1982: Das dunkelste Kapitel

Amnesty International sei  „marxistische Propaganda“

Auch die evangelikale Zeitschrift „Christianity Today“, die ihre eigene Vergangenheit mittlerweile kritisch sieht, war Montt in den 80ern gegenüber positiv eingestellt. Ein ausführlicher Bericht von Amnesty International über die Kriegsverbrechen in Guatemala wurde harsch zurückgewiesen. Die Menschenrechtsorganisation habe sich von marxistischer Propaganda vereinnahmen lassen.

Seinen wichtigsten Verbündeten fand Montt jedoch im Argentinier Luis Palau. Der Pastor galt vielen als rechte Hand Billy Grahams in Lateinamerika. Im November 1982 reiste er nach Guatemala City, um zu feiern, dass die Regierung 1882 erstmals protestantische Mission im Land zugelassen hatte. Zu diesem Anlass traten Palau und Montt gemeinsam auf.

Über 700.000 evangelikale Christen versammelten sich anlässlich des Jubiläums in der Stadt - die größte Gebetsveranstaltung dieser Art in Lateinamerika. In keinem anderen Land der Region ist der evangelikale Bevölkerungsanteil so hoch wie in Guatemala. Palau verlangte von den Gläubigen, ihrer Regierung treu zu dienen, genauso wie er auch die Bolivianer aufgefordert hatte, ihrem Diktator Hugo Banzer zu gehorchen. Gegenüber Christianity Today gab er an: „Es ist großartig, einen christlichen Präsidenten als Vorbild zu haben. Die Hand Gottes scheint mit ihm zu sein.“

Trotz allen Beistands bleibt Montt nur kurze Zeit im Amt. Erste Umsturzversuche konnte er abwehren, aber am 8. August wurde er durch seinen eigenen Verteidigungsminister Óscar Humberto Mejía zum Abtreten gezwungen. Doch der Putsch war kein „Aufstand des Gewissens“, sondern nur Ausdruck von Rivalitäten innerhalb des Militärs. Montt musste sich nicht vor Gericht verantworten und der Bürgerkrieg hielt noch 13 weitere Jahre an.

Nach seiner Abdankung hielt er sich einige Zeit in den USA auf, und war dort immer noch ein gern gesehener Gast der Christlichen Rechten. Montt durfte in den religiösen Fernsehsendungen von Pat Robertson und Jimmy Swaggart vor dem drohenden Kommunismus warnen. 1985 trat er anlässlich der Versammlung der National Religious Broadcasters auf. Deren Vorsitzender Ben Armstrong begrüßte ihn freundlich: „Sie können ein aufrichtiger Missionar sein, wenn sie in die USA kommen und Zeugnis ablegen.“

Auch heute, Jahre nach seiner Präsidentschaft rücken die Evangelikalen Guatemalas nicht von Montt ab. J. Ronald Blue, ehemaliger Chef der Central American Mission, der inzwischen einen Lehrauftrag am Dallas Theological Seminary innehat, war davon überzeugt dass er „ein Bruder in Christus in ehrenwerter Mann“ ist. Er vertraue ihm, dass er nicht „derjenige ist, der die Gewalttaten befohlen hat, die sich während seiner Präsidentschaft ereigneten“. Steve Sywulka, Chef von CAM Guatemala beklagte, dass niemand die linken Guerillas vor Gericht bringen wolle und bescheinigte Montt, in einer „chaotischen Situation“ für „Stabilität und Ordnung“ gesorgt zu haben. Manuel Dionici, Generalsekretär der Evangelischen Allianz in Guatemala, sagte, dass es Montts Pflicht gewesen sei, das Land vor dem Kommunismus zu bewahren: „Aber ich glaube nicht, dass er jemanden getötet hat. Vielleicht war es seine größte 'Sünde', dass er erklärt hat, Evangelikaler zu sein.“

Dennoch bedeutete der Putsch nicht, dass Montt keine Macht mehr besaß. Ende der 80er Jahre hatte Montt seine Kräfte neu aufgestellt und eine eigene Partei gegründet. Ihm wurden Chancen auf eine erneute Präsidentschaft eingeräumt, doch eine Gesetzesänderung verbot Kandidaten, die sich an einem Putsch beteiligt hatten, zur Wahl anzutreten. Dennoch konnte Montt zwei weitere evangelikale Mitstreiter, Jorge Serrano Elías und Alfonso Portillo Cabrera, die beide Morde begangen hatten, ins höchste Staatsamt befördern.

Montt selbst war einfacher Abgeordneter, in den Jahren 1995-1996 und 2000-2004 sogar Parlamentspräsident. 2011 gelang ihm jedoch nicht die Wiederwahl, sein Mandat lief zu Beginn des Jahres aus. Damit erlosch auch seine Immunität, die ihn als Mitglied des Kongresses vor Strafverfolgung geschützt hatte. Im Januar wurde der Prozess wegen Kriegsverbrechen gegen ihn eröffnet. Noch immer hat Montt Verbündete, die zu ihm stehen, während Angehörige der Maya-Bevölkerung Gerechtigkeit erwarten. Der Riss in der guatemaltekischen Gesellschaft läuft auch durch die Familie des Präsidenten. Mario Ríos Montt ist katholischer Bischof und daran beteiligt, die Verbrechen seines Bruders aufzuklären.

Die Kontakte in die USA sind weiterhin gut. Montts Tochter, die ihrem Vater in die Politik nachfolgte, ist mit einem republikanischen Kongressabgeordneten aus Illinois verheiratet. Genauso wenig wie die Helfer aus der CIA Strafverfolgung fürchten müssen, muss auch die Christliche Rechte nicht davor bangen, sich dem dunkelsten Kapitel ihrer Geschichte stellen zu müssen.

Lukas Mihr

 

Nachfolgend ein Video mit einer Erklärung Montts.