige Posten in den Militärdiktaturen des Landes. Zeitweise war er auch in der Botschaft in Washington tätig. 1974 sah er seine Zeit gekommen und trat als Präsidentschaftskandidat an, unterlag jedoch, vermutlich durch Wahlfälschung.

Es war ausgerechnet ein Erdbeben, das die wichtigste Wendung in Montts Leben brachte. 1976 stürzten in ganz Guatemala die Häuser ein. Die in Kalifornien ansässige Church of the Word (Iglesia el Verbo) sandte unverzüglich Katastrophenhelfer aus, denen Missionare nachfolgten. Sie brachten Montt, der als Katholik erzogen wurde, den pfingstlerischen Glauben nahe. Er trat der Gemeinde 1978 nicht nur bei, sondern schlug sogar die Pastorenlaufbahn ein.

1982 fühlte sich Montt stark genug, nach der Macht zu greifen und putschte am 23. März mit Hilfe der CIA erfolgreich gegen den Präsidenten, um das Amt selbst auszuüben. Von Anfang an betonte er seinen Glauben. So predigte Montt wöchentlich zu seinem Volk und berief Mitglieder seiner Kirchengemeinde in Regierungspositionen. Besonders gegen die Angehörigen der Maya-Bevölkerung ging er hart vor. Sie praktizierten teils alten Volksglauben, waren zumeist aber Katholiken. Beides Eigenschaften, die Montt nicht gefielen. Ihm galten die Katholiken als links und als Unterstützer der marxistischen Guerilla, weil zum damaligen Zeitpunkt die Befreiungstheologie der katholischen Bevölkerung Lateinamerikas soziale Gerechtigkeit versprach.

Unter Montts Führung verübte die Armee brutale Massaker an der Landbevölkerung. Männer wurden getötet oder verstümmelt, Frauen vergewaltigt. Immer wieder geriet auch die katholische Kirche ins Visier der Militärs. Priester und Nonnen mussten um ihr Leben fürchten, Kirchengebäude wurden verwüstet, oder wie in der Stadt Nebaj zum Maschinengewehrposten umfunktioniert. Dabei wurde immer auch der Missionsgedanke verfolgt, der auf eine Konversion der Katholiken zum „wahren“ Christentum abzielte. Evangelikale Organisationen redeten die Massaker klein und erklärten sie damit, dass die marxistischen Guerilla Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbrauchen würden.

Montts Gemeinde störte sich nicht an der Gewalt. Ein Pastor der Church of the Word gab im Dezember 1982 zu Protokoll:  „Die Armee schlachtet keine Indianer ab. Die Armee tötet Dämonen und die Indianer sind von Dämonen besessen, sie sind Kommunisten. Wir betrachten Bruder Efraín Ríos Montt wie König David aus dem Alten Testament. Er ist der König des Neuen Testaments.“

Montt konnte sich trotz aller Verbrechen immer auf die Solidarität der US-Regierung verlassen. Präsident Ronald Reagan stand jedem zentralamerikanischen Diktator freundlich gegenüber, solange er nur dem Kommunismus Einhalt gebieten konnte, schließlich galt es, das „Reich des Bösen“ niederzuringen.

Dennoch gestaltete sich die Hilfe für Montt schwierig. Präsident Jimmy Carter hatte 1977 schwere Sanktionen gegen Guatemala verhängt und sie an die Einhaltung der Menschenrechte geknüpft. Präsident Reagan schaffte es, die Beschränkungen in Details zu lockern oder sie auf illegalem Wege zu umgehen. Dennoch gelang es ihm nicht, den Kongress auf seine Seite zu ziehen um die Sanktionen komplett zu beseitigen.

Komplizenschaft der Christlichen Rechten mit der Diktatur Montts

Die US-Regierung konnte Montt nie im gewünschten Maße helfen und musste sich auf Hilfe von außen verlassen. Baptistenpastor Jerry Falwell hatte Ende der 70er Jahre eine Allianz zwischen Christlicher Rechten und Republikanischer Partei geschmiedet, die unter Reagan sogar noch fester zusammenstand als unter Bush. Die verschiedenen evangelikalen Organisationen unterstanden nicht der staatlichen Finanzaufsicht und boten die nötige Infrastruktur für die Unterstützung Montts.

Die Komplizenschaft der Christlichen Rechten für die Diktatur Guatemalas reiht sich ein in die Unterstützung für die Militärs in Honduras, El Salvador und Nicaragua, aber nur hier war einer der ihren an der Macht, und nur hier trugen sie die Hauptlast des Unterfangens, den Kongress zu umgehen.

Bereits wenige Tage nach Montts Putsch flog Televangelist Pat Robertson mit einem Kamerateam seines Fernsehsenders CBN nach Guatemala City, um sich mit dem neuen Machthaber zu treffen. Das Gespräch der beiden verlief freundlich und der Prediger versprach unter seinen Zuschauern eine Milliarde Dollar an Spendengeldern für das Land zu sammeln. Robertson sprach von einem „Wunder“ und lobte Stabilität sowie Demokratie in Guatemala.

Später erinnerte er sich an das Treffen: „Ich traf einen Mann voll Demut, Schlichtheit, tadelloser persönlicher Integrität und einem tiefen Glauben an Jesus Christus. Ich wusste in meinem Herzen, dass Ríos Montt den Menschen seines Landes – den Menschen ganz Lateinamerikas – eine wahre Alternative zur Unterdrückung durch korrupte Oligarchien und der Tyrannie durch einen, von Russland gelenkten, Totalitarismus anbot.“

Seine Fernsehzuschauer rief er dazu auf, für Guatemala zu beten: „Ríos Montt ist ein wundervoller Mann. […] Wir befinden uns in einem konstanten Kampf um Religionsfreiheit und ich bin dankbar, sagen zu können, dass wir ihn gewinnen. Ganz nebenbei, die Menschen in Guatemala sind entzückt, dass Ríos Montt ihr Führer ist. […] So lasst uns für diesen Mann und ganz Lateinamerika beten.“

Im Juni 1982 lud US-Innenminister James Watt zu einem Treffen ins Weiße Haus. Auch er war Pfingstler, und hatte sich skeptisch über Umweltschutz geäußert, weil man nicht wissen könne, ob nicht bald das Ende der Welt anbreche. Zum vereinbarten Termin erschienen neben Montts Berater Francisco Bianchi und US-Diplomaten auch Pat Robertson, Jerry Falwell und der Missionar Loren Cunnigham, um die Verwendung der Spendengelder zu koordinieren. In den Folgemonaten riefen auch andere konservative Christen zur finanziellen Unterstützung Guatemalas auf, wie z.B. Billy Graham, der „evangelikale Papst“, der Gründer der Missionsorganisation Campus Crusade for Christ, Bill Bright, oder Fernsehprediger Jimmy Swaggart.