„Viel Kritik wegen des Treffens mit der DBK“

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Bundesverfassungsgericht / Foto: Tobias Helfrich (wikimedia commons)

KARLSRUHE. (hpd) Die Begegnungen zwischen der katholischen Kirche und dem Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr haben viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Doch die Aussichten von anderen Organisationen, ebenfalls die Zusage für solch ein Treffen mit den Richterinnen und Richtern des höchsten deutschen Gerichts zu erhalten, sind eher gering.

Das Bundesverfassungsgericht ist eine der letzten weitgehend unumstrittenen Institutionen Deutschlands. Und das ist von großer Bedeutung, schützt doch der Glaube an Rechtsstaat und die Weisheit der Richterinnen und Richter die Gesellschaft maßgeblich davor, das Recht in die eigenen Hände nehmen zu wollen. Das Gericht entscheidet über Verfassungsbeschwerden, die Auslegung unserer Grundrechte, Normenkontrollklagen und fällt regelmäßig Grundsatzurteile mit richtungsweisender Wirkung.

Die Mitglieder der Senate gehören zu den angesehensten und meist besten Juristen der Welt, ihre Worte wiegen oft auch außerhalb eines Verfahrens viel. Als der frühere Bundesverfassungsgericht Dieter Grimm am Anfang des Jahres in einem Aufsatz für die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Aufgabe des Bundespräsidenten erörterte, waren Christian Wulffs Stunden gezählt.

Für seine Nachfolge, mit der Aufgabe, das von Wulff beschädigte Amt zu reparieren, wurde wiederum schnell der Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle gehandelt – man suchte Personen, die Vertrauen zu schaffen in der Lage sind. Denn nicht nur das Amt des Bundespräsidenten, auch die Funktionstüchtigkeit des Bundesverfassungsgerichts steht und fällt mit der Fähigkeit zur Gewährleistung von Vertrauen.

Dementsprechend groß war das Entsetzen vieler säkularer Beobachter, als im Januar 2011 ein Treffen zwischen den Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz und den Vertretern des Bundesverfassungsgerichts bekannt wurde. Erneut belastet wurde der Glaube an die Neutralität des Gerichts, als die Richterinnen und Richter im September 2011 einer Einladung des katholischen Papstes folgten und den durch Deutschland reisenden Benedikt XVI. aufsuchten.

Was, so lautete vielfach die berechtigte Frage, kann in einem säkularen Staat derartige Begegnungen zwischen den Repräsentanten eines Verfassungsorgans mit höchstem Vertrauen und einer religiösen Organisation, die kaum noch Vertrauen erhält, rechtfertigen? Nach welchen Kriterien wird entschieden, wer exklusiven Zugang zu den Ohren der Richterinnen und Richter bekommt?

Auf eine entsprechende Nachfrage ergab sich, dass diese Fragen am Gericht bislang nicht nach Richtlinien oder festen Grundsätzen, sondern gewissermaßen „aus dem Bauch heraus“ entschieden wurde. „Es gibt keine Kriterien, das wird von Fall zu Fall entschieden“, erklärte die Pressesprecherin des Bundesverfassungsgerichts, Judith Blohm. Sie betonte, dass es nie regelmäßige Treffen mit den Kirchen gegeben habe. Die bisherigen Treffen zwischen Bundesverfassungsgericht und den Vertretern der Kirchen seien „traditionell gewachsen aus den 80er Jahren“.

Besuchskontakte zwischen Gericht und Kirchen habe es bis heute nur zwischen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gegeben. Dreimal ist die DBK seit November 1986 zum Zug gekommen, teilte Blohm mit. Ein zweites Treffen habe es im Oktober 1988 gegeben, danach erst wieder im Januar 2011. Der EKD-Rat wiederum sei einmal im Juli 2004 und einmal im Juli 2010 empfangen worden. Viele Treffen sind das jedenfalls nicht.

Über die Inhalte der Gespräche ist, mit Ausnahme des – nichtöffentlichen – Treffens im Januar 2011, heute nichts mehr zu erfahren. 2011 sollen das „Verhältnis von Staat und Kirche vor dem Hintergrund aktueller laizistischer Bestrebungen“, der Umgang mit religiösen Symbolen in der Öffentlichkeit sowie der verfassungsmäßige Schutz von Ehe und Familie Themen gewesen sein.

Dass damals aus dem Bundesverfassungsgericht überhaupt eine offizielle Mitteilung über das Treffen nach außen drang, war offenbar ein Zufall. Die Suche nach vergleichbaren Pressemitteilungen zu den Treffen mit dem Rat der EKD blieb erfolglos.

Eine Anfrage bei der Evangelischen Kirche in Deutschland, über was bei den Begegnungen im Jahr 2004 und 2010 gesprochen wurde, blieb erfolglos. Reinhard Mawick, Pressesprecher der EKD, entschuldigte zwar nach einigen Wochen die ausbleibende Reaktion auf eine Bitte um Auskunft im Februar. Doch auch bis heute gab es keine Antwort zur Frage, was denn der Rat der EKD und Bundesverfassungsrichter im kleinen Kreis zu besprechen hatten.

Als Reaktion auf das Bekanntwerden von „traditionell gewachsenen Kontakten“ zwischen Kirchen und Bundesverfassungsgericht pochten im Februar 2011 interessanterweise auch die sich in der SPD neu sammelnden Laizistinnen und Laizisten auf eine Gleichbehandlung und baten in einem Schreiben darum, ebenfalls zur Darlegung ihrer Anliegen empfangen zu werden. Die Anfrage wurde Ende November mit Verweis auf eine hohe Arbeitsbelastung des Gerichts und zahlreiche Anfragen bestätigt, eine Zusage gab es nicht.

Doch wie funktioniert das Verfahren in solchen Fällen überhaupt? Entsprechende Anfragen, so Oberamtsrat Stadtler, gelangen zunächst in einen Protokollausschuss, der sie dann wiederum den Präsidenten des Gerichts vorlegt. Nach einer Besprechung erfolgt schließlich die Entscheidung über das Gesuch nach einem Treffen. Ohne feste Kriterien, also aus dem Bauch heraus.

Und nicht nur die SPD-Laizisten, sondern auch andere religiöse Organisationen neben den beiden christlichen Amtskirchen, haben dementsprechende Wünsche. So habe es vor einer Weile eine Anfrage einer muslimischen Vereinigung gegeben, heißt es. Doch es sei eher wahrscheinlich, dass es in Zukunft zu überhaupt keinen Kontakten dieser Art mehr komme, meinte Stadtler.

„Es gab viel Kritik wegen des Treffens mit der DBK im Januar 2011.“ Anfragen auf Treffen mit den Vertretern des Bundesverfassungsgerichts wolle man deshalb zukünftig „sehr zurückhaltend“ behandeln. Schließlich seien die Reaktionen auf das Treffen mit der DBK vom Januar 2011 „deutlich wahrgenommen und verinnerlicht worden.“ Und darauf, mehr bleibt bis jetzt kaum übrig, muss man wohl vorläufig einfach vertrauen.

Arik Platzek