Und sie bewegt sich doch… nicht

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Daniela Musiol, Christoph Baumgarten, Carsten Frerk, Niko Alm / Foto: Evelin Frerk

WIEN. (hpd) Noch vor dem Veröffentlichungstermin eines vermeintlichen „Enthüllungsbuches“ versuchte die katholische Kirche mit einer überraschend frei geschalteten Internetseite dagegen zu halten; was jedoch nichts half, denn über das Buch wurde auch im ORF in den Fernsehnachrichten berichtet. Die Kirche schweigt seitdem wieder.

Die Vorbereitungen auf die Buchpräsentation von „Gottes Werk und unser Beitrag. Kirchenfinanzierung in Österreich“, am vergangenen Montag in Wien liefen in aller Ruhe und Gelassenheit, als sich ohne jede Vorankündigung die Nachricht verbreitete, dass das Medienreferat der österreichischen Bischofskonferenz eine eigene Internetseite zu den Kirchenfinanzen veröffentlicht habe. Die Autoren des Buches rieben sich verwundert die Augen, denn die katholische Kirche hatte sich mit ihrer Internetseite kirchenfinanzierung.katholisch.at an die vom Czernin-Verlag gebaute Internetseite zum Buch kirchenfinanzierung.at gleichsam aufgesattelt.

Die Tatsache, dass die katholische Kirche ihre Haushaltspläne bzw. Budgets nicht mehr in kaum auffindbaren Unterseiten zum Kirchenbeitrag für Unkundige verbirgt, sondern als Gesamt-Tabelle und mit Tortengrafiken kompakt darstellt, steigerte sich in einen etwas euphorischen Überschwang, als hätten sich die bisher verborgenen Konten der Finanzkammern geöffnet: „Katholische Kirche legt erstmals Finanzen offen“ (Die Presse) „Die römisch-katholische Kirche in Österreich hat erstmals ihre Finanzgebarung offengelegt. Sämtliche Einnahmen und Ausgaben sind ab sofort via Internet unter kirchenfinanzierung.katholisch.at abrufbar, berichtete die ‚Kathpress‘ am Freitag.“

Die Meldung der katholischen Presseagentur zog ihre Kreise. Nicht nur in Österreich wurde sie medial wie eine Sensation verbreitet (news.at, oe24.at bis hin zur Tiroler Tageszeitung) auch Le Croix (die katholische Zeitung in Frankreich) titelte umgehend: „L’Église autrichienne fait la transparence sur ses comptes“ und sogar in Slovenien vermeldete Novice.Dnevnik „Avstrijska cerkev prvič razkrila svoje finance“. So schnell fliegt also eine Nachricht als Ente durch Europa, wenn sie geneigte Weltbilder bedient.

Manche fragten sich, was die Kirche dazu bewogen haben konnte, und es wurde vermutet, dass die Kirche „mit der Offenlegung der Finanzgebarung“ … „offensichtlich auch der Präsentation des Buchs ‚Gottes Werk und unser Beitrag. Kirchenfinanzierung in Österreich‘ von Carsten Frerk und Christoph Baumgarten zuvorkommen.“ Oder etwas kantiger: „Kirche lässt vor Enthüllungs-Buch in die Finanzen blicken“ (krone.at).

Die Leser-Kommentare waren teilweise geharnischt kritisch (kleinezeitung.at), aber den bewährten satirischen Unterhaltungswert der katholischen Fundamentalisten von kreuz.net stellte niemand in den Schatten, denn: „Die Kirche in Österreich präsentiert ihr jährliches Budget und zieht damit einer Lügen-Publikation zweier Kirchenhasser die Zähne.“

Von wegen und die beiden Autoren waren amüsiert - und durchaus erfreut über diese kostenlose Werbung -, denn alles, was die Kirche dort veröffentlichte, hatten sie ihn ihrem Buch bereits als unvollständig dargestellt, oder wie es Frerk bei der Buchpräsentation sagte: „Diese Offenlegung ist noch nicht einmal das Papier wert, falls man es ausdrucken sollte.“ Bereits der interne Abgleich in der Übersicht zwischen den einzelnen Diözesen zeigt eine recht uneinheitliche Darstellung, die eher verdeutlicht, was die (Erz-)Diözesen Wien, Salzburg, St. Pölten und Feldkirch nicht benennen. Und generell gilt, dass der größte Teil, was die Kirche sich selber als eigene Leistung zuschreibt (Konfessionelle Kindertageseinrichtungen, Schulen, Bildungsstätten, Caritas, Ordensspitäler und vieles andere mehr) dort überhaupt nicht erscheint.

Christoph Baumgarten hatte in einem Interview (derstandard.at) „Viel Geld für Gottes Segen“ bereits das Volumen von 3,8 Milliarden Euro benannt, mit dem der Staat diverse kirchliche Einrichtungen finanziert, was im Buch detailliert dargestellt wird. Das wurde in der Buchpräsentation an mehreren Beispielen erläutert und von den Medien entsprechend darüber berichtet (u.a. religion.orf.at, derstandard.at, krone.at).

Der ORF würdigte die Buchpräsentation in seiner Nachrichtensendung Zeit im Bild (ZIB) "Gottes Werk und unser Beitrag" (01:12) „3,6 Milliarden Euro Steuergeld fließen jährlich an Österreichs Religionsgemeinschaften. Der Großteil davon an die Katholische Kirche. Das zeigt nun das neu erschienene Buch ‚Gottes Werk und unser Beitrag‘ auf. Es ist eine erste systematische Untersuchung öffentlicher Kirchenfinanzierung in Österreich.“

Die katholische Kirche ist wieder schweigsam geworden, und äußert sich (bisher und wie gewöhnlich) nicht.

Die Nationalrätin der Grünen, Daniela Musiol, erklärte bei der Buchpräsentation, dass sie sich weiter mit parlamentarischen Anfragen im Nationalrat um eine bessere Transparenz dieser Finanzierungen bemühen werde.

Ihr zur Seite stand Niko Alm, der als Sprecher des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien die Buchpräsentation moderiert hatte. Alle wahlberechtigten ÖsterreicherInnen können noch bis Ende 2012 das “Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien” unterschreiben. Es fehlen nur noch 284 auf 8.032 Stimmen.

Arno Obermayer