Islam - Schrecken des Abendlands?

(hpd) Der Politikwissenschaftler Werner Ruf beschreibt in „Der Islam – Schrecken des Abendlands. Wie sich der Westen sein Feindbild konstruiert“ das Aufkommen neuer Aversionen und Vorurteile gegen den Islam und die Muslime. Dabei kritisiert er durchaus zutreffend einige bedenkliche Entwicklungen, ignoriert aber die realen Gefahren und Probleme.

Spätestens nach den Anschlägen vom 11. September 2001 nahmen Emotionalität und Stellenwert der öffentlichen Debatte um Islam und Muslime zu. Auch einschlägige Ressentiments und Vorurteile stiegen nach den Ergebnissen der empirischen Sozialforschung an. Lässt sich daher von einem neuen Feindbild sprechen, welches in den westlichen Ländern das alte Feindbild Kommunismus und Sowjetunion abgelöst hat? Diese Frage bejaht Werner Ruf, der an der Universität Kassel als Professor für Internationale Beziehungen lehrte. Sein Buch „Der Islam – Schrecken des Abendlands. Wie sich der Westen sein Feindbild konstruiert“ sieht in den gemeinten Einstellungen und Stereotypen eine Ersetzung und Fortsetzung früherer Konstruktionen kollektiver Identität, die mit Antisemitismus und Rassismus verbunden waren. Heute artikulierten sie sich bezogen auf Differenzen und Konflikte auf der Ebene von Kultur und Religion. Mit Ressentiments und Stereotypen ginge es aber weiterhin darum, Gesellschaften und Menschen ein- und auszugrenzen.

Diese Auffassung bildet den Ausgangspunkt von Rufs Betrachtungen, die sich in zwölf Kapiteln meist an aktuellen Entwicklungen der letzten Jahre orientieren und dabei entlang der erwähnten Grundposition einschlägige Kommentare formulieren: Es geht dabei um den „Krieg gegen den Terror“ als „gegenzivilisatorisches Projekt“ und die Sichtweise „des Islam“ als homogenem Block. Die Konflikte im Mittleren und Nahen Osten werden für die westliche Seite mit dem Interesse an Rohstoffen in Verbindung gemacht. Die NATO hat für Ruf mit dem Islam ein neues Feindbild für die untergegangene Sowjetunion gefunden. Heftig kritisiert er auch die Rede vom “christlich-jüdischen Erbe“ des Abendlandes, die angesichts des jahrhundertlangen Antisemitismus eine Mär sei. Besonders kritische Aufmerksamkeit finden darüber hinaus noch die Akteure einer „Islamhetze“, wozu er Henryk M. Broder und Thilos Sarrazin ebenso zählt wie die „Antideutschen“ und islamfeindliche Websites zählt. Und schließlich geht es noch um die neue „Freundschaft“ der extremen Rechten zu Israel.

Bilanzierend heißt es bei Ruf: „’Der Islam’ wird, um die Menschen, die Muslime, nicht nennen zu müssen zum globalen Feindbild erhoben. Dieses transnationale Feindbild ist auf europäischer Ebene Nährboden für die Entwicklung einer rechtslastigen und rassistischen politischen Bewegung, die Demokratie und Rechtsstaat unter dem Vorwand bekämpft, gerade diese Errungenschaften vor ‚dem Islam’ schützen zu wollen“ (S. 8). Der beschworene Kampf gegen die „Islamisierung“ stehe letztendlich auch für ein anderes Gesellschaftsmodell, das eben nicht mehr von den Idealen der Multikulturalität und Toleranz geprägt sei. Und weiter heißt es: „Eine Abschottung des ‚Westens’ vom ‚Rest’, verbunden mit der Negation der Gültigkeit der zivilisatorischen Werte für ‚die Anderen’, ist objektiv obsolet geworden. Das Beschwören ewig-gestriger Kategorien, sei es ‚Nation’ oder ‚Kultur’ im Zeitalter der Globalisierung ist und bleibt nicht nur reaktionär, es ist kontraproduktiv für eine Welt, die trotz aller Anstrengungen der Verfechter einer ‚Leitkultur’ zusammenwächst“ (S. 129).

Ruf bringt in seinem Buch einige gute Analysen, wozu auch die Einschätzung zur plötzlichen Israelfreundlichkeit von europäischen Rechtspopulisten gehört. Doch insgesamt verstört die Darstellung durch ihre Einseitigkeit in Beschreibung und Kommentierung: In der Tat gibt es pauschale Negativ-Einstellungen gegen den Islam und die Muslime; in der Tat spielen Feindbildkonstruktionen und Identitätsbedürfnisse eine wichtige Rolle; in der Tat ist die Rede vom „christlich-jüdischen Abendland“ ideen- wie realgeschichtlich unangemessen. Ruf problematisiert und thematisiert aber nicht, dass es sehr wohl auch gesellschaftliche Probleme gibt, welche mit den Begriffen „Islam“ und „Muslime“ inhaltlich verbunden sind. Sicherlich wurde und wird der „Krieg gegen den Terror“ politisch für ganz andere Zwecke instrumentalisiert. Doch gibt es sehr wohl die Gefahr des islamistischen Terrorismus. Eine aufklärerische Sicht diese Entwicklungen muss eine differenzierte Betrachtung vornehmen. Eine Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Problemen bringt demgegenüber nicht weiter.

Armin Pfahl-Traughber

Werner Ruf, Der Islam – Schrecken des Abendlands. Wie sich der Westen sein Feindbild konstruiert, Köln 2012 (PapyRossa-Verlag), 129 S., 9,90 €